Dominantes Orgelspiel, unverzerrte E - Gitarren und eingängige, dennoch verträumt wirkende und fast schon über der Musik schwebende Gesangslinien machen uns gleich klar, daß hier der Psychedelicrock in großer Farbenpracht regiert. MYSTIC SIVA hatte ich ja schon anhand ihres "Under the Influence..." Albums besprochen, welches diverse Proberaum - und Livemitschnitte in sich birgt. Auf diesem selbstbetitelten Scheibchen, dessen Cover in herrlichem Orange gehalten ist, gehen die Teenager auf der einen Seite weniger rauh, dafür umso differenzierter und ausgefeilter zuwerke. Die Gitarre brodelt in der Tat nicht, dafür singt sie uns Melodien von kristallener Klarheit, die sich betörend um Dein Gemüt schlängeln, während der Organist mit üppig gewobenen Teppichen und einigen furioseren Leadpassagen entgegensteuert. Die beiden bilden ein sich sehr gut ergänzendes Gespann, dessen intensive Duelle zwar nicht in vollkommen aus der Bahn schlagende Exzesse ausarten, dennoch nicht mit Anspruch einerseits und packender Dramatik andererseits geizen. Ganz klares Highlight ist hier, wie auch schon auf der "Under the influence..." der Killersong und Stagefavourit "In a room". Ein monströser Psyche Out, wo die Band vom Hafer gestochen loslegt, als gäbe es kein Morgen mehr. Ich ziehe zwar die Livefassung der Studioversion vor, die Gründe liegen auf der Hand, denn live sind MYSTIC SIVA noch intensiver, wuchtiger, brodelnder und entfesselter, aber was sie hier vom Stapel lassen ist eines dieser absoluten Songhighlights, die es eigentlich zum Chart Hit hätten schaffen müssen und doch dem Mainstream unterlegen waren. Grandioser Schlußpunkt für ein packendes Rockalbum. MYSTIC SIVA könnte man grob in eine Schublade mit den Briten IRON MAIDEN (Ende der 60er aktive Rockband, die tatsächlich NICHTS mit der Metallegende zu tun hat, welche erst 5 bis 6 Jahre später in embryonaler Version das Licht der Welt erblickte) und MAY BLITZ vergleichen, die auch trotz meist ohne Zerre gespielter Leadgitarre eine gesunde Portion Wucht entwickeln konnten, alleine durch das hingebungsvolle, beinahe besessen zu nennende Spiel der Instrumentalisten. Gut, das wichtigste Mitglied der Band hätte ich beinahe vergessen, den Sänger (ich als "Berufskollege" darf ihn so darstellen, ha! - der Verf.). Live mag er trotz seines zarten Alters eine hervorragend rauhe, leicht bluesig :blink: eingefärbte Stimme besitzen, auf dem Studioalbum ist sein klang melodisch, urtypisch für den damals aktuellen Psychedelicrock und - pop. Er hat Persönlichkeit, ein eigenes Timbre, lässt sich trotz seiner für 1970 typischen Art zu singen aus der Masse herauserkennen. Gut gebrüllt, Löwe! Alles in allem eine sehr gelungene, beinahe schon grandiose Psychedelicrock Scheibe, die vielleicht noch ein wenig öfter den Einsatz der Fuzzbox (unserer heutigen Metalgitarrenverzerrer Urvater) hätte vertragen können, ansonsten aber astreine Songs mit hohem Wiedererkennungswert in sich trägt. Wer auf musikalische Entdeckungsreise in der Zeit der freien Liebe, politischer Revolution und des Aufbrechens verkrusteter Gesellschaftsstrukturen gehen möchte, der ist hiermit ausgezeichnet beraten. www.worldinsound.com
Sascha, 2005