Man könnte peruanische Rockmusik durchaus als exotische Klangsammlung erachten, was sich im Falle der vorliegenden Band doch als Fehleinschätzung entpuppt. LAGHONIA klingen auf ihrem Album "Glue" doch recht international. Ganz entspannt vor sich hin fließender Rock mit coolen Gesangslinien und einer fuzzigen, jaulenden Leadgitarre, vom PENTAGRAM Shouter Bobby Liebling mal als "Ambulance Guitar" bezeichnet. Nach dem hart groovenden Opener "Neighbour" und dem melodischen "The Sand Man" hat man mit "Billy Morsa" ein erstes kleines Psychedelichighlight am Start. Neben dem regulären Schlagzeug setzt man auf eine Vielzahl von Percussions, die einen dichten Rhythmusteppich mit hypnotischer Wirking ergeben, baut ein Vibraphon ein, erzielt dadurch ein jazziges, atmosphärisches Klingen und natürlich betört die jaulende Leadgitarre Euer Gemüt. Schöner, geradlinig schlendernder Pop in der Strophe, dann ein verspielter Mittelteil mit einer kratzenden Rhythmusgitarre, welcher an die Rhythmik einer anfahrenden Dampflokomotive erinnert und Parallelen zum Song "Psychotic Reaction" der US Beatgruppe COUNT FIVE zeigt, falls das überhaupt jemandem was sagt. Ach, ich vergaß, der dazugehörige LAGHONIA Song heißt "Trouble Child". Auch schöne, von Melancholie durchtränkte Balladen sind den Peruanern mit ihrem US amerikanischen Leadgitarristen nicht fremd, Songs, die einen in Gedanken versunken vor sich hin treiben lassen. Andere Songs sind von Beat und Motown Soul inspiriert, gar nicht so abgedriftet und psychedelisch, sondern recht geradlinig mit eingängigen Melodien. LAGHONIA waren eine recht abwechslungsreiche Band, die das Glück hatte, in einer Zeit zu musizieren, wo ärgerliches Schubladendenken gerade nicht angesagt war. Ein schön brodelnder Hardrocker ist der Titelsong des Albums geworden. Die Gitarre brummt aggressiv, jault zwischendurch feurige Soli aus den Speakern. Die Rhythmen sind packend, auch hier wird das Schlagzeug von Percussions unterstützt und seine Muster verdichtet. Die Hauptmelodie vom Sänger ist geradlinig, dennoch sehr emotionsgeladen. Die Leadgitarre wird in einigen Momenten von einer zweiten Gitarrenspur unterstützt, auf der eine weitere "bloopige" Leadgitarre sich in die Hauptspur hineindrängt. Klingt sehr eruptiv. Latin Rock der besten Art ist danach "Bahia" mit unwiderstehlich groovenden Rhythmen, einem pumpenden Bass, einer stets wild blitzenden Leadgitarre und betörender Gesangsmelodie. Ein Veitztanz der Sinne wird sich hieraus ergeben. Zu schön! Und dann haut wieder eine kurze, aber umso nostalgischere Beatnummer mittenrein! Ich finde den Song schön, "Baby, Baby" sein Titel. Allerdings mutet er schon damals wie ein Anachronismus an, denn aufgenommen wurde das Album zwischen 1968 und 1970, der Song selbst klingt nach 1963. Und man weiß ja, wie schnell sich damals alles entwickelte. Und nun verstehe ich auch...wir sind schon längst bei den Bonustracks angelangt. Die Band hatte schon vor dem Album zwei Singles draußen, die durchaus von Bands wie den BEATLES, den SEARCHERS oder ähnlichen britischen Beatgruppen beeinflußt worden waren. Wie ich aber schon sagte, 1968 noch solchen Sound zu fahren war irgendwie freakig, ha! Aber in Peru ticken die Uhren wahrscheinlich anders und man bekommt erst später die in Europa und dann den USA entstandenen Musikströmungen mit. Die beiden spanischsprachigen Songs der zweiten Single  sind da schon etwas moderner und werden dem Jahr 1968 durchaus gerecht. Noch kein wilder Rock, aber auch kein primitiver Beat mehr, eher vom amerikanischen Folk und der Westcoast Musik beeinflußt, man gab sich also urplötzlich auf der Höhe der Zeit und konnte Truppen wie den BYRDS durchaus Konkurrenz machen, auch ohne Dylan Cover! Insgesamt eine schöne CD, die durch die Bonustracks zwar nicht mehr ganz einheitlich wirkt, dafür aber sehr schön die erste Phase der Entwicklung LAGHONIAs abdeckt, vom Beat, vom Westcoast Folk hin zu eigenständigem Rocksound mit psychedelischer Note. Beinharte Metalfreaks werden sich hiermit wohl schwertun, Liebhaber guter Songs und Neugierige, die gerne die Ursprünge der Rockmusik ergründen, haben an dem feinen Digipack aus dicker Pappe sicher ihre helle Freude. Zu bekommen bei www.worldinsound.com
Sascha, 2005