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Brandenburg: Keeper of Time (Eigenpressung 1994)

Zufälle können schönes bewirken. So geschehen beim Internetstöbern nach preiswerter Kollektionsergänzung: von der 1994-er Eigenpressung Keeper of time des amerikanischen Powertrios Brandenburg hatte ich noch nie gehört, geschweige denn darüber irgendwo ein Review gelesen. Mein Interesse wurde sofort geweckt als ich das Covergemälde von einem gewissen Paul Miller sah: der alte Uhrmacher Jonas Brandenburg steht – Hammer in der Hand - in seinem Laden nachdenklich neben einer seltsamen Maschine. Die originelle Vorstellung hat eine gewisse Magie und will so gar nicht modern wirken. Die ersten Töne vom Intro Prelude und dem nachfolgenden The watchman halten diese Versprechung der ‘Unmoderne’: sofort kommen einem obskure Heavy Rockbands aus den Siebzigern und späten Achtzigern in den Sinn. Hört sich der feine Rocker The watchman an wie ein Song der auch auf dem Saracen-Debüt oder auf der leider einzigen Dark Starr-Veröffentlichung hätte stehen können; die nachfolgenden The strolling song und Voice from the ages klingen wiederum nach der NWoBHM-Band Limelight oder der Siebzigerlegende Dust. Inventive Riffs und Breaks, klare Melodien, sehr spannendes Drumming und originelle Harmony Vocals die – wohl zeitbedingt - öfters ein wenig schräg klingen. Der Gesang wird jeweils von Donald Boccadoro (Gitarre/Keys), Chris Moser (Percussion) und Mike Stem (Bass/Keys) übernommen und hat je nach Vokalisten einen kleineren oder grösseren Kauzigkeitsfaktor. Gut so. Auffallend in Songs wie dem gigantischen Turn on the spotlight oder dem mit einem Weltklasse-Solo augestatteten Captain’s song (total NWoBHM-lastig) sind nicht nur die äusserst genialen Rhythmusgitarren und pfiffigen Soli: der Einfluss der frühesten Rush-Schaffungsphase ist (in der Schlussnummer Tribute sogar auch gesanglich) nicht zu verkennen. Ein weiterer Höhepunkt dieser Scheibe ist das kompakte Instrumental Russel’s dance, wo das fetzige Gitarrensolo in der Mitte alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Als stilistischer Anhaltspunkt könnte man auch den Namen des ehemaligen Massacre-Signings Mas Optica mal auf den Tisch werfen. Seltsamerweise erinnert das Keyboard-Intro in Out of mind an die erste Gesangslinie von Kraftwerks The model (‘She’s a model and she’s looking good’) – und mit Elektro oder sonstwelchen Freveltaten haben diese drei Herren aus Pennsylvania nun wirklich nichts zu tun. Ganz klar hört man das hervorragende Zusammenspiel und Livefeeling der Low Budget-Aufnahmen heraus: sympathisch imperfekt das alles, und so erfreulich jenseits von den oft so kontrolliert-sterilen Labelproduktionen. Wie auch immer: das hier ist ein ebenso obskures wie ansprechendes Heavy Rock-Gebräu mit viel progressivem Flair. Wo die begabten Musiker wohl geblieben sind?

Für Metalheads die sich für die tägliche musikalische Nahrung ausschliesslich an den Sound des Power oder US Metal orientieren sind Brandenburg definitiv kein Thema. Freunde der zeitlosen und abenteuerlichen Rockmusik fernab jeglicher Klischees sollten jedoch ein Auge für Keeper of time auf halten.

(c)2005, Oliver Kerkdijk