von F. Kommandöh » 1. Januar 2017, 23:05
Da ich nicht weiß ob es dieses Mal nen Jahrespoll gibt bin ich mal so schwätzerisch und kommentiere hier meine endgültige top ten, ganz ungefragt :D Vll. interessiert es ja doch irgendwen.
1. THE GOLDEN GRASS - Coming back again
Hat sich recht fix als die Nummer 1 rausgestellt und da ist es auch geblieben. Keine aktuelle Hard Rock Band (außer vll. Hot Lunch, aber auf ganz andere Weise) ist so kreativ überschäumend und so freudbringend. Die Band versteht es echt, nicht nur alte Sounds nachzuahmen sondern wirklich den Songwriting-Geist der Rockmusik um 1970 zu durchdringen, der nämlich hieß: Anything goes! (wie bei vielen unserer alten Lieblingsbands der Marke Deep Purple, Sabbath, Uriah Heep usw. die alle ihre durchaus "untypischen" Facetten hatten). Groovige Riffs, Psychedelische Ausflüge, betörende Melodien, mehrstimmiger Gesang, Boogie, Prog, ein bissl verträumter, souliger Pop und wohl dosierte instrumentelle Eskapaden, so 'ne richtg feurig kreative Rockband halt, ohne dass in all der Klangexplosion auch nur eine Sekunde lang Eingängigkeit und Spaß zu kurz kommt. So soll es sein. Außerdem live einfach atemberaubend.
2. MONDO DRAG - The occultation of light
Wundervolle Scheibe, die einen auf Opiumrauch den Regenbogen hinauf beamt bis zum Herzen der Sonne. Der Hard Rock Anteil ist eher Würze als Basis, Prog-Psych in Anlehnung an Pink Floyd, Hawkwind, vll. The Doors und diverser Krautrock regiert. Sehr dichte Atmosphäre und ich mag den authentisch blechernen Sound auf dem Gesang, der mich sofort in ein Jahrzehnt lange vor meiner Geburt trägt.
3. SADISTIC INTENT/ PENTACLE - Invocations of the death ridden Split
Yes, die Death Metal Keule des Jahres (neben Mortem, dazu später mehr). Sadistic Intent sind ja nun die veröffentlichungsfaulste Band überhaupt, da freut man sich gleich doppelt, genau wie über die grad absolvierte Tour. Haben alles richtig gemacht. Zwei Songs ganz tief aus dem blutigen Herzen der 80er. Riffs Riffs Riffs Riffs und ledrige Garstigkeit. Beste alte, noch aktive Death Metal Band (neben na ihr wisst schon). Der Pentacle Part fällt zwar deutlich ab, aber ist trotzdem solide und klassisch fies. Nur ein kleines bisschen uninspiriert, das konnten sie mal besser.
4. THE GOLDEN GRASS/ KILLER BOOGIE/ WILD EYES/ BANQUET - 4 way split
Ich liebe Splits. Und wenn es eine Doppel LP ist, die gleich VIER meiner Hard Rock Faves vereint, na da wird mir doch die Buchse eng! Die Golden Grass Songs sind vll. ein Spürchen härter als die des Albums, vll. weil ob des Formats mehr auf Kompaktheit geachtet wurde. Zwei HIts aus eigener Feder sowie ein geniales Cover von Bubble Puppys zwingender Tanznummer "Hot smoke and sassafras. Killer Boogie haben sich zum Album noch gesteigert. Noch heavier, noch gniedeliger. Geht übelst in die Beine und treibt stoisch nach vorne. Würde ich unheimlich gerne mal live sehen. Wild Eyes sind ob des etwas seltsamen Sounds nicht ganz so stark wie auf ihren Alben (besonders der Gesangseffekt stört), die Songs sind dafür viel soulig-funkiger als alles andere, was ihnen ausgezeichnet steht. Die Verneigung vor Shocking Blue passt wie die Hinterfote in den Latsch. So, und Banquet, einer der Jahresnewcomer, die mit ruppig wildem, leadgitarrenbesessenem, raubeinigem, angedrogtem Hard Rock den Scheitel abmähen.
5. VULTURES VENGEANCE - Where the time dwelt in
Das kam für mich aus dem Nichts. Klassischer Heavy Metal aktuellen Datums hat es nicht leicht bei mir. Aber wenn eine Band so leidenschaftlich und emotional ihren völlig untrendigen Epic Metal rausfeuert... uh lala! Der Sound wurde öfter bemängelt, was ich verstehe, aber dadurch erinnert es mich nur noch mehr an Cirith Ungol, Dark Quarterer oder Warlord. Großartig.
6. SIR ROBIN AND THE LONGBOWMEN - s/t
Auch Deutschland hat Feines zu bieten. Die Dresdner spielen Psychedelic Rock wie er trippiger nicht sein könnte und dazu brauchen sie keine fadenscheinigen Stoner oder Doom Versatzstücke, um mit aufgebauschter Härte Groove zu erzeugen. Garagenhafter Sound im Sinne der Animals, Yardbirds oder des ersten Nuggets Samplers, dazu 'ne Menge säuselndes Instrumentarium und Songs zwischen zupackenden Hits und entschwebender Astralreise ohne jede Spur von künstelnder Gewichtigkeit. Eine wunderbare, stimmungsvolle Hippieplatte.
7. RAGGED BARRACUDAS/ PUSHY - Split
Was hab ich auf dieses Teil gewartet und rechtzeitig vor Jahresende geht's nochmal rund. Zweimal dreckiger Rock auf Bluesbasis. Ragged Barracudas aus Deutschland klingen authentisch ungesund nach Schnaps, Zigaretten und Kneipenmelancholie, ein bisschen Geistesgestörtheit kommt ob des Gesangs auch noch dazu. Blues, Punk, Acidrock... Das Dead Moon Cover zeigt deutlich wo es langgeht. Besser als die noch etwas orientierungslose Single vor ein paar Jahren. Komplettes Album bitte! Und Pushy! Haaaach, Pushy! Da kann ich nur schwärmen. So ein geiler, bodenständiger, direkter Sound und so dermaßen ursprüngliche Riffs. ZZ Top hätten es nicht besser machen können, außer sie hätten wie Pushy den Country weg gelassen. Alternativ könnte man Pushy auch als die proletarische Antwort auf Witchcraft beschreiben. Ein komplettes Album wäre herrlich.
8. BANQUET - Jupiter Rose
Und noch ein Debüt! Unbekümmerte Debüts sind eigentlich immer die besten Alben, weil sie sich um nichts scheren, sondern sich selbst der Welt entgegen schreien. Banquet sind sicherlich nicht perfekt und auch nicht übermäßig originell, aber Dampf haben sie und Hitze und Härte und Dynamik und komplett zügelloses Gitarrenspiel. Und die Bandbreite vom harten Psych bis zum 1979er Heavy Metal sorgt für Abwechslung. Die noch besseren Songs kommen sicher auch noch. Der Titeltrack mit seinem balladesken Beginn ist schon mal grandios.
9. GOAT EXPLOSION - Siesta infernal Demo
Ein Demo muss natürlich auch in die Liste. Da gabs ein paar schöne Sachen dieses Jahr, wie z.B. auch Orae. Aber hab mich für das meistgehörte Exemplar entschieden und das sind die Doom Metal Neulinge aus Leipzig. Ganz klassischer Stil und Sound. Ich muss immer an Trouble und Count Raven denken, was so mancher sicher nicht teilt. Im DF verglich man sie mit Dawn of Winter, was mir auch nicht ganz einleuchtet. Sei's drum. Vor allem gehen die Songs mit ihrem intensiven Gesang sauschnell ins Ohr. Bitte mehr im Jahr 2017!
10. MIDNIGHT CALLINGS - Pilgrims of the black hole
An Black Metal und sonstigem garstigen Kram gab es ja sehr viel dieses Jahr, aber irgendwie hatte ich auf sehr wenig davon Lust und das Meiste ging und geht nach wie vor an mir vorbei. Gefreut hab ich mich aber über das zweite Album des Thüringer Einmannprojekts Midnight Callings, das natürlich typischerweise an jedem Szeneradar vorbei geht. Auch scheinen sich weder Konzept noch Aufmachung derzeit sonderlich trendwirksam verkaufen zu lassen (kein überquellendes Satansimage, keine kultigen Fotos, kein Symboloverkill, keine große Schnauze, kein Hipsterwaldschratgetue) und nichts an der Musik erweckt den Eindruck, als bestünde daran irgendwelches Interesse. Was bleibt? Eiskalter Black Metal, sehr introvertiert, monoton, grimmig, stürmisch. Steht - weil alles oben genannte fehlt - so ganz geheimnisvoll für sich und ich denke in ganz angenehmer Weise an Judas Iscariot, Strid, Darkthrone...
Folgende Sachen muss ich noch außerhalb der Reihe erwähnen:
CULTES DES GHOULES - Coven, or: Evil ways instead of love
Bisher nicht auf Vinyl erschienen und deshalb noch nicht gekauft. Youtube musste herhalten. Reicht daher schon rein technisch nicht für einen Listenplatz. Ansonsten schlicht der Wahnsinn. Diese Band wird mit jeder Veröffentlichung noch gefährlicher und obskurer. Schwefelfeuer, rückwärts gemurmelte Gebete, spastische Verzückung um Altäre im Wald, Kinderblut, unbedarfte Leute verfallen unheiligem Wahnsinn, archaisches Unheil... Hexenhammer Black Metal ist nur bei dieser Band glaubwürdig und frei von Albernheiten. Kann die LP (dreifach Vinyl!) kaum erwarten...
MORTEM - Deinós Nekrómantis
Siehe Sadistic Intent. Nur dass hier noch die Vinylversion auf sich warten lässt. Egal, Diese Band ist PERFEKT. Seit Ende der 80er zelebrieren sie Höllen-Deathmetal ohne jeder Verschleißerscheinung. Morbid Angel, nehmt euch ein Beispiel an dieser Band, die ihr so sehr inspiriert habt!
CHURCH OF MENTAL ENLIGHTMENT - Gravedanger
Bisher nur digital belauscht, gestern bekam ich die LP, welche die Band auf eigene Faust veröffentlicht hat. Leider entfalten die Studioaufnahmen wieder nicht ganz diese Grundhärte, welche die Songs live haben. Darunter leidet ein wenig der Mitreißeffekt. Trotzdem genießt man hier eigenbrödlerischen, unsauberen, gelegentlich düsteren (eher melancholischen?) Rock zwischen Blues, Psych, Garagenpunk und ein wenig Doom. Im Vergleich zur EP gibt es jetzt auch Orgeln und sogar ein Klavier. Oho! Jedenfalls einer meiner deutschen Faves.
Fürs neue Jahr erhoff ich mir v.a. volle Alben von Hot Lunch, Pushy, Older Sun, Schafott, Abyssous... Was Neues von den Sachsen Heretic und Vinylstoff von meinen Chile-Entdeckungen (naja, der Entdecker war ich nicht unbedingt) Deathly Scythe und Horda. Ah ja, und mehr von Stormwarning (deren diesjährige Single macht gierig auf mehr) und Vultures Vengeance.
Die Kehrseite: Ich hoffe, dass sich mehr alte Bands auflösen, weniger Reunions und weniger sinnlose Alben (wiederum v.a. von älteren Bands). Einfach weniger von allem, dafür mehr Undergroundpower.