von The-Aftermath » 28. April 2011, 12:49
„So yeah, here it is ... we`ve gone „DOOM“! ... again! SHOCK! Alert the Hipserati, call your mother, log in to your favorite message board, do what ever you feel you need to do. We`ve sold out our sell out and what have you. Pffft.“
Mit diesen Worten richtet sich Karl Simon am Ende des Booklets von „The Wretch“ traditionsgemäß an den Hörer. Auch diesmal versucht der Sänger, das neueste Album seiner Band in deren eigenes Schaffen einzuordnen und die Umstände zu erläutern, unter denen es entstanden ist. Hatte man das Gefühl, dass der Weg von „The Awakening“ bis hin zu „Hymns Of Blood And Thunder“ eine konstante Weiterentwicklung repräsentiert, so stellt „The Wretch“ zum ersten Mal in der Geschichte von THE GATES OF SLUMBER eine gewollte „Rückbesinnung“ auf die Vergangenheit dar. „See, we`ve made the „Conan Crushing Doom“ thing our niche over the last few years. And departing from that gives me a moment`s pause“. Schon vor dem Release von „The Wretch“ hat die Band durchblicken lassen, dass sie sich auf dem neuen Album vom Sword & Sorcery Element , welches die Texte, das Image und den Sound der Band seit „Suffer Guilt“ geprägt hat, trennen will. Die Gründe dafür sind persönlicher Natur und „The Wretch“ ist zumindest in textlicher Hinsicht das persönlichste Werk der Band bis jetzt geworden. Frazetta, Conan und Kull weichen Alkoholsucht, Drogenabhängigkeit, Enttäuschung und Verzweiflung. Hinzu kommt ein neuer Drummer, der sich der Band im Herbst des letzten Jahres anschloss, als „Iron“ Bob Fouts die Band verließ. „The Wretch“ ist das Bild einer Band im Wandel und wirf in erster Linie die Frage auf: Quo vadis THE GATES OF SLUMBER?
Als ich anfing das hier zu tippen, lief „The Wretch“ zum ca. fünfundzwanzigsten Mal. Ich wollte mich eigentlich noch länger eingehend mit dem Album beschäftigen bevor ich etwas dazu schreibe, aber jetzt juckt es mich dann doch zu sehr in den Fingern. Für mich persönlich ist „The Wretch“ das Heavy Metal Album, welchem ich seit „Hymns Of Blood And Thunder“ am meisten entgegen gefiebert habe, welches mir die meisten unruhigen Nächte, das meiste Kopfzerbrechen, das meiste Bangen und das meiste Hoffen bereitet hat. Kurz: THE GATES OF SLUMBER sind für mich persönlich momentan die wichtigste Heavy Metal Band des Planeten und „The Wretch“ damit das wichtigste Album der letzten zwei und wahrscheinlich auch der nächsten zwei Jahre. Ich war im Vorfeld angesichts der neu eingeschlagegen Richtung der Band nur leicht skeptisch, musste dann aber mehrere Male schlucken als ich Goatstorms Review las und sich in mir ein Gefühl breit machte, welches eine traurige Gewissheit angekündigte. Karl und Jason sind für mich Helden. Ihre Musik berührt mich wie keine andere, ihre Integrität und ihre Liebe für echten Heavy Metal inspiriert mich, die Art und Weise wie sie ihr Leben leben verlangt mir Respekt ab. Ich habe viele Stunden damit verbracht die Liner Notes und Texte ihrer Alben zu lesen, die Cover von „Suffer No Guilt“ und „Hymns ... „ zu betrachten, die Musik in mich aufzusaugen. Und ich hoffte inständig dass „The Wretch“ nichts daran ändern würde ...
Mit „Bastards Born“ versuchen THE GATES OF SLUMBER sofort die Marschrichtung des neuen Album vorzugeben. Ein schwerer Brocken, der sich in den Strophen bedrohlich aufbäumt und nur durch ein kurzes Gitarrensolo unterbrochen wird. An dieser Stelle muss ich sowohl das Review von Goatstorm als auch das von Cimmerer aufgreifen: Zunächst wird hier bereits die Klasse der Produktion deutlich. „The Wretch“ ist für mich das am besten produzierte Album der Band bis jetzt. Als „warm“, „fett“ und „natürlich“ hat Goatstorm die Produktion beschrieben und passender kann man es nicht ausdrücken. Vor allem Jasons Bass wurde noch nie so gut in Szene gesetzt wie auf „The Wretch“ und jeder Fan der Band weiß angesichts seines Talentes was das bedeutet. Soundlöcher haben hier keine Überlebenschance! Gleichzeitig hat Cimmerer in seinem Kommentar einen wichtigen Aspekt unterstrichen an den ich an dieser Stelle anknüpfen möchte: „The Wretch“ hat in seiner Gesamtheit weniger mit den ersten beiden Alben der Band zu tun als man es zunächst vermuten würde. Der mächtige und absolut massive Sound eliminiert mögliche Reminiszenzen an die Rohheit jener Alben auf der Stelle. Wie Cimmerer es so treffend beschrieb, zeichnen sich „The Awakening“ und „Suffer No Guilt“ vor allem durch ihr rohes Klangbild aus. „The Wretch“ hingegen setzt in dieser Hinsicht aber eher bei „Conqueror“ oder „Hymns ...“ an. Die doomigen Parts erinnern mich persönlich jedenfalls stärker an die ersten Hälften von „Conqueror“ und „To Kill And Be King“ oder „Descent Into Madness“ als beispielsweise and die Titelstücke der beiden ersten Alben. Denn obwohl die Band den fantastischen Texten und Bilder auf diesem Album abgeschworen hat: Die mächtigen, immer leicht epischen und aufbäumenden Riffs von „Conqueror“ und „Hymns ...“ haben sich fest im Songwriting der Band verankert und wollen so schnell nicht von der Stelle weichen Durch den Sound wird dieser Eindruck wie bereits erwähnt noch verstärkt.
So kommt es, dass „The Wretch“ auf eine etwas komische Art und Weise zwischen zwei Stühlen sitzt. THE GATES OF SLUMBER haben es in der Vergangenheit immer verstanden, sich gekonnt zwischen CIRITH UNGOL, SAINT VITUS und MANOWAR hin und her zu bewegen ohne dass dabei die Homogenität ihres Sounds verloren ging sondern sie im Gegenteil ihren ganz eigenen, persönlichen Sound erschaffen haben. Diese Sicherheit und Souveränität gerät auf „The Wretch“ leider ins Schwanken. Die Band bewegt sich einerseits auf dem mit „Conqueror“ eingeschlagenen Pfad weiter, will aber andererseits den Rückwärtsgang einlegen und verläuft sich dabei. Goatstorm spricht von einer „Orientierungslosigkeit“ im Songwriting und ich muss ihm teilweise zustimmen. Vor allem in den beiden über sieben Minuten langen Tracks „Day Of Farewell“ und „Castle Of The Devil“ manifestiert sich diese Problematik. „Day Of Farewell“ startet mit genialen und absolut ergreifenden Gesangslinien die sofort an das mächtige „The Doom Of Aceldama“ erinnern. Anstatt das Potenzial dieses Songs auszunutzen und zu einem wahren Epic-Monster auszubauen, lässt die Band den Song in einem beinahe langweiligen, sich während zwei Minuten gleich vorwärtsbewegenden monotonen Riff ausklingen. Gleiches gilt für „Castle Of The Devil“. Die ersten Minuten zählen mit zu den Höhepunkten des Albums. Der balladeske Einstieg erinnert einen sofort an den ruhigen Mittelteil von „Dark Valley Suite“, es herrscht Gänsehautstimmung. Den Mittelteil bildet dann aber eine an SABBATHs „The Warning“ erinnernde Basslinie die ein etwas zaghaftes Gitarrensolo einleitet. Das klingt alles nicht schlecht und ich persönlich jedenfalls liebe BLACK SABBATHs Version von „The Warning“ und somit sollte mir der hergestellte Bezug eigentlich zusagen, aber man hat doch dauernd das Gefühl dass man viel mehr aus dem Song hätte machen können.
Teilweise eingestreute psychedelische Parts sind dabei nicht das Problem. Diese waren auch schon auf „Suffer No Guilt“ präsent (Man denke nur an „Wyrmwood“). Auch bin ich der Meinung dass „The Wretch“ immer noch zu 100% Heavy Metal ist. Ich kann mir nicht vorstellen dass irgendwelche Hipster einen eisenharten Song wie „Iron Fire“ regelmässig auflegen würden. Wenn nach acht Minuten das Gitarrensolo ertönt, schaffen es THE GATES OF SLUMBER wieder, (fast) alle Zweifel zu pulverisieren. Hier atmen die Noten wieder den Geist alter JUDAS PRIEST, von IRON MAIDEN und BLACK SABBATH. Auch „Coven Of Cain“ lässt zumindest in den Strophen die Stimmung eines Tracks wie „Blood and Thunder“ aufkommen. Es mag paradox erscheinen, aber mir gefällt gerade das Titelstück am besten. „The Wretch“ ist ein zerschmetternder, meiner Meinung nach zutiefst ergreifender Doombatzen den ich auf einer Stufe mit den besten Songs der Band sehe. Aber gerade bei diesem Stück wird deutlich, dass durch die dunkle Oberflächle immer noch das Melodische der beiden Vorgänger durchschimmert. Und bei „The Wretch“ ist diese Vermischung von Vergangenheit und Gegenwart gelungen. Aber eben leider nicht bei allen Songs.
Und noch etwas führt dazu, dass ich mich mit dem neuen Album so schwer tue. Die Band mag auch ohne eine fantastische Komponente gute Songs schreiben können, aber „Suffer No Guilt“, „Conqueror“ und „Hymns ...“ hatten etwas, was bei „The Wretch“ erst gesucht werden muss: Magie. Wenn ich meine „Hymns ...“-LP in den Händen halte, dann habe ich immer das Gefühl ein uraltes Artefakt in den Händen zu halten. Es herrscht die gleiche Stimmung wie wenn ich mir meine CIRITH UNGOL, MANOWAR oder RAINBOW LPs anschaue. Für viele mögen die Conan Texte und die Ken Kelly Artworks nur das Erfüllen von Klischees dargestellt haben, für mich lieferten sie einen Überbau, der die Band aus der Masse ihrer Konkurrenten herausragen ließen. Dieses „Conan Crushing Doom thing“, wie Karl Simon es ausdrückt, machte die Band zu etwas Besonderem. Sound, Stimmung, Texte ... alles fand sich in diesem Element wieder. „The Wretch“ hingegen kommt zunächst mit einem Cover daher, mit dem ich mich immer noch nicht angefreundet habe. Das Motiv an sich ist nicht schlecht, aber die harten, comic-artigen Striche und Farben stellen quasi das genaue Gegenteil zu dem verwaschenen Stil von Vebjorn Strommens Werken dar, der sich wiederum am Meister Frazetta orientierte. Desweiteren, und wieder mag es für viele nur eine Nebensache darstellen, fehlen diesmal Linernotes. Das Booklet ist sehr lieblos gestaltet und schadet somit dem Gesamteindruck.
Dennoch: Man hat es hier immer noch mit der gleichen Band zu tun die „Suffer No Guilt“ und „Conqueror“ aufgenommen hat. Etliche Momente auf „The Wretch“ beweisen das unwiderruflich. Aber es handelt sich auch um eine Band auf der Suche nach sich selbst. Einer Band im Wandel. Und genau das bereitet mir Sorgen ...
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The-Aftermath am 28. April 2011, 13:05, insgesamt 1-mal geändert.
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