Swordbrothers Festival
I - Andernach
Der Underground lebt! Welch
abgedroschene Floskel. Aber genau das kommt einem in den Sinn, wenn man das
erste mal die kleine Halle im beschaulichen Andernach betritt. Wie bei den
ähnlich ausgerichteten und bereits (erstaunlich schnell) etablierten
Festivals K.I.T. und H.O.A. hat man das Gefühl eine Zeitmaschine betreten zu
haben, die einen direkt in das Jahr 198x zurückkatapultiert. In eine Zeit, in
der die Metal-Bands noch jung und hungrig waren, die Fans statt knallbunter
Batik-Shirts versiffte Kutten und Lederjacken trugen und der Schreiberling
dieser Zeilen noch brav in die Grundschule ging und nicht auf Metal-Konzerte.
Umso wichtiger sind meiner Meinung nach Festivals wie das Swordbrothers, bei
dem auch die junge und noch jüngere Generation von Metallern abseits von Nuclear
Blast Super-Tourneen und Wacken Roadshows mitbekommt, was die zwei Worte
Heavy und Metal im ursprünglichen Sinn bedeuten. Aber genug der blumigen
Worte. Denn kaum hatte man sich durch die verschiedenen Metal-Stände gewühlt,
die ein oder andere CD gekauft und natürlich zwei bis fünf Bierchen zur
Einstimmung gebechert ging es auch schon los.
Chimaera machten den Opener, und sie erledigten ihre
Aufgabe mit Bravour. Das eingängige traditionelle Songmaterial zieht zu so
früher Stunde schon so manchen Headbanger vor die Bühne. Kein Wunder,
angesichts solcher Hymnen wie „Knights Of The Dragon“ oder dem fantastischen
„The Darkwolf“ fragt man sich, warum die Jungs noch keinen vernünftigen Deal
in der Tasche haben. Es gibt definitiv schlechtere Combos, die da draußen
mit einem Plattenvertrag in der Tasche rumgeistern. Zwei Kritikpunkte bleiben
aber trotzdem. Erstens ist es meiner Meinung nach unnötig das Keyboard
teilweise so penetrant in den Vordergrund zu stellen und zweitens: Lieber
Pan, du bist wirklich ein fantastischer Sänger und ein super Frontman, aber
Rüschenhemnd und Glitter solltest du lieber anderen Bands überlassen oder ein
Glam-Sideprojekt gründen (da passt das dann auch).
Weiter
geht es mit Custard,
von denen ich zugegebenermaßen nur eine Hand voll älterer Songs kenne, die
irgendwo zwischen rauem Power Metal und Thrash pendelten. Umso überraschter
war ich über die musikalische Ausrichtung der Band, die mich das ein oder
andere mal an meine ehemaligen Faves Helloween zu ihren besten Zeiten
erinnerte. Wirklich nicht schlecht das Ganze, nur war ich wie gesagt mit dem
Songmaterial nicht besonders vertraut.
Bei
der nächsten Band muss ich leider passen. Mystery Blue hab’ ich mir nicht wirklich intensiv angeschaut.
Was ich gesehen/gehört habe, war allerdings nicht schlecht. Traditioneller
Metal made in France mit stimmgewaltiger Frontfrau. Alles im grünen Bereich
und „Metal Daze“ von Manowar haben sie auch gut hinbekommen. Daumen nach oben
für eine mir bisher unbekannte Band.
Mit Emerald
folgte dann der erste
richtige Höhepunkt des frühen Abends. Das erste mal sah man Stagediver in die
Menge springen und zum ersten mal grölte die versammelte Meute aus voller
Kehle mit – am lautesten, wie soll es auch anders sein, bei der Jahrhunderthymne
Medieval Steel. Einzig der Sound war stellenweise nicht perfekt und auch das
Stageacting der Band ist nicht gerade mitreissend. Aber was soll’s, dafür
überzeugt der hymnische, an diverse US-Metal-Götter angelehnte Metal der
Schweizer in musikalischer Hinsicht umso mehr. Mit Hymnen wie „Tears Of A
Warrior“ oder „Emerald Knights“ brauchen sie sich vor ihren Kollegen aus Übersee
zu keiner Sekunde verstecken und gehören für mich zu den absoluten
Hoffnungsträgern.
Genau
wie die nächste Kapelle. Crusader sind meiner Meinung nach eine der
unterbewertetsten Bands der gesamten Szene. Was die Kreuzfahrer auf den
letzten Alben abgeliefert haben ist wirklich Weltklasse. Und soweit es meine,
inzwischen leicht alkoholgetrübte, Sicht auf die Bühne zuließ, ließen die
Belgier auch live nichts anbrennen und lieferten einen mitreißenden Gig. Bei
dem, wie gesagt, durchgängig superben Songmaterial auch kein Wunder. Steve
Harris sollte sich vor dem nächsten Iron Maiden (an die Crusader an manchen
Stellen erinnern) - Album mal ein Ohr riskieren, damit ihm vielleicht mal
wieder einfällt wie im 3. Jahrtausend mitreißender Heavy Metal klingen muss.
Ach ja, coole Kostüme übrigens auch.
Ab
jetzt wird es wirklich verschwommen. Von Wotan blieb mir primär das kultige Bühnenoutfit und die
tolle Gesangsleistung von Frontman Vanni in Erinnerung. Wirkte alles sehr professionell
und vor allem verdammt true ;). Und richtige Hits haben sie mit Songs wie „Lord
Of The Winds“ oder dem erhabenen „Under The Sign Of Odin’s Ravens“ auch am
Start. Kein Wunder, tummeln sich Wotan doch schon einige Jahre im
metallischen Untergrund und haben mit „Carmina Barbarica“ eine der besten
Epic-Metal-Scheiben der letzten Jahre veröffentlicht. Theoretisch müsste den
Italienern spätestens mit dem nächsten Album der Sprung aus dem Keller an die
Spitze gelingen.
Le Steel est mort, vive le
Steele. Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass sich Ritual
Steel unter nicht ganz freundlichen Umständen aufgesplittet haben, und die
Band minus Drummer Martin Zellmer jetzt unter dem Namen Titan Steele weitermacht. Umso wichtiger ist dieser Auftritt,
um der versammelten Metal-Meute zu zeigen, wer der rechtmäßige Verwalter des
Ritual Steel-Erbes ist. Und die Jungs überzeugten auf ganzer Linie.
Erstaunlich vor allem welche Wandlung Sänger Sascha Maurer auf der Bühne
vollzieht. Sobald er ein Mirko in der Hand hält wandelt er sich, gemäß dem
Opener der letzten Platte, zum absoluten Metal Beast, screamt, growlt (den
Schreiber entzückten v.a. die eingestreuten Celtic Frost-Ughs), post und
zappelt sich durch das, mit Hits gespickte, Set.
Wäre der Begriff nicht so
dermaßen überstrapaziert...ach sch**** drauf: Vortex sind absoluter KUUULT!!!! Das beginnt bei dem
einzigartigen Bühnenoutfit, geht über die, hauptsächlich aus einer Alu-Leiter
und einer Gummifledermaus (oder war das nur das Backdrop?) bestehenden Deko
(all hail Ed Wood) und endet bei dem kauzigen und absolut eigenständigen
Metal aus Holzschuhland. Irgendwann während des Gigs bekam man so lustige
Sternchensprüher in die Hand gedrückt, was mich ebenso verwirrte wie den
plötzlich verschwundenen, weil singend durch das Publikum stapfenden Frontkasper
Jurjen Tichelaar oder die ständig ins Leere springenden Stagediver (dass das
schmerzhaft war sein musste erkannte man sogar noch nach dem 15. Bier). Ein wirklich
gelungener Abschluss für ein gelungenes Festival.Vortex müssen jetzt nur
aufpassen, dass sie durch Dauertouring ihren Kultstatus nicht verspielen.
Fazit: Ich habe wirklich selten
so viele erstklassige Bands versammelt gesehen. Normalerweise hat jedes
Festival seine Ausfälle, in Andernach zeigte sich aber wirklich jede Combo
von ihrer besten Seite. Ich würde ja auch Kritik anbringen, aber viel
Negatives gibt es nicht zu berichten. Bleibt nur zu hoffen, dass sich das
Swordbrothers in den kommenden Jahren als feste Anlaufstelle für europäischen
Undergroundmetal etabliert. Und so trat der Rezensent zusammen mit weiteren
300, wohl nicht weniger glücklichen, Besuchern seinen Heimweg an und wachte
am nächsten morgen mit einem grauenhaft schlimmen Kater in einer grauenhaft
kalten (und etwas überteuerten) Pension auf. Und das kleine Fiepen im Ohr
flüsterte mal wieder: „Oh ja! Gestern war ein guter Abend!“
(c) 2005, Peter Kraus
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