
Meine etwas provokante Threadüberschrift diente natürlich vor allem dem Erlangen von möglichst viel Aufmerksamkeit, aber bezogen auf die letzten 10 Jahre würde ich die Frage durchaus mit einem klaren "ja" beantworten!
TURBO wurden 1980 von Wojciech Hoffmann (einziges verbliebenes Ur-Mitglied) gegründet und haben noch im selben Jahr eine Single veröffentlicht, die aber eher was für Sammler ist, und noch recht unspektakulären, normalen Rock bot.
Aus dieser Zeit, bzw. bis etwa 1981/82 stammen noch zahlreiche weitere Aufnahmen, von denen es die meisten Stücke auf kein offizielles Album geschafft haben. In der "Anthology" Box von 2008 sind diese übrigens komplett auf einer "Taka Właśnie Jest Muzyka" betitelten CD vertreten. Vieles davon finde ich auch eher putzig, aber zumindest das elfminütige "Fabryka Keksów" sollte man mal gehört haben.

Mit "Dorosłe Dzieci", dem Debüt von 1982, kam aber schon das erste Highlight in ihrer Diskografie, das sich alle Fans der NWOBHM mal zu Gemüte führen sollten. Denn das Album klingt streckenweise doch ziemlich danach, vor allem nach IRON MAIDEN - ohne dass jedoch deren Stil kopiert wird. Dafür sorgt schon allein Sänger Grzegorz Kupczyk, der meist sehr viel melodischer als beispielsweise Paul Di'Anno oder selbst Bruce Dickinson agiert. Außerdem gibt es noch ein ruhiges Instrumental, das teilweise - wie auch einige andere Stücke auf dem Album - ein klein wenig an frühe SCORPIONS erinnert, allerdings ist auch hier definitiv eine ganz eigene Note zu erkennen.
Der Großteil des Albums wird dominiert von einer dezenten Melancholie, die jedoch nicht runterziehend, sondern einfach nur schön wirkt, vor allem in den vielen ruhigeren Momenten. Aber auch für die Freunde der Geschwindigkeit wird hier einiges geboten, mit Stücke wie "Zalony Ikar", "Ktoś Zamienił" und vor allem "Toczy Się Po Linie", welches für 1982 doch schon eine beträchtliche Geschwindigkeit (inklusive Double-Bass) aufweist. Aber auch diese Songs leben von tollen Melodien, Abwechslung und viel Spielfreude. "Przegadane Dni" ist gesanglich etwas aggressiver als der Rest und erinnert in einigen Momenten stark an MAIDENs "Killers". Einzig "Mówili Kiedyś" ist etwas unspektakulär und verzichtbar, wenn auch nicht wirklich schlecht. Dafür kommt mit dem Titelsong am Schluss eine absolute Hammer-Ballade, wenn man es so nennen will. Auf jeden Fall ein über 7-minütiges, kitschfreies ruhiges Stück, dass mir immer wieder Gänsehaut beschert.
Danach folgt Angaben der Band zufolge eine Phase der Orientierungslosigkeit, in welcher viele eher ruhige Songs aufgenommen wurden, die teilweise grob in Richtung The Police gehen und eher dem Pop-Rock zuzuordnen sind. Einige davon finde ich aber aufgrund der melancholischen Stimmung wirklich toll. Zu haben sind diese Aufnahmen lediglich auf einer CD der "Anthology" Box, dort wurden sie mit zusätzlichen Bonustracks unter "Kręci się nasz film" zusammengefasst.
Einige Stücke davon und von den ganz alten Aufnahmen (vor dem ersten Album) haben es ansonsten nur auf eine Tape-Veröffentlichung geschafft, die schlicht "Remix '92" heißt.

Die Band fand zurück zum Metal und nahm 1984 dann das offizielle zweite Album, "Smak Ciszy" auf, das (zumindest auf LP) erst 1985 veröffentlicht wurde und wohl die seltenste Veröffentlichung der Band (zumindest auf LP

Für mich kann die Scheibe bei weitem nicht das hohe Level des Debüts halten, auch wenn es immer noch ein wirklich gutes Album (mit einigen schwächeren Songs) ist. Es ist etwas weniger verspielt und dafür ein wenig aggressiver als der Vorgänger und neben den NWOBHM-Einflüssen scheint hier auch ein wenig amerikanischer Hard Rock und Power Metal seine Spuren hinterlassen zu haben. Die Stärken liegen für mich aber auf diesem Album (trotz eines starken, schnellen Openers) für mich gerade in den ruhigeren Momenten.

Mit "Kawaleria Szatana" von 1986 legte man härtemäßig noch eine ganze Schippe drauf, hier haben wir es bereits mit lupenreinem Power/Speed Metal zu tun, der nach wie vor deutlich von MAIDEN beeinflusst ist, jene allerdings an Aggressivität schon weit hinter sich lässt, aber dennoch auch jede Menge hymnischer Momente bietet (z.B. in "Sztuczne Oddychanie"). Mit "Wybacz Wszystkim Wrogom" kratzt man hier auch schon wieder fast an der 7-Minuten-Grenze, wobei Abwechslung und Spielfreude in den anderen Stücken genauso vorhanden sind. Nur ruhigere Klänge sucht man auf diesem Album vergebens.
Für mich wohl die Nummer 3 der besten Turbo-Alben, zumindest von den älteren.

1987 ist es dann soweit für den Meilenstein der Bandgeschichte. "Ostatni Wojownik" erblickt das Licht der Welt und macht mich auch heute noch - 15 Jahre nachdem ich das Album zum ersten Mal gehört habe - sprachlos. Wahnsinn, was hier an Aggressivität, Melodien und Einfallsreichtum geboten wird!
Wer noch ein paar Details wissen will - bei Musiksammler habe ich mal ein Review geschrieben: http://www.musik-sammler.de/album/23712

1988 kam eine neu eingespielte, englischsprachige Version des Albums raus ("The Last Warrior"), die aber längst nicht den Charme und die Atmospähre der polnischsprachigen Variante hat - außerdem wirkt Grzegorz Kupczyk hier sowohl sprachlich als auch gesanglich manchmal etwas gequält, da war seine Leistung in der Muttersprache deutlich besser (wie überhaupt bei jedem Album der Band klar der polnischen Variante - sofern vorhanden - der Vorzug zu geben ist). Aber dafür enthält die Scheibe einen Bonustrack (der wiederum aber auch in polnischer Version auf dem CD-Release der "Ostatni Wojownik" enthalten ist - deshalb würde ich hier zur CD raten).

1989/1990 erschien dann "Epidemic", bzw. "Epidemie" (die englischsprachige Version kam diesmal wohl etwas früher, enthält aber, soweit ich weiß bis auf den Gesang die gleichen Aufnahmen). Hier entfernte man sich leider ein wenig von dem völlig eigenen Stil des Vorgängers und ging etwas mehr in Richtung gemäßigtem aber technischem Bay Area Thrash. (Sehr) entfernt an MAIDEN erinnernde Melodien hört man hier vorest zum letzten Mal. Ein durchaus gutes Album, das aber klar im Schatten seines übermächtigen Vorgängers steht.
Danach verlies der langjährige Sänger die Band erst einmal.

Auf dem 1990er Album “Dead End” büßte die Band dann noch mehr von ihrer Eigenständigkeit ein und bewegte sich musikalisch schon auf ähnlichem Terrain wie SEPULTURA Ende der 80er / Anfang der 90er, teilweise aber mit deutlich schnellerem Gitarrenspiel.
Mir gefällt die Scheibe durchaus sehr gut, ich muss mich nur immer zwingen, sie nicht mit anderen Alben der Band zu vergleichen, da hier eine komplett andere Band zu spielen scheint.

1992 erschien dann - vorerst nur auf Kassette (früher wohl das Medium in Polen) “One Way”, das sogar noch kompromissloser nach vorne prügelt als “Dead End” und für mich wohl den Schwachpunkt in TURBOs Schaffen darstellt. Dennoch, wer z.B, auf DEMOLITION HAMMER, MASSACRE etc. steht, kann hier ruhig mal ein Ohr riskieren, denn die meisten Stücke machen durchaus Spaß - zwingend ist die Scheibe aber definitiv nicht.
Danach war’s erst einmal jahrelang sehr still um die Band (wahrscheinlich hatten sie sich auch für eine gewisse Zeit aufgelöst), bis dann - für mich völlig unerwartet - 2001 ein neues Album zu haben war, das auf den Namen “Awatar” hörte.

Hier versuchte die Band (wieder mit Kupczyk am Mikro), moderne Einflüsse in ihren Sound einzuweben, was teilweise durchaus ganz gut gelang und zumindest wieder sehr eigenständig klingt. Die Basis ist hier aber noch Power/Thrash Metal, der manchmal auch durch dezent hardrockige Momente aufgelockert wird, aber eben auch von vielen “groovigen”, manchmal Nu Metal-artigen Parts durchzogen ist. Kompositorisch etwas besser als der Vorgänger, aber dennoch eines der schwächsten Alben der Bandgeschichte.

Mit “Tożsamość” / “Identity” kehrten TURBO dann 2004 wieder stilistisch mehr oder weniger zu ihren Wurzeln zurück, bzw. zu ihrer Phase Mitte der 80er (jedoch viel besser als auf “Smak Ciszy”). Seitdem haben wir es also wieder mit traditionellem Heavy/Power Metal zu tun, der für mich klar über allem liegt, was ich von der jüngeren Konkurrenz kenne (also den traditionellen Heavy Metal Bands, die in diesem Jahrtausend erst angefangen haben).
Größtenteils längere, abwechslungsreiche Songs, in denen auch mal ein (songdienlicher!) Solo-Part sehr lange dauern kann , ein wenig vergleichbar mit neueren MAIDEN, jedoch Riff- und (Gitarren-)soundtechnisch eher an die ganz frühen MAIDEN erinnernd. Das letzt Fünkchen Genialität fehlt mir hier irgendwie, aber die Scheibe macht enorm Spaß, zumal hier mit viel Spielwitz agiert wird.

Sogar evtl. noch etwas besser wurde dann "Stražnik Šwiatła" (2009), das den (wieder) eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzt, jedoch auf mich irgendwie über die komplette Albumlänge noch eine Ecke mitreißender wirkt. (Diesmal übrigens wieder ausschließlich in polnischer Sprache erhältlich)
Allen, die von MAIDENs letzten Alben enttäuscht waren kann ich nur noch einmal dringend empfehlen, diesem Album eine Chance zu geben, denn es ist von der stilistischen Grundausrichtung zwar durchaus ähnlich (überwiegend lange, epische Songs), aber mit viel mehr Energie und Power als es bei MAIDEN seit mindestens 15 bis 20 Jahren der Fall ist.
Hierzu habe ich auch bei Musik-Sammler mal ein Review geschrieben: http://www.musik-sammler.de/album/325129

Ende 2013 gab es wieder ein neues Album, das auf den Namen "Piąty Žywioł" (bzw. "The Fifth Element" in der englischsprachigen Version, die erst 2014 veröffentlicht wurde) hört.
Während der ersten zwei Durchläufe war ich etwas ernüchtert, da das Album erstmal unspektakulärer als die beiden Vorgänger wirkt. Inzwischen mag ich das Album aber wirklich gern, auch wenn es meinetwegen vielleicht zwei Songs weniger auch getan hätten (z.B. das 7. und das 9. Stück) - das IRON-MAIDEN-Syndrom macht sich also auch hier langsam breit. Allerdings gibt es hier im Gegensatz zu den neueren Scheiben der eisernen Jungfrauen keine zu langen Songs, lediglich zwei bringen es auf Überlänge (der Titelsong auf knapp unter 7 und das letzte Stück auf fast genau 8 Minuten), die aber auch gerechtfertigt ist und keine endlosen Wiederholungen beinhaltet. Das Tempo ist häufiger als auf den letzten beiden Alben gedrosselt, was - neben oft eher "netten" Refrains wohl auch mit dazu beitrug, dass ich das Album erstmal nicht so spannend fand, es gibt aber auch schnellere Songs, wovon "This War Machine" mit seinem Painkiller-artig gekreisten Gesang stilistisch ziemlich hervorsticht. Ansonsten hört man hier natürlich wieder Iron Maiden an allen Ecken heraus, aber es wirkt dennoch nie wie eine stupide Kopie der Briten. Schöne Details (Spielwitz beim Schlagzeugspiel, passende Breaks etc.) sorgen dann doch dafür, dass mir das Album nicht zu langweilig wird. Für Fans der Band und Leute, die von (gut gemachtem) traditionellen Heavy Metal nicht genug kriegen können, dürfte diese Scheibe so oder so kein Fehlkauf sein, auch wenn das Niveau der beiden Vorgänger nicht gehalten wurde (besser als "Smak Cisczy", "Awatar" oder "One Way" ist das Album aber auf jeden Fall)
Unbedingt mal in "This War Machine" und "Moźe Tylko Płynie Czas" oder auch den Titelsong reinhören!
Einige Stücke könnt ihr euch hier anhören: http://www.myspace.com/turboheavymetalband
Hier die Homepage: http://www.turbo.art.pl/ (leider nur auf Polnisch)