von Hairy Giant » 13. Februar 2015, 17:58
Hier mal meine 5 Cents zu einer meiner persönlichen Lieblingsbands, zumindest was die Walkyier-Ära angeht:
Die ersten drei Scheiben (Wayward Sons..., Burnt Offerings...und Jonah's Ark, plus die EP) sind in meinen Augen das musikalische Nonplusultra der Band, und auch wenn Skyclad (mit Martin) danach nie eine wirklich schlechte Scheibe veröffentlicht haben, verkörpern diese drei für mich das, womit die Band die heutige Metalszene am deutlichsten beeinflusst und Trends gesetzt hat – leider ohne selbst jemals davon profitieren zu können.
Alle drei Scheiben sind in meinen Augen eigentlich die konsequente Fortsetzung dessen, was Martin mit den ersten beiden Sabbat-Scheiben begonnen hat; Wütender aber stets hochmelodischer Thrash britischer Prägung, jetzt ergänzt mit (noch) relativ dezenten Folkeinsprengseln, gepaart mit unglaublich wortreichen, lyrischen und hintergründigen sozialkritischen Texten aus einer paganistischen und naturreligiösen Perspektive.
Gerade diese Texte waren es, die Martin Walkyier und Skyclad (aber auch schon Sabbat) so einzigartig in der Szene gemacht haben. Für Martin ist die Verbindung von Musik und Lyrics schon immer essentiell gewesen. Er sieht sich selbst als jemanden, der eine Message transportieren möchte, Leute zum Nachdenken anregen will, oder auch „nur“ persönliche Erlebnisse und Schicksalsschläge damit verarbeitet.
Auch Martins paganistische Lebensphilosophie (Martin ist ein Anhänger des sog. „Alten Glaubens“, also jemand, der, wie die Landbevölkerung vor der Christianisierung, die etablierten Religionen ablehnt und stattdessen die Natur und ihre Kräfte als „göttlich“ ansieht) war von Anfang an ein wichtiges Konzept der Band (und Martins Schaffen allgemein). Das äußert sich sowohl musikalisch, durch die Integration traditioneller (folk)musikalischer Elemente, den Inhalt der allermeisten Lyrics, das Bühnenoutfit, als auch allein schon durch die Wahl des Bandnamens.
„Skyclad“, also „mit dem Himmel bekleidet“, ist ein uralter Ausdruck für Nacktheit und Ungeschütztheit – Anhänger des alten Glaubens betrachten das Nacktsein als die ultimative Verbindung ihrer Person mit den Naturkräften und den Elementen, ohne Kleidungsstücke, die eine „Barriere“ gegen Wind und Wetter bilden. Bestimmte keltische Kriegergruppen bevorzugten es, nackt in die Schlacht zu ziehen, da sie glaubten, so widernatürliche Stärke aus den sie umgebenden Naturelementen ziehen zu können.
Letztendlich hat Martin also (unwissentlich) den Weg bereitet für all das, was uns heutzutage allerortens als sogenannter „Pagan-Metal“ um die Ohren gehauen wird. Ohne Skyclad hätte es vermutlich heute erfolgreiche Folkmetal-Bands wie Ensiferum, Finntroll oder Cruachan nie gegeben. Die Crux an der ganzen Geschichte ist leider nur, dass der Begriff „Pagan-Metal“ heutzutage eigentlich nichts mehr mit seiner ursprünglichen Bedeutung zu tun hat. Heute versteht man darunter doch im allgemeinen (Ausnahmen bestätigen die Regel) relativ simplen und eingängigen, folkbeeinflussten (Black)Metal mit Lyrics über heroische Schlachten, scheinbare Verehrung und Glorifizierung von Wikingern, Germanen und deren Götterwelt und vor allem party- und Wackentaugliche Sauflieder jeglicher Couleur. Die eigentliche Bedeutung des Begriffes „Pagan“ kennt (inklusive der ihn verwendenden Musikanten) eigentlich kaum noch jemand, stattdessen wurde das ganze wohlwollend als neues Genre und gewinnbringende Cash-Cow von der Musikindustrie aufgegriffen und ausgeschlachtet. „Echte“ Pagan-Metal-Bands gibt es nur wenige, und diese definieren sich öffentlich meist auch nicht als solche, sondern sind eigentlich nur aufgrund der Ausrichtung ihrer Lyrics als solche erkennbar.
Damit wäre dann auch der Bogen gespannt zu der Frage, was Martin zu diesem Bashing seiner ehemaligen Weggefährten bewegt hat: Ich persönlich kann seinen Groll sehr gut verstehen – Skyclad war Martins „Baby“, es war für ihn mehr als ein Vehikel „nur“ Musik zu machen, sondern eine Plattform, um sich, seine Lebensphilosophie und seine Gedanken mitzuteilen. Darin hat er jahrelang Gallonen an Herzblut investiert – seine Texte sind und waren essentiell, um die Band zu verstehen, und Skyclad ohne Martins tiefgründige Lyrics und exzentrische, leidenschaftliche Art sie zu interpretieren, hat ungefähr dieselbe Wirkung wie ein alkoholfreies Bier.
Leider waren seine Bandkollegen nicht dieser Ansicht, und versuchten die Band in eine partytauglichere, kommerziell erfolgreichere Schiene zu schieben – weg von Sozialkritik und paganistischer Philosophiererei, hin zu massenkompatibleren Party- und Besäufniskonzepten.
Letztendlich hat sich bekanntermaßen die Mehrheit durchgesetzt und Martin angewidert das Weite gesucht.
Für mich persönlich ist die Band nach Martins Ausscheiden irrelevant geworden – ich habe die „neuen“ Skyclad einmal live auf dem Dong-Open-Air gesehen und es hat mich in keinster Weise berührt. Für eine ungezwungene Party sind die Jungs und Mädels immer noch gut, musikalisch ist das Ganze dank gestandener Recken wie Steve Ramsey und Graeme English auch immer noch weit besser als vieles andere, was sich in dem Genre noch so tummelt. Aber es ist für mich seelenlos, uninspiriert und schlichtweg langweilig. Früher, als Martin noch das Mikro geschwungen hat, hatte ich bei Skyclad-Gigs regelmäßig eine Ganzkörper-Gänsehaut. Heute lässt mich das vollkommen kalt, selbst wenn die alten Klassiker intoniert werden. Ja, ich frage mich dann sogar, ob der neue Sänger überhaupt wirklich versteht, was er da singt, wenn er Martins doch stets recht persönliche Lyrics interpretiert...