RUNNING WILD - Pile Of Skulls (1992)Nur ein Jahr nach „Blazon Stone“ gab es schon Nachschlag aus dem Hause RUNNING WILD. Doch Rolf hat die kurze Zeit auf seine ureigene Weise genutzt. Für Jens Becker und Mr. AC holte er kurzerhand Thomas Smuszynski und Stefan Schwarzmann an Bord und tauscht somit wieder mal 50 Prozent der Mannschaft aus. Auch beim Songwriting lässt er sich nur noch bei einem Song – dem Titelsong – reinreden. Das nicht gerade vor Ideenreichtum strotzende Cover von „Pile Of Skulls“ zeigt folgerichtig ein Haufen Schädel. (Böse Zungen behaupten übrigens, dass Rolf das „Cause Of Death“-Cover von OBITUARY ganz toll fand und einfach noch ein paar Köppe hat draufsetzen lassen...)
Egal, kommen wir zur Musik. Den mönchschorartigen (Was für ein Wort!!!) Beginn des Intros „Chamber Of Lies“ mit der anschließenden Akkustikgitarre finde ich ja noch toll. Aber ab 1:30 klingt’s schon sehr nach rosa Schottenröckchen. Was bin ich da immer froh, wenn’s endlich mit „Whirlwind“ losgeht. Früher war „Whirlwind“ sogar mein Lieblingssong auf „Pile Of Skulls“. Mittlerweile kann ich mir das stumpfsinnige Klopperdrumming kaum noch anhören. War da etwa schon Angelo Sasso am Werk? Unter dem Strich ein guter speediger RUNNING WILD-Song mit fürchterlichem Schlagzeug.
Das geht auch anders. Ganz anders. Den Beweis dafür tritt „Sinister Eyes“ an, einer der Höhepunkte des Albums. Die Band geht etwas langsamer und sehr variabel zu Werke, bleibt aber trotzdem im RUNNING WILD-Erfolgsmuster mit typischem Songaufbau und hervorragendem Refrain. Ganz wichtig: Im Gegensatz zu „Whirlwind“ LEBT hier das Schlagzeug wieder.
Mit „Black Wings Of Death“ fahren RUNNING WILD das Tempo noch weiter herunter. Der Song befindet sich in etwa am unteren Ende der RUNNING WILD-Midtempo-Skala. Ich sehe/höre in „Black Wings Of Death“ wieder mal die Blaupause für einen perfekten Strophe-Bridge-Refrain-Aufbau. Zu guter Letzt verfügt der Song über einen süchtig machenden Refrain, der sich bei mehrmaligem Konsum wohl lebenslang in der Großhirnrinde festbeißen dürfte.
Bei „Fistful Of Dynamite“ bin ich immer am Schwanken. An manchen Tagen höre ich den Titel richtig gerne, an anderen Tagen empfinde ich ihn als reine RUNNING WILD-Stangenware. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen. „Fistful Of Dynamite“ hat seine Daseinsberechtigung (vor allen der coole Part ab 2:40), geht aber im Vergleich zu den anderen Songs etwas unter.
Danach gibt’s mit „Roaring Thunder“ gleich den nächsten bekannten RUNNING WILD-Songtypen, das Modell „Stampfer“. Zu gerne würde ich „Roaring Thunder“ mal live hören. Ich kann mir gut vorstellen, dass das super funktioniert.
Auf jeder Platte muss es einen schlechtesten Song geben. Et voilà , hier haben wir ihn. „Pile Of Skulls“ ist von vorne bis hinten beschissen. Das fängt mit einfallslosen Gitarren an und geht über einen peinlichen Kindergartenlied-Refrain bis hin zu total behämmerten Doublebass-Hasenfick-Drums. Gäääähhhhnnnn.
Wer denkt, RUNNING WILD hätten ihr Pulver verschossen, sieht sich jedoch getäuscht. Mit „Lead Or Gold“ steuern Rolf und seine Mannen das Schiff wieder in sichere Gewässer. „Lead Or Gold“ wartet mit treibenden Galopper-Riffs und herrlichen Leads auf. Merke: Auch ein fröhlicher Song kann ein guter Song sein!
Der CD-only-Track „White Buffalo“ (Thema: Umweltverschmutzung, Ozonloch) ist abermals mit einer Widerhaken-Hookline bestückt. Warum man stattdessen den Rohrkrepierer „Pile Of Skulls“ mit auf die LP-Version nahm, wird wohl ein ewiges Geheimnis bleiben.
Beim soliden „Jennings' Revenge“ gibt es wieder mal Ohohohoh-Chöre zu bejubeln, bevor es dann am Ende der Scheibe nochmal ganz groß wird. Es gibt den wohl besten Longtrack der RUNNING WILD-Geschichte zu bestaunen. Auch wenn ich bei RUNNING WILD kein großer Longtrack-Liebhaber bin, ist festzuhalten, dass bei „Treasure Island“ ohne Abstriche von A bis Z alles stimmt. Dank des detailverliebten Spannungsaufbaus wird der 11-Minüter zu keiner Sekunde langatmig, geschweige denn langweilig.
Treasure Island
where the brave fell
A one-legged devil
from the pit of hell
A greedy demon on his treasury
Cursed the island, oh, eternallyFazit: „Pile Of Skulls“ würde ich etwa auf einer Ebene mit dem Vorgänger „Blazon Stone“ verorten, auch wenn ich „Blazon Stone“ als meine Wiederentdeckung des Jahres derzeit klar vorziehe.