https://camelofdoom.bandcamp.com/album/psychodramas-breaking-the-knots-of-twisted-synapseCamel Of Doom - Psychodramas: Breaking the knots of twisted synapse
(2011, England, Manchester)
Jaja, wieder schrullig-extravagante Musik, und einen blöden Namen hat's auch noch. Alles richtig, aber damit sind für mich alle Kritikpunkte schon durch.
Camel of Doom, um die Namensfrage vorweg zu nehmen, wurden 2000 vom damals zarte 12 Jahre alten Chris Clayton und Freunden in England gegründet um psychedelischen Stoner/Doom zu spielen. In wechselnder Besetzung wurden so bis 2004 ein Album und zwei EPs eingespielt und haufenweise Liveauftritte absolviert, die oft auch in langen Jams endeten. 2004 stieß ich dann per Zufall auf die Band und ihren Song 'Earth Hammer' der selbstbetitelten EP und wurde sofort weggeblasen: hypnotisch windet sich der Song seinen Weg, passiert cyclisch ein wiederkehrendes Motiv, mäandert durch ruhige, von cleanen Gitarren und prächtigen dominanten Bassleads bewohnte Gefilde, in deren Brandung sich farbenfrohe Ambient-Soundflächen paaren bis man nach 10 Minuten plötzlich von einer Klippe in dicke Gitarrenwasserfälle fällt und unerwartet während dem Sturz Gesang aus dem Weltall zugeechot bekommt. Das früh und unerwartet einsetzende, frivol alle Erwartungen sprengende Saxophon, das ein reichhaltiges Menu von loungig-jazzigen Hors d'œuvre und Melodiefadenspaghettie mit spacetrippender Reverbtomatensauce serviert, schlägt dabei wacker den Spagat aus leithammelndem Verbindungsoffizier und endgültigem, finalen Hirnschmelzer. Ein Traum!
Zeitsprung in das Jahr 2010. Noch immer fabuliere ich in fiebrigen Träumen von dieser ominösen Band und ihrem Song, als ich überraschend erst die Neubearbeitungen einiger Altlasten namens "Diviners Sage" finde, als auch die Ankündigung eines neuen Albums, das Chris alleine aufnehmen will, aber aus personellem Engpass weitgehend entsaxifiziert sein soll. Skepsis macht sich breit. Ein halbes Jahr später flattert plötzlich ein erster Song nebst Intro in meinen Facebook-Feed, welches sofort mit schweisbefeuchteten Ohren belauscht wird. Leider ohne Sabberlatz, wie sich schnell zeigt.
'To purify the air' stellt einen prima Schleudersitz in den nächsten ambient-verhangenen, flächigen Galaxienebel dar, bevor dort 'The Anger of Anguish' urplötzlich das Hirn von lechts auf rinks zu drehverhen droht. Wuchtige, massive, kosmische Lavastromgitarren ergießen sich über den Hörer, sonnenwindbetriebene Keyboards fließen, zerschmelzen, zerlaufen regelrecht, nur um etwas später in ein malmendes, zermürbendes Riff mit darüberliegendem heißerem, voluminösem Gesang zu münden. Zöge man die Briten ESOTERIC als Punkt der Soundtriangulation zu Rate, wäre dies naheliegend, half Mr. Clayton doch einst Live an den Gitarren; auch YOB wäre eine Landmarke. Doch exakt wenn man es sich in der aufgestellten Groovefalle gemütlich gemacht hat, klärt die Stimmung urplötzlich auf, über cleanen Gitarren zerbricht behutsam wie ein Sonnenstrahl in einem Eiskomet eine dahingetupfte Saxophonmelodie und gräbt sich tief in die Seele. Insbesondere die Mitte des Songs reminisziert heftig mit dem Erdenhammer von 2004 und hält genug psilocybinhaltige Keyboards für 2 besiedelte Planeten bereit.
Und auch der weitere Verlauf des Albums fühlt sich konstant an, als würde man versuchen, die Bewegung des Weltalls zu verlangsamen und suhlt sich dabei gern mal im gleichen Sumpf aus dem einst NEUROSIS ihre Sample-geschwängerten Großtaten zauberten. Monumental-Epen wie das über 21minütige 'The Machines Of Annihilation' oder 'Self-Hypnosis II' verknüpfen dabei ranzige Andockpunkte aus Doom, Sludge, 90er Death Metal unglaublich geschickt mit entrückten Spacerock-Traumtanztrips. Sowohl der Gesang als auch die eingestreuten kurzen Zwischenstücke lassen so immer wieder das Gefühl einer meditativen Reise durch Raum, Zeit und sein inneres Selbst aufkommen.
Unterstützung erhält dieser Eindruck vom das Album überspannenden textlichen Konzept, in welchem der Bandkopf erzählt, wie er mit Hilfe diverser Meditationspraktiken und okkulten Riten seinem selbstzerstörerischen, drogenverhangenen Selbst zu entkommen sucht, um die Kontrolle über sich selbst zurück zu erlangen. Überraschender Zentralpunkt der Reise stellt dabei für mich das wütende, gerade mal 2,5 Minuten umfassende, GODFLESH-artige 'Self-Hypnosis I' dar, das mit fiesen Doublebass-Attacken unerwartet den Hörer hinterrücks überfällt. Die Verzweiflung und Wut über derzeitigen Zustand, gewünschte Lösung und dem Weg dorthin werden hier greifbar:
Freedom through
Self Hypnosis
Freedom of Emotion
Break the knots
Of Twisted Synapse
Toward the common the goal
Self Hypnosis
Empowered by fiction
Lie to yourself
And Live Your Own Will!
Liest man das, man könnte das Album als esoterischen Selbstfindungs-Drogentrip abtun. Doch, das ist schlicht Quatsch, das spannende, seine Einflüsse geschickt weiterspinnende Songwriting geht weit über die textlichen Ergüsse hinaus und bietet genug für Liebhaber der angesprochenen Bands. Wer sich mit dem Album befasst und bereit ist, sich auf die Reise mitnehmen zu lassen, bekommt noch ein paar Erdnüsschen für die Reise obendrauf.
Geschrieben 11.03.2018 auf einer turbulenten Fahrt von Hamburg nach Hause.
Note: 9,63
- The sound was so big I swear it created a new fjord behind us. -