
An infernal vision I saw, out from the darkness it came to me...
"Crush the Insects" ist das zweite von nur drei Studioalben, die REVEREND BIZARRE neben unzĂ€hligen Splits und einigen EPs im Laufe ihrer ĂŒber 11-jĂ€hrigen Karriere veröffentlicht haben. Jedes dieser drei Alben besitzt einen eigenen Charakter, und die Rollen sind klar verteilt: Das DebĂŒt, "In the Rectory of the Bizarre Reverend", gilt als Blaupause des neuzeitlichen Doom Metals. Ultra heavy, von der AtmosphĂ€re her besonders dĂŒster und in seiner Stimmung nichts anderes als zermalmend. Das dritte Album "So Long Suckers", das Abschiedswerk der Band, ist eine Art Best-Of der Bandgeschichte, hin- und her pendelnd zwischen vernichtenden, tonnenschweren Doommonstern und schnelleren bis gar epischeren Parts, erneut in einen glaskaren und gleichzeitig unglaublich schwerem Sound verpackt. "Crush the Insects" steckt zwischen seinen beiden groĂen BrĂŒdern und scheint in Punkto "Doom" nicht ganz mithalten zu können. Gerne wird das Album als zugĂ€nglichstes und als leicht zu verdauendes beschrieben, bei dem der Heavy Metal- stĂ€rker als der Doom Metal-Anteil sei. Die GrĂŒnde liegen auf der Hand: Gleich drei Songs der "schnelleren" Marke eröffnen die Scheibe, mehrmals wird das Tempo auch im Laufe der restlichen Songs angehoben.
"Our second album will be bit faster than the first, but the third will be much slower." (Albert Witchfinder, 2002)
ZurĂŒck ins Jahr 2005. Mein erster Kontakt mit REVEREND BIZARRE ereignete sich tatsĂ€chlich in diesem Jahr, lange bevor ich meinen ersten Kontakt mit Underground- oder gar Doom-Metal hatte. Ich blĂ€tterte in einer Ausgabe des Metal Hammers (ja, ich gestehe...) und sah plötzlich das Foto dieser Band, die auf einem schneebedeckten Friedhof posierte und im Interview seltsame Aussagen ĂŒber das Ende der Welt, das Christentum und besonders langsamen Heavy Metal von sich gab. "Was fĂŒr Spinner!" dachte ich mir als 15-JĂ€hriger, "und wie sie auch noch ausschauen!". Wie man sich irren kann! GlĂŒcklicherweise wurde ich mit dem Alter zumindest in dieser Hinsicht weiser. Aber damals waren REVEREND BIZARRE wohl einfach noch eine Nummer zu groĂ fĂŒr mich. Denn auch fĂŒr "Crush the insects" gilt, was fĂŒr alle ihrer Veröffentlichungen gilt: Die Musik fordert enorm viel von einem, easy listening ist nicht, wie Cromwell es einmal treffend formulierte. Sie gibt einem aber genauso viel zurĂŒck, lĂ€sst man sich auf die Reise ein.
BUMM! Das Album startet buchstĂ€blich mit einem Knall. Und was fĂŒr einem! Gleich der Opener "Doom over the world" ist nichts anderes als eine Hymne, ein Manifest, ein Jahrhundertklassiker. Earl of Void, den ich fĂŒr den unterschĂ€tztesten Musiker der drei Mitglieder halte, eröffnet mit seinem ultrafetten Schlagzeugspiel, bevor ein enorm simples, aber dafĂŒr umso effektiveres Riff ĂŒber einen hinweg rollt und Albert Witchfinder mit seinem unvergleichlichen Pathos zur Schlacht ruft. Selten zuvor oder danach hat eine Band es geschafft, mit so wenigen Noten solch einen packenden Song zu schreiben. Dabei wagen sie gekonnt und mit Leichtigkeit den Spagat zwischen klassischem Heavy Metal und Doom Metal, eine Leistung, die ihnen nur wenige nachahmen können. Das Lied selbst ist Liebes- und KriegserklĂ€rung in einem. Eine LiebeserklĂ€rung an das Genre des Doom Metal, welches Anfang des neuen Jahrestausends noch tief im Underground steckte und dort fern jeder Kommerzialisierung florieren konnte. Damals muss noch echte Aufbruchsstimmung in diesem kleinen Kreis geherrscht haben und keiner hat diesen Spirit so gut auf Band gepresst wie REVEREND BIZARRE. Eine KriegserklĂ€rung ist wiederum an alle, die sich dieser Bewegung in den Weg stellen, die im Gegensatz zum Reverend die falsche Lehre predigen. Diese Kampfansage wird jedoch nicht im Sinne einer stumpfen MANOWAR-Keule ausgepackt, sondern ist ganz im Gegenteil eine symphatische, skurille und exzentrische Bekennung zu einer damals noch total obskuren Form des Metals. Allein fĂŒr diesen Song, der ĂŒbrigens ein ebenso geniales, super kurzes Gitarrensolo besitzt, mĂŒsste man der Band ein Denkmal errichten.
Mir fehlen die genauen Messdaten, aber es kann gut sein, dass "The Devils rides out" der "schnellste" REVEREND BIZARRE-Song ist. Hier treten die Jungs fĂŒr ihr VerhĂ€ltnis quasi auf das Gaspedal, pausieren aber zwischendurch immer wieder in Form spannender Breaks. Dennoch, und jetzt nehme ich mir schon mal gleich selbst den Wind aus den Segeln, ist "The Devil rides out" fĂŒr mich der wahrscheinlich "schwĂ€chste" Song der Bandgeschichte, wobei "schwach" hier in Relation zum absurd hohen Niveau der restlichen Lieder gesetzt wurden muss. DafĂŒr packt mich das Hauptriff wohl nicht genug, oder ich habe den Song tatsĂ€chlich zu Tode gespielt, was wahrscheinlicher ist. Der Song ist jedoch reprĂ€sentativ fĂŒr den etwas anderen Charakter von "Crush the Insects", daher hier fast reiner Heavy Metal zelebriert wird. An dieser Stelle auch ein paar Worte zum Sound: Dieser ist trĂ€gt wesentlich dazu bei, dass das Album leichter zu verdauen ist als die anderen beiden. WĂ€hrend auf dem DebĂŒt die Gitarre so heavy und schneidend klingt, dass es einen fast zerdrĂŒckt und auf "So Long Suckers" der Bass und das Schlagzeug mit der Wucht einer Naturkatastrophe regieren, ist "Crush the Insects" zurĂŒckhaltender und insgesamter runder produziert. Sprich alle Instrumente agieren auf der gleichen Stufe, keines tut sich besonders auch hervor, auch wenn natĂŒrlich Alberts Bass wieder eine tragende SĂ€ule darstellt. Der Sound wirkt somit kompakter und insgesamt auch "rockiger", was ihm eher eine klassische Metal- als eine Doom-Schlagseite verpasst. Dennoch soll nicht behauptet werden, dass REVEREND BIZARRE hier mit lauwarmen Wasser kochen. Der Sound der Band ist auch auf "Crush the Insects" fĂŒr ein Trio unglaublich heavy.
Track Nummer 3, "Cromwell", setzt die Richtung der beiden ersten Nummern fort und ist neben "Doom over the world" wahrscheinlich der "Ohrwurm" der Diskografie, wenn man so einen Begriff bei REVEREND BIZARRE ĂŒberhaupt verwenden kann. Aber verdammt! Es lĂ€sst sich kein anderer Begriff als "eingĂ€ngig" dafĂŒr finden, das gilt sogar fĂŒr den instrumentalen Teil, in dem sich die Band in einen wahren Rausch spielt und Albert eine Salve nach der anderen auf seinem Bass abfeuert. (Tipp: Schaut euch die Live-Aufnahme aus Washington auf Youtube an und achtet auf Alberts extrem kraftvolles Bassspiel) Ein Song den man immer und immer wieder hören kann, ohne dass er sich abnutzt.

"You say you're in love with evil, I say you're out of your fuckin' mind!"
Aber dann! Kompletter Szenenwechsel. Als ahnungsloser Hörer könnte man nach "Cromwell" noch hoffen, dass der Rest ebenso leicht bekömmlich ausfallen wird, aber Pustekuchen! Mit dem 14-MinĂŒter "Slave of Satan" zeigen REVEREND BIZARRE eindrucksvoll, was in Sachen purer Doom Metal eine Harke ist. (Die 20-minĂŒtige Single-Version kenne ich leider nicht, soll aber laut Cromwell noch besser sein) Im Schneckentempo bewegt sich die Band hier weiter, ohne das Tempo auch nur einmal zu erhöhen oder dem Hörer irgendeine Form von Gnade in Gestalt eines Breaks oder eines Solos zu gewĂ€hren. Das kann zunĂ€chst ermĂŒdend, beinahe frustrierend wirken. Aber lĂ€sst man sich auf den Song ein, wird man sehr schnell von seinem fast hypnotisierenden Rhythmus gefangen genommen. An dieser Stelle offenbart sich dann eine der groĂen StĂ€rken von REVEREND BIZARRE: Sie können unglaublich langsam spielen. Klingt banal und wenig beeindruckend, aber ĂŒber 14-Minuten hinweg solch ein Tempo zu halten, ohne an Feeling und IntensitĂ€t zu verlieren, ist meiner Meinung eine gröĂere Kunst, als mehrere hundert Noten in zwei Takten wegzuschreddern. Die Band wusste um dieses Talent und verstand den Doom Metal gerade in dieser Hinsicht als Gegenbewegung zu verschiedenen Extrem-Metal-Genres, in denen sie trotz der Schnelligkeit die Heavyness vermissten. "Slave of Satan" ist ein Paradebeispiel fĂŒr diese Entschleunigungsversuche von REVEREND BIZARRE und ihrer unkrompisslosen AttitĂŒde in punkto reiner Doom. Grandios ist auch die Kombination von Text und Gesang, die Albert Witchfinder wie so oft mit einer gewissen Exzentrik, einem Wahnsinn vortrĂ€gt. Auch begibt sich Albert scheinbar in die Rolle eines "christlichen" ErzĂ€hlers, der andere vor dem Teufel warnt, scheinbar ganz in der Tradition von BLACK SABBATH. Dieser Umstand wurde, denke ich, auch oft ĂŒbersehen, nĂ€mlich dass REVEREND BIZARRE von Anfang an mit einem christlichen Image spielten und auch des Ăfteren in diese Rolle schlĂŒpften, ganz im Gegensatz zu den unzĂ€hligen, immer Ă€hnlich klingenden Satan-Lyrics anderer Bands. Leider wurden ihnen das nie angerechnet, denn das Beispiel ATLANTEAN KODEX zeigt mittlerweile, wie innovativ und wie Aufsehen erregend dieses Spiel mit der Christentum-Thematik im Metal sein kann.
Weiter geht's mit "Council of Ten". Dieser Song steht geradezu stellvertretend fĂŒr den Rest des Albums, mit Ausnahme von "Eternal Forest". Er startet langsam, in punkto Heavyness erinnert er gar an den Titeltrack des DebĂŒts. Albert fĂ€hrt in punkto Bedrohlichkeit und Wahnsinn noch einmal alles auf und beschwört eine ganz und gar dunkle AtmosphĂ€re. In der Mitte dann die Pause, und ganz im Stile von "Black Sabbath", die Beschleunigung. Dieses Muster wiederholt sich ebenfalls in "By This Axe I Rule" und "Fucking Wizard". REVEREND BIZARRE zelebrieren eine extrem minimalistische, nah am Blues und Hardrock gelegene Form des frĂŒhen Metal, mit Schuffle-Rhythmus und in mittlerer Geschwindigkeit. Hier tritt die Anlehnung an BLACK SABBAtH klar hervor, wobei die Band es dennoch schafft, dem Material ihre ganz eigene Note zu verleihen, was nicht zuletzt wieder an Albert liegt, der sich nicht davor scheut, seinen alter ego konsequent auszuleben und immer wieder den fanatischen Prediger zu spielen. Heute macht das jede zweite Doom-Band, damals aber war es einzigartig und sehr mutig. Peter Vicar fĂŒgt wie immer ganz kurze, aber dafĂŒr umso effektivere Soli hinzu und Earl of Void drischt die Band unerbittlich nach vorne.
"By this axe I rule" fĂŒhrt dieses Muster wie gesagt fort, besitzt aber einen ganz eigenen Charakter. Auch hier prĂ€sentiert die Band wieder ihren ganz speziellen und eigenwilligen Humor. Denkt man beim Titel zunĂ€chst an Robert E. Howard, gibt sich Albert als Gastgeber aus, der seinen (wahrscheinlich weiblichen) Gast zunĂ€chst zu einem romantischen Zusammensein einlĂ€dt, ihm/ihr noch ein Glas einschenkt, bevor er die Person mit einer Axt in StĂŒcke haut. "By this axe I rule..." Grandios! Vor allem, weil es mit so einem Ernst und ĂŒbertriebenen Wahnsinn vorgetragen wird. Man höre sich nur das kranke GelĂ€chter am Ende an, groĂes Kino!
Bei "Eternal Forest" wird dann es noch einmal durchgehend langsam. Der Song ist im Gegensatz zum eher ĂŒberzeichneten "By this axe I rule" sehr ernst, melancholisch und geht textlich in die Richtung von "Anywhere out of this world". Albert beschreibt auch hier eine Situation, in der an einem abgeschiedenen Ort zwei Menschen zusammen sind, wĂ€hrend der ErzĂ€hler mit seinen Ăngsten und Sorgen zu kĂ€mpfen hat. Die Stimmung des ganzen Songs ist andĂ€chtig, fast sakral. Peter Vicar setzte mit seiner Gitarre immer wieder kurze Akkzente und spielt am Ende eines seiner gefĂŒhlvollsten Soli.
Am Ende wird es dann noch einmal richtig abgefahren, der "Fucking Wizard" leitet den Schluss des Albums ein. Und wie Bombadil einmal auf dem Hell's Pleasure treffend sagte: "Es ist kein fucking Wizard, sondern ein FUCKING Wizard". Sprich, hier geht es tatsĂ€chlich um eine Gestalt mit ganz bestimmten Vorlieben. "Fucking Wizard" untermauert zumindest ein wenig den Eindruck, dass "Crush the insects" mit Ausnahme von "Eternal Forest" eher in die kauzige, abgefahrene, verrĂŒckte Ecke gehört und sich weniger bedrohlich und ernst prĂ€sentiert als die Alben 1 & 3. Das heiĂt nicht, dass wir es hier mit einer "SpaĂ-Scheibe" zu tun hĂ€tten, oder sich die Band nicht ernst nehmen wĂŒrde. Ganz im Gegenteil... aber wĂ€hrend die anderen Alben den Doom Metal in seiner dĂŒstersten Form ausloten, hatte ich eher den Eindruck, dass "Crush the insects" tatsĂ€chlich das Heavy Metal-Album der Band sein sollte, also mehr in Richtung WITCHFINDER GENERAL als in Richtung CANDLEMASS oder SAINT VITUS schielte. Eine Nummer wie "Fucking Wizard" hĂ€tte sicher nicht auf "So Long Suckers" gepasst, hier passt sie perfekt zum Spirit von "Doom over the world", ganz nach dem Motto: Keine Kompromisse, keine Anbiederungen, wir leben unsere Vision konsequent aus. Meine Lieblingsstelle: Das "Come on, baby!" sobald der schnellere Part losgeht. Es hat einfach nur Stil, wie REVEREND BIZARRE hier gekonnt super zĂ€hen Doom, klassischen Metal und ihren kauzigen Humor und ihre exzentrische Art vermischen und damit ihre ganz eigene Mixtur herstellen, die bis heute nichts von ihrer Faszination und EigenstĂ€ndigkeit eingebĂŒĂt hat.
Letztlich untermauert "Crush the insects" nicht weniger als sein Vor- und NachgÀnger, warum REVEREND BIZARRE eine der wichtigsten, eigenstÀndigsten und talentiertesten Metal-Bands der letzten 20 Jahre war.
