Iced Earth : The Glorious Burden
Schon
irgendwie zum Brüllen, sich vorzustellen, wie die nationalstolzen
Ami-Headbanger sich jedesmal mit Hand auffem Herzen voller Ergriffenheit
erheben, sobald diese Scheibe im Player rotiert – eröffnet man das
langerwartete Einstandswerk von Ex-Winter’s Bane/Judas Priest-Sirene Tim
“Ripper” Owens am Mikro doch mit der Nationalhymne (!) als Intro! Kommt aber –
losgelöst von allen politischen Implikationen – gar nicht mal übel, was man von
dem eigentlichen Opener “Declaration Day” leider nicht unbedingt behaupten
kann. Mal abgesehen von Rippers Gesang (der allerdings rult uneingeschränkt!)
bietet der Midtempotrack nichts, was nicht schon auf den letzten zwei Alben
schon gelangweilt hätte. So ‘n typischer 08/15-Iced Earth-Opener im Stil von
“Burning Times” halt.
Es folgt
das balladeske “When The Eagle Cries”, das nicht nur das Handicap nicht
überkommen kann, musikalisch völlig ausgelutscht zu sein, sondern auch noch auf
der lyrischen Ebene völlig unkritisches Nationaltheater verbreitet, das mich ob
der geballten Überdosis Pathos-Phrasen stets wünschen läßt, ein Kotzeimer sei
in Reichweite. Hat in etwa den Intelligenzgrad einer durchschnittlichen
Bush-Rede oder wahlweise eines Drittklässler-Aufsatzes. Sechs, setzen!
Besser
schneidet da schon die Singleauskopplung “The Reckoning” ab, auch wenn der arg Blind
Guardian-lastige
Chorus zumindest bei mir nicht sonderlich für Begeisterung sorgt. Dafür gibt’s
feinstes Oldschool-Riffing, woran sich auch erst mal nichts ändern soll, denn
nun befinden wir uns mitten im mit Abstand überzeugendsten Teil des Albums. Das
simpel-rockende “Greenface” (richtig fieses Shouting vom Ripper, erstklassig),
das traditionell-galloppriffende “Attila” und das noch am ehesten an Judas
Priest
erinnernde “Red Baron/Blue Max” (Götterchorus!) treten allesamt mächtig Arsch
und machen den eher lahmen Auftakt schnell vergessen. Und, die Songtitel deuten
es an, auch von weiterer verzückter Lobpreisung des eigenen Vaterlandes sieht
man hier glücklicherweise ab. Halleluja.
Mit
“Hollow Man” folgt eine weitere IE-typische Ballade - nicht übel, aber auch
schnell vergessen. Da ist der von Bonanza-mäßigen Akustikgitarren eingeleitete
Banger “Valley Forge” doch gleich wieder ein anderes Kaliber, aber richtig
genial wird’s erst wieder mit dem fantastischen Midtempo-Melodic-Meisterstück
“Waterloo”, das wahrlich die besten Momente der alten Iron Maiden vor Augen, öhm
Ohren ruft und zudem noch einmal bestätigt, welch ein Geniestreich die Verpflichtung
von Herrn Owens ist. Mit dieser Leistung hätte der Mann auch locker bei Steve
Harris&Co. bestehen können, und ich weiß nicht, ob die Fans lautstark nach
Bruce Dickinson gerufen hätten!
Bleibt
noch das große Finale. Und das dreißigminütige “Gettysburg” ist…nun, nicht das,
was ich erwartet hatte. Wohl der untypischste Iced Earth-Song ever, hat der
Dreiteiler mehr mit den Orchester-Exkursen von Bands wie den neueren Savatage oder Blind
Guardian
gemein denn mit eigenen Überlänge-Evergreens vom Kaliber eines “Dante’s
Inferno”. Nicht die pausenlos abgefeuerten Riffgranaten geben den Ton an,
stattdessen schwebt über allem ein gewisser Soundtrack-Charakter, und an allen
Ecken und Enden werden Special Effects abgefeuert. Hat einige Anläufe unter dem
Kopfhörer gebraucht, bis dieses Mammutwerk wirklich gezündet hat, aber
mittlerweile bin ich ziemlich begeistert.
Alles in
allem mag “The Glorious Burden” wohl nicht der alles vernichtende Überhammer
sein, zu dem ihn Teile der Presse bereits hochsterilisieren wollen
(insbesondere dauert’s zu Beginn doch ein Weilchen, bis der Rundling so richtig
in Fahrt kommt), aber die letzten beiden, für Iced Earth-Verhältnisse eher
lauen Werke kann man doch deutlich in ihre Schranken verweisen – und “nur” das
beste Eiserde-Album seit “Dark Saga” zu sein, ist ja auch nicht soooo schlecht.
Wobei man aber anmerken muß, daß den größten Anteil an diesem letztlich doch
sehr positiven Eindruck eindeutig Neu-Shouter Tim auf seine Kappe nehmen darf.
Seine durchgehend brillianten Vocals stellen alles, was er jemals für Judas
Priest
gemacht hat, mühelos in den Schatten und lassen mich auch schon mnal über den
einen oder anderen Klops in den Lyrics hinwegsehen (unrettbar ist einzig “When
the Eagle Cries”). Ihm vor allem wäre es zu gönnen, daß diese Scheibe so
richtig einschlägt – “Demolition” war ja zuletzt nur noch bemitleidenswert.
Das “definitive
Iced Earth-Album” (hallo Rock Hard!) heißt aber trotzdem auch weiterhin “Night of
the Stormrider”…
(c)2003, Ernst Zeisberger