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Ion Vein: Reigning Memories

Ende der Neunziger war eine gute Zeit für den Progressive Metal - zumindest im Underground sorgten die Debüts von Zero Hour, Power of Omens, Twilight Kingdom oder eben Ion Vein für offene Münder und beim Rezensenten für unkontrollierte Jubelarien. Zu Recht, denn keines der damals abgefeierten Alben hat an Reiz eingebüsst. Während Zero Hour und Power of Omens auch mit Ihren Zweitwerken großartige Meilensteine erschufen, lösten sich Twilight Kingdom leider auf. Das gleiche Schicksal vermutete ich bei Ion Vein, war doch "Beyond Tomorrow" trotz schröcklichem Cover eine richtig klasse Scheibe. Doch vier lange Jahre, in dem eine Newcomerband, und da mache ich mir nichts vor, wieder ganz von vorne anfangen muss, nach dem Debüt liegt mit "Reigning Memories" ein nicht nur ebenbürtiger, sondern überstrahlender Nachfolger vor. Schon ein Blick aufs Artwork (Matthias Norén, und nicht Travis Smith (an deren Arbeiten er erinnert), heißt der Künstler) verrät mir, das ein gigantischer Schritt nach vorne möglich ist - und in der Tat. Die Musik kann über die gesamte Laufzeit der Scheibe begeistern und zeigt wieder mal zwei Dinge. Erstens beweist es, dass es auch in Eigenregie immer wieder möglich ist, Platten herauszubringen, die das Gros der Konkurrenz (ich nenne da nur mal zwei Buchstaben: QR) ganz alt aussehen lässt und zweitens zeigt es die Blindheit und Borniertheit der Plattenfirmen, die sich ein solches Juwel wieder mal durch die Lappen gehen lassen.
"Another Life", so der Titel des Openers, ist der Auftakt für eine zwölfteilige (plus Intro) Reise in die höchsten Höhen der Musikalität - grandios produziert von Neil Kernon im übrigen. Sänger Russ Klimaczak zählt zu den besten Sängern des US-Undergrounds, die Riffs braten erfreulich heavy und es gibt neben allerlei eingängigen Melodien (und, ja, Refrains!) jede Menge vertrackter Instrumentalparts inklusive Breaks, die jedoch fernab jeglicher Dream Theater-Sphären immer nachvollziehbar bleiben. Highlights in einem Album aus nur Höhepunkten gibt es mit dem wundervollen, akustisch eingeleiteten "The Power of You" (erinnert an Fates Warning zu "Parallels"-Zeiten), der Ohrwurmhymne (!) "Faith & Majesty", dem harten und grandios gesungenen "Edge of Forever", der perfekt arrangierte Trilogie "Adrian's Ladder" oder dem atemberaubenden, verschachtelten Ohne-Worte-Kracher "The Future is Now" gleich massenweise - eine Qualität jedenfalls, die QR mit ihren letzten drei Alben zusammen nicht mehr erreichten. Ne Ballade (mit, oh Schreck, nem Saxophon!) schrieben Ion Vein mit "Twilight Garden" ebenfalls, bei dem Klimczak sogar Geoff Tate in die Tasche steckt. Hörts euch an!
"Can you see me?" fragt Klimsczak in dem Song. Nee, mein Junge - aber hören kann ich Euch. Und zwar immer und immer wieder!!
Kontakt: www.ionvein.com

(c)2003, Michael Kohsiek