Queensrÿche - Operation: Mindcrime
Die Geschmäcker mögen verschieden sein und der Metal mag sich auf Genres aufteilen, die gegensätzlicher kaum sein können. Doch gab es immer einzelne herausragende Werke, deren Zeitlosigkeit und Genialität von fast allen genreübergreifend anerkannt werden. Zwar ist nach einer legendären Abstimmung hier im Sacred Metal Board statt „Operation: Mindcrime“ eine dagegen eher belanglose Einspielung namens „Battle Cry“ zu der Metalscheibe aller Metalscheiben gekürt worden. Trotzdem zählt O:M sicherlich und unwidersprochen zu den 10 besten UND wichtigsten Metaleinspielungen aller Zeiten. Das galt gestern, gilt heute und wird erst recht noch morgen gelten. Man könnte an dieser Stelle seitenweise Bands aufzählen, die es ohne Queensrÿche wohl nie gegeben hätte. Bands, die sich bestimmte Prinzipien dessen zu eigen gemacht haben, was Queensrÿche insbesondere bis zu und gerade auf „Operation: Mindcrime“ kreierten. In Queensrÿche führten für etwa 14 Jahre fünf Musiker ihre Schicksale zusammen, die mit O:M im Zenit ihrer Schaffenskraft standen. Sie bedienten sich im Metal der Elemente Melodic, Power sowie Progressive und verknüpften dies zum “Q-Sound“. Die besondere geografische Lage von Seattle mag da eine Rolle gespielt haben. Denn Metal tobte dort in den Anfängen der 1980er Jahre weit weniger als in Kalifornien oder Florida. Florida war härter, Kalifornien tendenziell etwas sanfter und melodischer. Aber Seattle? Die Stadt hat eher musikalischen Avantgarde-Charakter und brachte später den Grunge hervor. Deswegen klangen Queensrÿche auf O:M zwar hundertprozentig amerikanisch, aber eben nicht nach diesem typischen US-Power, US-Melodic oder US-Progressive Metal, den sie trotzdem veredelten. Queensrÿche, das waren damals fünf Perfektionisten, die treibende, druckvolle, gitarrenlastige und moderne Songs schrieben und diese um die Stimme von Geoff Tate herumbauten, ohne die Instrumente selbst aus den Augen zu verlieren. Tate war der Übersänger der gesamten Metalheit. Er sang nicht nur, leuchtend intonierte er die höheren Tonlagen noch dort aus, wo die meisten Sänger nur noch kreischen konnten und mussten.
O:M ist die endgültige Verdichtung metallischer Schönheit, gerade weil es ein eigentlich dunkles Album ist. Es ist die meistgehörte Scheibe meiner Sammlung. Ich kenne jeden Ton, jeden Anschlag; jede einzelne Millisekunde dieser knapp einstündigen und einmaligen musikalischen Geschichtsdarbietung hat sich in mein Hirn gefressen, ist unlöschbar auf meiner Festplatte abgelegt. Von diesem Album kann man nicht satt werden. Ich bekomme schon einen höheren Puls, eine Art musikalischen Ständer, wenn bei „Revolution Calling“ die Hi-Hat angeschlagen wird. Man kann keinen einzelnen Song herausheben. Alle stehen gleichrangig und für den Rest der metallischen Welt in unerreichbarer Höhe. Doch das ist es nicht nur. Vielmehr ist dieses Konzeptalbum von so hoher unmenschlich-kompositorischer Qualität und Einmaligkeit, dass das Kunststück glückt, von Song zu Song die dramatische Spannung zu steigern. Glaubt man bei „Suite Sister Mary“, eine weitere Steigerung sei nach allem Ermessen nicht mehr möglich, geht es immer weiter, bis man schließlich bei „Eyes Of A Stranger“ vor Spannung selbst völlig verspannt und fassungslos im Hörsessel kauert und das Ende herbeisehnt. Man mag es belächeln und mich dafür beschimpfen, aber für mich kommen insbesondere in O:M das Schöpferische und damit das Göttliche im Menschen in totaler Erhabenheit zum Ausdruck. Auch deswegen ist es ein Drama, dass die Band unfähig war, mit ihrem eigenen musikalischen Erbe entsprechend erhaben umzugehen,
auch wenn Geoff Tate das mittlerweile bedauert.
Edit: Jetzt gehe ich dahin und höre "Alloy 20".