Siebi hat geschrieben:Mir gefÀllt dieser Diskurs der unterschiedlichen Auffassungen, gerade weil er u.a. von sehr geschÀtzten Open-Mindern kommt.
Aber genau das, also Inkonsequenz und ein entstandenes GlaubwĂŒrdigkeitsdefizit, sehe ich so nicht. SĂ€he ich es so, kann jede Ausgabe des DF unter dem Gesichtspunkt dieser beiden Anklagepunkte kritisiert werden, weil dieses oder jenes stattfindet oder auĂen vor gelassen wird.
Anders gefragt. Was wurde in dem Special des "kaputten Jahrzehnts" (sinngemĂ€Ăer O-Ton Pavlos, ich sehe das komplett anders) vom DF erwartet? Schwelgen in Arkeyn Steel-Releases? Nightwish-Huldigung?
Kritik an Inhalten wird es natĂŒrlich immer geben, das liegt in der Natur der Sache. Die Frage ist aber doch, ob sich die Kritik darauf beschrĂ€nkt, ob Sabaton und Powerwolf ins Heft gehören, oder ob man die ja selbst gesetzte Leitlinie, sprich "Metal und Hardrock", verlĂ€sst.
Bei der Gelegenheit - abseits vom aktuellen Deaf Forever-Kurs - gerne auch noch einige Worte zur 90er-Jahre-Debatte an sich. Aus meiner Wahrnehmung der besagten "dunklen Jahre fĂŒr den klassischen Heavy Metal", spielen dabei die (einstigen?) Leitmedien der Metal-Szene sowie die Industrie (Labels) eine groĂe Rolle.
Die Frage nach der KompatibilitĂ€t neuer Stile mit der eigentlichen, klassischen Metal/Hardrock-Definition (Stichwort: alles von AOR ĂŒber AC/DC bis Slayer) - die bis Ende der 80er die redaktionelle Linie der BlĂ€tter bestimmt hatte - wurde in den 90ern von den marktbestimmenden Magazinen (Metal Hammer / Rock Hard) so beantwortet, dass plötzlich mehr oder minder fast alles, was irgendwie als Stromgitarrenmusik daherkam, vorbehaltlos gefeatured wurde. Dieser Kurs war damals offensichtlich vom AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnis der Metal-Presse zu den Labels bestimmt (Stichwort: Werbeeinnahmen). Daher orientierten sich die einschlĂ€gigen Publikationen frĂŒher oder spĂ€ter immer stĂ€rker am neu initiierten, trendigen Fahrwasser der Labels, die abseits vom klassischen Metal/Hardrock mit ihrer Veröffentlichungspolitik neue Trends setzten, um mit neuen "Rock"-Stilrichtungen bei einer neuen, jungen Generation von Kids Geld zu verdienen.
Ein Teufelskreis begann sich daraufhin zu drehen: 1. die Labels fokussierten sich auf die neuen Rock-Spielarten, 2. die groĂen Metal-Magazine berichteten ĂŒber die neu gesignten Bands und supporteten diese, 3. die Labels "belohnten" dies mit Anzeigenschaltungen, 4. eine neue Zielgruppe von jungen Rockfans wurden Leser/Abonennten, 5. die Konzertveranstalter sprangen auf den Zug auf und buchten die neuen "Grunge/Crossover-Bands" in die Billings der ehemals klassischen Metal/Hardrock-Festivals (Stichwort: Dynamo usw.).
Die genannten Magazine haben davon kommerziell profitiert, haben damit aber auch einen groĂen Anteil an dem Umstand, dass der Begriff "Metal" nicht mehr eindeutig definiert war. Dass man Altleser, die "ihren" Metal nicht mehr in den Heften wiedererkannten, damit verprellte wurde achselzuckend in Kauf genommen, konnte das damals doch durch die jungen New-Rock-Neuleser noch gut kompensiert werden. Erst als vor einigen Jahren mit der einsetzenden Marktdominanz der "Generation Internet", die sowohl fĂŒr physische TontrĂ€ger als auch fĂŒr Printerzeugnisse kaum mehr affin ist, das einstige Big-Business immer weniger funktionierte, Ă€nderte sich das wieder etwas. Ob dieses vermeintliche Umdenken nicht etwa auch dem Gesetz des Marktes geschuldet war bzw. ist, darĂŒber sollte man sich vielleicht auch mal so seine Gedanken machen.
Durch diesen Teufelskreis entstand in den 90er-Jahren schlieĂlich ein gewaltiges Problem fĂŒr die Heavy-Metal-Musik, das bis heute in der Debatte nachwirkt und sie vielfach bestimmt: nĂ€mlich die völlige Begriffsverwirrung (Stichwort: Was ist Metal?). Denn wer damals nicht im Underground schĂŒrfte, wurde im Overground faktisch orientierungslos.
Und damit befinden wir uns im Hier und Heute der Diskussion, eben nicht zuletzt weil die unheilige Allianz aus den MeinungsfĂŒhrern der Metal-Presse und der Industrie den ursprĂŒnglichen Metal-Begriff damals zur beliebigen Verwendung freigegeben hat. Offiziell wurde zwar unter Alternative/Indie/Industrial/Newrock/NuMetal usw. vermarktet, es schlich sich aber trotzdem die Begriffsverwirrung, von den Redaktionen unwidersprochen, in die Köpfe. Viele glaubten felsenfest, sie hörten Metal, was sie defacto gar nicht taten, aber sie lasen darĂŒber doch in der Metal-Presse, oder? Na dann! Und da sich diese UnschĂ€rfe in der begrifflichen Orientierung fĂŒr die Magazine und Labels zunĂ€chst eben auch in Auflagen- und Umsatzsteigerungen auszahlte, sah man darin nicht ein Problem, sondern vielmehr einen Garanten des Erfolgs.
Aus meiner Sicht wĂ€re damals seitens der Magazine schon Abgrenzung statt Ăffnung notwendig gewesen, hĂ€tte man sich dem ursprĂŒnglichen Metal-Spirit und den klassischen Metal-Fans tatsĂ€chlich noch verpflichtet gefĂŒhlt. Dies ist natĂŒrlich illusorisch, da dies auf Kosten des eigentlichen GeschĂ€ftsmodells gegangen wĂ€re. Der schnöde Mammon bestimmte das Handeln, denn ein am Kiosk platziertes Metal-Magazin war ein GeschĂ€ftsbetrieb. Es war ja schlieĂlich Geld zu verdienen, und als einmal damit Geld verdient wurde, musste "der Laden" natĂŒrlich weiterhin am Leben gehalten werden. Das ist bei jedem Unternehmen so. Soweit so gut: Letztlich ist dies nicht verwerflich, wenn man es denn auch so eindeutig propagiert hĂ€tte (Stichwort: wir wollen Geld verdienen, mit wem ist uns egal). Aus dieser Sicht war sogar der Schritt, den Metal aus dem Titel des Metal Hammers zu streichen, folgerichtig. Der Spagat - einerseits kommerzielle Interessen, andererseits BasisnĂ€he und Treue zu den Roots - funktionierte halt nur nicht, und hat leider bis heute die Begriffsdefiniton, was denn eigentlich Metal ist, letztlich völlig verwĂ€ssert. Und ich habe den Eindruck, genau das ist es letztlich, was uns traditionelle Metaller so auf die Palme bringt, wenn uns mal wieder jemand erklĂ€ren will, das er/sie doch auch Metal hört, und das das neue "Feuerschwanz"-Album doch so geil wĂ€re.