Hammerfall : Renegade

Gar nicht mal übel, die dritte Hammerfall-Scheibe. "Renegade" ist in etwa so die Platte geworden, die ich mir im Vorfeld eher von Bands wie Nocturnal Rites oder Labyrinth erwartet hatte (bevor ich von beiden Bands bitter enttäuscht worden bin). Eingängiger Gute-Laune-Speed Metal halt; irgendwo zwischen den German Metal-Klassikern Accept/U.D.O. und den Geschwindigkeits-Pionieren Helloween bzw. Gamma Ray. Wenn's etwas schneller wird, kommen mir auch stets die ollen Rainbow- bzw. Riot-Klamotten in Erinnerung - allerdings kann man mit keinem dieser großen Namen wirklich mithalten.

Dafür verantwortlich ist in erster Linie wohl Sänger Joachim Cans, dessen dünnes Stimmchen die vorgetragenen True Metal-Parolen stets verdammt nahe an die Grenze zur Selbstparodie bugsiert - ich kaufe dem Mann einfach nie so recht ab, daß er sich gerade auf dem "Weg des Kriegers" in Richtung "glory" und "victory" befindet. Instrumental, das zeigt auch gerade die Cans-lose Nummer "Raise The Hammer", sagt mir das Ganze wesentlich mehr zu, wenn auch das arg risikolose Songwriting (seit dem Klasse-Debüt "Glory To The Brave" hat sich kaum was getan...im Guten wie im Schlechten) mich nicht gerade zu Jubelsprüngen veranlaßt. "Gar nicht mal übel" eben.

Mehr als "nicht übel" sind vor allem die flotte, Rainbow- und Gamma Ray-lastige Speed-Hymne "Keep The Flame Burning", die ebenso wie das ähnliche "Living In Victory" am ehesten an den völlig unbekümmerten Sound des ersten Albums erinnert; die im klassischen Mittachziger-Scorpions-Stil gehaltene Pathos-Ballade "Always Will Be"; der mit Bathory-mäßigen Wikingerchören unterlegte Midtempo-Ohrwurm "The Way Of The Warrior" sowie die potentielle Hitsingle "The Champion", die mit Ohoho-Chören glänzt, auf die Axel Rudi Pell sicher stolz wäre. Ach ja, das oben erwähnte, hymnische Instrumental ist auch ziemlich klasse.

Auf der anderen Seite müssen wir den ziemlich verunglückten Opener "Templars Of Steel" sowie den nicht viel überzeugenderen Rausschmeißer "A Legend Reborn" leider als völlig uninspirierte Accept-Clones abhaken - und die Schweden haben leider keinen Udo Dirkschneider in der Band, der auch den mittelmäßigsten Song mit charismatischem Gesang noch zur Metal-Hymne retten kann. Dies haben wir, auch von Hammerfall selbst, schon wesentlich besser gehört ("Stone Cold", "Let The Hammer Fall"). Der ziemlich kraftlose, poppige Titeltrack (ein Song über diese hanebüchene TV-Serie?) dagegen wäre furchtbar gerne "I Want Out", schafft dies dank des stinklangweiligen Chorus aber zu keiner Sekunde.

Und schließlich, die schon vorab hochgelobte Produktion von Michael Wagener ist für meine Begriffe längst nicht so durchschlagskräftig ausgefallen, wie viele einem das weismachen wollen - neben der klanglichen Transparenz des neuen Helloween-Albums etwa stinkt der Sound von "Renegade" ziemlich ab. Klingt eben in der Tat eher wie anno 1983 als nach 2000 und ist kein wirklicher Vorteil gegenüber den ersten beiden Alben.

Fazit: Wären Hammerfall noch 'ne Underground-Band, so würde ihnen dieses Album, wie auch die zwei (besseren) Vorgänger, wohl zu Kultstatus in der Szene verhelfen - ähnlich wie es bei ihren Landsleuten Nocturnal Rites passiert ist. Leider aber wird diese Scheibe bei dem derzeitigem Status der Schweden zwangsläufig mit den ganz Großen - Maiden, Running Wild, Helloween...- verglichen werden, und da kann sie eigentlich nur versagen. Denn mehr als "nicht übel" ist "Renegade" eben über weite Strecken nicht...Euro-Speed-Fans würde ich jedenfalls zunächst eher zu der neuen Helloween-Scheibe oder dem Sonata Arctica-Debüt raten, die das Ganze wesentlich inspirierter (nicht zu vergessen frei von diesen mittlerweile überstrapazierten, mächtig flachen Klischees) darbieten.

(c)2000, Ernst Zeisberger 1