Dragon Lord: The Dragon Is Coming
Vamos a matar, compañeros! Nach der Veröffentlichung des ultra-genialen
Tierra Santa-Debüts "Medieval" hauen die Jungs vom
spanischen Sonido
XXI-Label jetzt die nächste pure Metal-Scheibe raus. "The dragon is coming"
heisst das Teil und geht aufs Konto der Iberianer Dragon Lord.
Die sechs Jünger (drei langhaarig, drei kurzhaarig; sehr demokratisch)
fabrizieren abwechslungsreichen, oft schnellen Power Metal à la alten
Helloween mit den bewährten Trademarks: es regieren
Doppelleads und
kompakte Arrangements (auf überflüssige Breaks und Intermezzi wurde
vollends verzichtet) und ein doch schwer an Michael Weikath angelehntes
Gitarrenspiel im Rhythmus- und Solo-Bereich.
Der vierte Song "Power of the chain" ist sehr Steel
Prophet-lastig, nicht
nur der Gitarren/Aufbau wegen, sondern auch durch den Gesang von Samuel
Martiartu; der Spanier könnte hier stimmlich für den kleiner Bruder von
Rick Mythiasin durchgehen.
Ziemlich anti-zeitgemäss auch das Bass- und Drumsolo ("Requiem" und
"Battle
of drums"); very Metal, no doubt about it. Was diese CD dann in gewisser
Weise zum Kult macht sind die Texte: die so gut wie nicht vorhandenen
Englisch-Kentnisse des jeweiligen Texters haben dafür gesorgt dass es
unmöglich ist die lyrischen Ergüsse zu lesen, geschweige denn sie zu
deuten. Vielleicht sollten die Drachenknaben aus Barañain das nächste Mal
jemanden zum Korrekturlesen einladen, damit ihre Texte wenigstens im
Grammatik-/Syntax-Bereich das Niveau der Musik erreichen und auch anderen
Planetbewohnern zugänglich sind. Oder, Leute, singt einfach in Spanisch;
das gefällt mir auch so gut an der Tierra Santa-Platte.
Ansonsten knallt die CD (mit fiesem Drachen auf dem Cover - nein; das
könnte niemals etwas anderes als Metal sein) so herrlich unverbraucht aus
der Anlage. Dabei sind es vor allem der Kracher "Dive", das genannte "Power
of the chain" (where the riff is king!) und der Highspeedster "Exkalibur"
(ja; buchstabiert mit "k") die herausstechen. Meiner Meinung nach könnte
das eine oder andere Stück einen Tick weniger hysterisch ausfallen und der
Sänger muss ja nicht immer so viele Wörter in einem Satz packen. Die
Ballade "No time to cry" schmeckt (wie die meisten Stratovarius-Sülzen
auch) nach Sachertorte aus der Supermarkttiefkühltruhe; ist besser, man
lässt sie in Frieden ruhen.
Rätselhaft ist mal wieder, warum zur Zeit jeder HammerFall-Abklatsch
für
irgendeinen deutschen Independent seine Platte aufnehmen darf und Bands wie
Tierra Santa, Zero Hour, Power Of Omens oder Dragon Lord sich entweder die
Sache selbst finanzieren müssen oder bei einer Firma Obskura
unterschreiben. Nichts gegen kleine Labels - im Gegenteil - aber ihre
Mittel reichen meist nur aus für Aufnahmen (oft nicht mal das) und
Pressung. Eine Band wie Dragon Lord braucht Aufbau, Coaching,
PR, eine
vernünftige Tour; das kostet mehr als ein Label wie das idealistische
Sonido XXI in der Kasse hat. Leider.
Also; hilft diese Hombres Metallurgicos vorwärts und bestellt euch "The
dragon is coming" - das nennt sich Entwicklungshilfe der effektiveren Art.
(c) 1999, Oliver Kerdijk