Pavlos hat geschrieben:Was war da los? Wie seht ihr das? Warum war in Sachen Classic Metal & Konsorten in den 90ern die Luft raus?
Ich bin ja kein Freund der fast immer benutzten "Grunge killed Metal" These.
Meiner Meinung nach war die Szene satt, der Trenddrops gelutscht, die Trentrittbrettfahrer sprangen ab, und übrig blieben WIR. Bis dann Hammerfall kamen, haha....
Ich könnte jetzt aus dem Stand eine Liste mit 50 geilen echten Metalalben und -demos machen, die zwischen 1992 und 1995 erschienen sind. Dass der Grunge den Metall getötet hat, kann man deshalb wohl nicht behaupten. Präziser wäre es, zu sagen, Grunge hat den Metal aus den Medien verdrängt. Oder noch besser: Grunge war der Auslöser für den großen Wahrnehmungswandel, was alles Metal ist.
Es gab nach wie vor echten, guten Metal. Es hat nur niemand mehr wahrgenommen, weil sich begonnen bei MTV über die Bravo bis hin zu Rock Hard und Metal... pardon NuRock and Metal Hammer keiner mehr für klassischen Metal interessiert hat. Gleichzeitig wurde der Metal-Begriff um ein Vielfaches geweitet.
Diese Vermengung der Indieszenen und der Metalszene in der Berichterstattung war dann der Auslöser dafür, dass aus "Metal" das undefinierbare Etwas geworden ist, das es heute ist, weil nun im Zuge von Nirvana, Pearl Jam, Bravo, MTV ganz neue Hörerschaften auf die Musik aufmerksam wurden. Ich erinnere mich an die grausigen krampfhaften Versuche der Plattenfirmen in den frühen 90ern jeden Scheiß als Crossover-Metal zu vermarkten, nur um mit einem Produkt mehrere Szenen auf einmal bedienen zu können. Als dann über den norwegischen Gothic-Grindcore / Black Metal auch noch die ganzen Dark Waver in die Szene eingebrochen sind, war's endgültig vorbei. Grunge hat also schon mit auch dazu beigetragen, dass Metal heute offen für alles ist, tolerant sein muss, intellektuell sein muss und völlig kommerzialisiert ist. Tot ist er dennoch nicht, wenn man weiß, wo man nachsehen muss.
HipHop hatte übrigens IMO eine ebenso große Wirkung wie Grunge auf den Metal. Viele Leute, die ich kannte, wurden Anfang der 90er vom beinharten Metaller zum HipHopper, weil's plötzlich cooler und gefährlicher war. Für mich war's praktisch, weil ich so billig an alte Tapes, LPs und Shirts gelangen konnte, aber befremdlich war es irgendwie auch. Es gab bei uns zwei große Dichotomien. "Bist du Metaller oder Rapper?" und "Bist du Metaller oder Punk?" - wobei "Punk" der Überbegriff für Punk, Grunge, Indie und alles war, das irgendwie bunt war, Gitarren hatte und angesagt war. Man konnte übrigens die Hörerschaften auch klar voneinander abgrenzen. Während bis Anfang der 1990er alle irgendwie Hard Rock / Metal hörten (Metallica, Slayer, Sodom, Anthrax waren absolute Konsensbands), drifteten die Hauptschüler vom Metal in den HipHop ab (NWA, Eazy E, Public Enemy, 2 Life Crew), wohingegen die Gymnasiasten plötzlich alle auf Nirvana, Pearl Jam, NO FX, Rage against the Machine, Bad Religion, etc. umschwenkten. Da ich selber mehr Kontakt zu Gymnastiasten hatte, stellten die "Punks" für mich (und meine wenigen verbliebenen Mit-Metaller) die größere Bedrohung statt. Da gab's dann auch schon mal handfestere Auseinandersetzungen. Hach, Erinnerungen...
Sblood, thou stinkard, I’ll learn ye how to gust … wolde ye swynke me thilke wys?