Kamelot : Karma

Voll auf der "The Fourth Legacy"-Schiene fahren die Amis um den norwegischen Klasse-Frontmann Roy Khan weiter. Wen wundert's, war das gute Stück doch ein Erfolg auf ganzer Linie und nebenbei eins der stärksten und vor allem eigenständigsten Metal-Werke der jüngeren Vergangenheit. Und so gibt's denn auch - was auch meinen größten Kritikpunkt an "Karma" darstellt - frei nach Konrad Adenauer "keine Experimente".

Ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes, und streckenweise kann man die älteren Vorgaben sogar deutlich übertreffen. So zeigen sich sowohl die Hymne "Wings Of Despair" als auch das keltisch angehauchte "Across The Highlands" deutlich von "The Shadow Of Uther" vom hochkarätigen Vorgänger beeinflußt, können allerdings mit wesentlich stärkeren Chorussen auftrumpfen als der Song um Arthurs Pappa. Überhaupt gibt man sich hitverdächtiger denn je, was schon der Ohrwurm-Opener "Forever" eindrucksvoll klarmacht.

Der Conception-Touch, der auf "The Fourth Legacy" noch an allen Ecken und Enden durchschien, wurde hingegen etwas zurückgefahren; lediglich das brilliante "The Spell" beschwört das Erbe der norwegischen Prog Metal-Götter wieder mal überdeutlich herauf. In letzterem Song klopft übrigens auch das "Call Of The Sea"-Riff mal vorsichtig an die Tür - ansonsten jedoch klingt man europäischer denn je. Da läßt es sich auch nicht vermeiden, daß mit "The Light I Shine On You" auch mal ziemliche Melodic-Standardware vertreten ist, die nur durch die technischen Fähigkeiten der Beteiligten aus dem Mittelmaß entrissen wird. Die stinklangweilige Ballade "Temples Of Gold" hingegen schafft nicht mal das. Überhaupt, gerade bei den langsamen Tränentreibern waren Kamelot schon mal stärker - auch die zweite, textlich an Iced Earth's "Watching Over Me" erinnerne Ballade "Don't You Cry" ist mir entschieden zu pathetisch ausgefallen.

Naja, das ist aber schon alles, was ich an Kamelots Fünfter auszusetzen habe - alles andere ist wie gewohnt erste Sahne. Das beinhaltet selbstredend auch die druckvolle Produktion von Sascha Path und Miro, die echte Orchestrierung (höre und lerne, David DeFeis!) sowie das stilvolle Cover-Artwork. Insgesamt also wieder ein definitiver Kauftip für Freunde des anspruchsvollen Melodic Metal europäischer Machart. Feine Sache!

(c)2001, Ernst Zeisberger 1