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Deep Purple : In Concert With The London Symphony Orchestra

Irgendwann werden Deep Purple bestimmt mal im Guinness-Buch der Rekorde landen - ich kenne jedenfalls keine zweite Band, die derart viele Mitschnitte ihrer Live-Shows offiziell auf Tonträger herausbringt. Allein in den Neunzigern komme ich ohne großes Nachdenken mindestens auf drei, und da vergesse ich sicher noch einige Releases längst verschollen geglaubter Siebziger-Shows auf mehr oder weniger obskuren Labels. Das ist auf Dauer natürlich nur für den Sammler interessant, denn seien wir ehrlich: wer braucht schon den 47. Mitschnitt von "Speed King" oder "Smoke on the Water"?

Um so schöner, daß der erste Purple-Release im neuen Jahrhundert sich deutlich von all den Standard-Livealben der letzten Zeit unterscheidet. In Zeiten des allgemeinen Klassik/Metal-Crossovers melden sich die Pioniere des Genres mit einer Neuaufführung ihres '69er "Concerto for Group and Orchestra" zurück, die sie letzten September in der Royal Albert Hall zu London mit dem dortigen Orchester auf die Bühne brachten.

Ignorieren wir also erst mal CD 1 dieses Doppel-CD-Packages und stürzen uns direkt auf den Star des Abends, sprich, Jon Lords geniales Werk, das auch dreißig Jahre später in dieser Form wohl unübertroffen geblieben ist und mit den meisten der heute poulären Vertreter dieser Stilrichtung nicht viel gemeinsam hat. Im Gegensatz zu Rage, Metallica & Co. werden keine Eigenkompositionen älterer Bauart umarrangiert, stattdessen nutzt Lord den kompletten Spielraum des klassischen Komponisten ohne Rücksicht auf gängige Rock-Strukturen (das gesamte Teil geht in drei "Movements" über die 50-Minuten-Grenze hinaus). Leute, die die jüngste Metallica-Mogelpackung für innovativ und anspruchsvoll halten, können diesen Release also locker übergehen, für Freunde von Werken wie Yngwie Malmsteens "Millennium"-Suite (originellste Betitelung des, öhm, Jahrtausends), Uli Jon Roths fantastischem "Sky Of Avalon"-Projekt (Hau endlich die zweite CD raus, Uli!) oder dem Uriah Heep-Song "Salisbury" (vom gleichnamigen Album) würde ich aber von einem Pflichtkauf sprechen. Zumal der exzellente, erstaunlich harte Sound es zu einem wahren Vergnügen macht, sich zum x-ten Male die gefühlvollen Soli von Gitarren-As Steve Morse reinzupfeifen, ganz zu schweigen von Komponist Lords unverwechselbaren Hammond-Sounds (oft kopiert, nie erreicht).

Es folgen darauf diverse Purple-Klassiker, von denen der "Machine Head"-Song "Pictures of Home", "Sometimes I Feel Like Screaming" vom Morse-Einstand "Purpendicular" sowie das unvermeidliche "Smoke on the Water" (im Duett gesungen von Ian Gillan und Ronnie James Dio!) in der orchestralen Version am meisten gewinnen - im Gegenzug hätte ich locker auf "Watching The Sky" vom letzten, eher durchschnittlichen Studio-Werk "Abandon" verzichten können. Zumal mir einige Songs einfallen würden, die sich für eine Orchester-Bearbeitung wesentlich offensichtlicher angeboten hätten - z.B. "Perfect Strangers" oder "Fools". Oder wie wär's mit einem Gastauftritt von Ex-Purple-Mitgliedern wie David Coverdale, Glenn Hughes oder Joe Lynn Turner und Songs aus deren, weit weniger standardmäßigen Phasen der Band? (Es dürfte wohl klar sein, warum ich Ritchie Blackmore hier nicht erwähne...) Was soll's.

Abschließend noch ein paar Worte zur ersten CD - abgesehen davon, daß man diese auf keinen Fall zum Antesten in den Player schieben sollte, wenn man keinen falschen Eindruck gewinnen will. Zum Besten gegeben werden hier nämlich Songs aus den Solo-Platten der einzelnen Bandmitglieder, die oft nur sehr wenig mit Rock zu tun haben. Und obwohl mir einige davon gut bis hervorragend gefallen - allen voran Jon Lords piano-orientierte Stücke und die schöne Roger Glover-Ballade "Sitting In A Dream" (ebenfalls von Dio veredelt) - so wird die Dynamik der Purple-Songs kaum erreicht. Mein Interesse gilt jedenfalls primär der zweiten CD - die erste ist 'ne nette Zugabe für absolute Kenner und Purple-Komplettisten, mehr aber auch nicht. Da das Package zum Preis einer Einzel-CD kommt, sollte das allerdings niemand vom Kauf abhalten.

(c)2000, Ernst Zeisberger