von Neudi » 28. September 2010, 20:34
Hallo,
da ich als eigentlicher Forenmuffel und von wenig Zeit geplagter Mensch Gefallen an diesem Board gefunden habe, möchte ich mal wieder einen Thread eröffnen, der erst mal gar nicht so recht hier reinpassen zu scheint. Doch der Schein trügt...
Sweet waren immer eine Proto-Metalband, schon bei Bandgründung in den 60s. Doch anstatt Songs zu schreiben und diese aufzunehmen, wurden die vier Musiker gezwungen, radiotauglichen Bubble-Gum-Pop zum Besten zu geben. "Co-Co" oder "Little Willy" sind auch heute noch unerträglich. Das Schlimmste: Selbst auf diesen Singles (und auf dem ersten Album) spielten sie nicht einen Ton, sondern steuerten nur die Vocals bei. An Sweet selbst hat das nicht gelegen. Man hat ihnen nichts zugetraut und wollte mit der Maßnahme kostbare Studiozeit sparen. Etwas später gestattete man ihnen, in ein paar Stunden eigenes Material (selbstgespielt) auf die B-Seiten zu packen. Und hier beginnt es auch schon für uns interessant zu werden.
Nach zahlreichen unerträglichen Hits und schönen ruppigen B-Seiten, löste sich die Band teilweise vom Authorenteam Chinn-Chapman und die zweite LP "Sweet Fanny Adams" bestand bereits aus vielen eigenen Songs. Die C-C-Stücke wurden nicht mehr unter der Anleitung des Teams eingespielt, sondern auch so, wie es die Band für richtig hielt. Und heraus kam eine LP, die teilweise härter ist, als so manch hochgepriesene Proto-Metalband in den 70s Hardrockforen. "Set me Free" kennt man als Coverversion von Saxon (Crusader), aber das Original ist ebenso hart und flott. Es wird Doublebass gespielt und schon nach dem ersten Durchhören stellt man fest, wie unterbewertet nicht nur die ganz Band war, sondern auch Drummer Mick Tucker (RIP). Hochinteressant ist auch, daß Queen eindeutig von Sweet geklaut haben. Das gilt insbesondere für die Vocal-Harmonies und so manch bombastische Stelle. In der Biographie von Cherry Red Books kann man dann auch nachlesen, daß sich Sweet über den gemopsten Erfolg von Queen aufgeregt haben... Zu recht!!
Die folgenden zwei Platten schlagen in die gleiche Kerbe: Desolation Boulevard und Give us a Wink. Hardrock und teilweise Metal - selbst ohne den Zusatz "proto".
Alle drei LPs sind mit zahlreichen Bonustracks (wovon die B-Seiten teilweise völlig krachen!!) versehen bei BMG erschienen, allerdings derzeit nur im Ausland erhältlich. Wir Deutschen "dürfen" mit den Best-Of-CDs vorlieb nehmen, die für uns Metaller gänzlich uninteressant sind!
Das Dumme an der Sache war, daß die Metalphase von Sweet kommerziell auch den Abstieg bedeutete. Nur wenige Rocker machten sich die Mühe und schauten hinter die Hitmaschine. Und es war zu der Zeit wohl auch nicht gerade angesagt, wenn man sich zu Sweet bekannt hat. Der Ruf war duch die Bubblegum-Hits versaut.
Und so wurden Sweet Stück für Stück wieder poppig - bis zum letzten großen Hit "Love is like Oxygen". Heute handelt es sich um zwei (!) Oldiekapellen, die kaum Material aus der Heavyphase spielen. Schade, denn Andy Scott´s Sweet wären dazu fähig.
Ich habe Sweet auch erst vor rund zwei Jahren für mich entdeckt. Die Hits gefielen mir höchstens ab 2 Promille aufwärts und der Rest war mir nicht bekannt. Seit dem höre ich die drei CDs regelmäßig und fand viele musikalische Querverweise zur später aufkeimenden NWOBHM. Seit dem frage ich bei Kontakten zu NWOBHM-Musikern, wie stark der Sweet Einfluß war. Die Antwort lautet meistens: Sehr groß...aber es war einfach nicht passend, Sweet als Einfluß zu nennen (Vardis waren da etwas schmerzfreier, Raven und Saxon offensichtlich auch - Coverversionen!).
Es wäre schade, wenn die drei brettharten (für Mitte der Siebziger) Scheiben wegen all den klebrigen Hits keine Beachtung finden würden.
NWOBHM-Bezug Teil 2: Paul Mario Day (Maiden, More, Wild Fire) hat auf der Live-CD (SPV) bei Sweet gesungen!!
"If you want to be a fucker, zieh die Oma durch de Acker"