von Prof » 24. September 2008, 18:45
So, halb taub von 150 Minuten Explosionen und Kugeleinschlägen, bin ich wieder heil daheim. Eins vorweg: ich kann den Film nicht beurteilen ohne dass prägende Erinnerungen an manchen Urlaub bei den deutschen Verwandten oder Grenzkontrollen bei der wöchentlichen Einkaufsfahrt mit meinen Eltern hochkommen. Ganz intensiv das alles, damals wie heute. Daher hab ich den Film wahrscheinlich ganz anders erlebt als meine Kollegen der Presse. Die meisten sind eh jünger und/oder haben kein Bezug zu Deutschland oder dem Stoff an sich.
Sicher ist, dass Aust und Eichinger recherchiert und rekonstruiert haben wie kaum für einen europäischen Film - das war ja die Vorraussetzung. Uli Edel hat das Ganze inszeniert wie eine blutige Achterbahnfahrt die für fast alle Beteiligten mit dem Tod endet. Ob man Dramatisierung dieser Stoffe (und/oder deutsches Kino) mag oder nicht, Fakt ist dass hier etwas Grosses geschaffen wurde. Kein kleines Autorenkino, sondern Bombast und Adrenalin ohne dass die Handlung und historischen Hintergründe flöten gehen.
Was die Schauspieler betrifft: Bleibtreu ist ein (folgendes Wort bitte nicht falsch verstehen) saucooler Andreas Baader, verĂĽckt, manisch, aggressiv, ein grosses Kind mit Schusswaffen und Boobytraps. Solche Bekloppte machen nun mal die Geschichte. Bleibtreu trifft einfach den Ton.
Kommen wir, Herr Ace Siebi, zu Martina Gedeck: sie ist als Ulrike Meinhof etwas manierierter als sonst (Das Leben der Anderen, Bella Martha, Elementarteilchen), aber das fragt die Rolle, vor allem in der Stammheim-Episode. Wir wissen ja wie die Geschichte fĂĽr die Ulrike ausgegangen ist.
Meine anderen deutschen Lieblingsschauspielerinnen sind alle unfassbar in ihren Seventies-Outfits (und in der Trainingslagerszene in Jordanien sogar ohne). Hat zwar nix mit dem ernsthaften Stoff zu tun, aber, hey, Nadja Uhl (eine furiose Brigitte Mohnhaupt), Alexandra Maria Lara (Petra Schelm), die göttliche Johanna Wokalek (Gudrun Ensslin), sowie Susanne Bormann und Jasmin Tabatabai - das ist doch ein Fest für die Sinne (die Boarddamen mögen mir bitte verzeihen).
Nein, warte, das hat doch etwas mit dem Stoff zu tun: die Frauen waren ja faszinierend weil sie schön und intelligent waren und agierten. So erfuhr man das ja damals auch. Das war ja in gewisser Hinsicht die bewaffnete Fortsetzung zur Kommune 1 und so weiter.
Dass es zu der heutigen Zeit viele traurige Parallelen gibt, muss ich wohl nicht erwähnen. Ob links, mitte oder rechts - man muss die Schlussfolgerung ziehen dass sich kaum etwas zum Positiven geändert hat. Wir sind nur noch mehr von den abstrakten politisch-militär-industriellen Konglomeraten abhängig geworden. Und noch konsumgerichter und apathischer. Die Gesellschaft bekommt was sie verdient.
Anyway, schaut euch Der Baader-Meinhof-Komplex an und erzählt mir dann dass ich unrecht hatte, ihn als ein ziemlicher Kracher einzustufen. Es mag zuviel Bombast und chargierte Dramatik sein für diesen oder jenen, aber was soll's - DBMK fasst 'die bleierne Zeit' schon mal gut zusammen. Das dramatische Kinogegenstück zur genialen Aust-Dokumentarfilm über denselben Stoff, nicht mehr, aber vor allem nicht weniger.
*Mich schon mal fĂĽr Grammatik- und Stilfehler entschuldige und jetzt Feierabend mache*