Manilla Road : Atlantis Rising
Mann, was habe ich dieses Album erwartet. Würden es Mark Shelton und seine runderneuerte Manilla Road-Besetzung anno 2001 schaffen, an einstige, unter Kundigen längst zur Legende gewordene Heldentaten im Namen des epischen Metals anzuknüpfen? Immerhin sind gute elf Jahre vergangen seit dem Erscheinen der letzten "wahren" Götterbotschaft der kauzigen Amis, "The Courts Of Chaos" ("The Circus Maximus" zählt laut Mark Shelton nicht zu den richtigen Road-Alben, sondern habe eher Projektcharakter. Und der Mann muß es doch wissen...), Jahre, in denen der Kultfaktor der Band um ein vielfaches gestiegen ist.
Also, flugs "Atlantis Rising" in den Player geschoben - und die Spannung steigt. Ein kurzes Keyboardgeplänkel, dann eine wohlbekannte Stimme ("Arise, all ye Faithful to the Sword!"), schließlich ein klasse Drumrhythmus. Und als endlich eine unverkennbar von Meister Shelton gezupfte Leadgitarre in wunderbar oldschooligem Sound den Opener "Megalodon" anspielt, kann der Alt-Fan erleichtert aufatmen. Wat'n Riff; und schließlich kommt der "Shark" auch vokaltechnisch zum Einsatz. Singen kann er immer noch nicht wirklich, gestört hat das aber in der Vergangenheit keinen echten Metaller, und das bleibt bitteschön auch jetzt so. Schließlich ist der nasale Ozzy-Osbourne-mit-Schnupfen-Gesang in Verbindung mit den mythologisch bewanderten Klasse-Lyrics schon immer eins DER Markenzeichen der Wichita-Metaller gewesen. Allerdings hätte ich mir den Mann schon etwas kraftvoller abgemischt gewünscht - den "Megalodon"-Chorus z.B. muß man eher erahnen. Na ja, wäre das erste Road-Album ohne Einwände beim Sound gewesen ("The Courts Of Chaos" vielleicht mal ausgenommen).
Mit dem kurzen "Lemuria" wird's erst mal atmosphärisch-ruhig, bevor dann der erstklassige Titelsong wieder einen Epic Metal-Kracher der Sonderklasse auf den Hörer loslässt. "After the Deluge hidden all these years, Once more Atlantis is rising!" Hammer, genau wie das folgende "Sea Witch", das für mich einen der Höhepunkte der Scheibe darstellt und Gänsehaut-Stimmung ohne Ende verbreitet. Wenn nach dem leisen Beginn Shelton nach dem zweiten Chorus mit seinem melodische Solo einsetzt, KANN man als Metal-Fan doch eigentlich gar nicht unberührt bleiben.
"Resurrection" hält das hohe Niveau, ist aber nach fast dreiminütigem Intro-Solo wieder eher in der epischen Midtempo-Ecke anzusiedeln. Ganz im Gegensatz zum folgenden "Decimation", das ebenso durch fette Doom-Riffs bestechen kann wie durch beinahe Death Metal-mäßigen Gesang im Chorus. Na gut, ohne letzteren wäre ich ganz gut ausgekommen - immerhin paßt's recht gut zur textlichen Verwüstung von Midgard durch die finst'ren Horden des Chaos.
"Flight Of The Ravens" und das direkt anschließende "March Of The Gods" schließlich sind für mich der absolute Höhepunkt einer durchgehend exzellenten Comeback-Scheibe (erinnern mich nebenbei auch etwas an das Bathory-Meisterwerk "Blood on Ice"): ersteres nähert sich leise und atmosphärisch, bevor dann schließlich die nordischen Götter in einem Epic Metal-Prachtstück der allerfeinsten Güte zur Erde hinabreiten, das ich in dieser Klasse schon lange von keiner Band mehr zu hören bekommen habe. Abermals: aberwitzige Soloarbeit, charismatische Vocals vom "Shark" und vor allem mächtig OLD SCHOOL!
Hyperschnell und -aggressiv beginnt "Siege Of Atland", das als einziger Song etwas an die härtere, thrashige "Out Of the Abyss"-Phase gemahnt (während der Rest der Scheibe sich stilsicher an den Klassikern "The Deluge" oder auch "Open The Gates" orientiert), bevor dann der fast neunminütige Doom-Hammer "War Of The Gods" die Scheibe nach einer knappen Stunde (viel zu früh) würdig beendet.
Bleibt also zu hoffen, daß Manilla Road mit diesem durch und durch gelungenen Comeback endlich mal ein bißchen durchstarten können. Die Popularität der Band im Underground ist in den vergangenen Jahren dank der Re-Releases enorm gestiegen - auf der anderen Seite wird man auf die Mainstream-Metalfans als potentielle Käuferschicht erneut verzichten müssen, denn mit dem aktuell populären, kommerziellen Bild von "Metal" hat die Band anno 2001 weniger denn je zu tun. Dafür werden Insider die Scheibe um so mehr lieben.
Und wo steht "Atlantis Rising" nun innerhalb der eigenen Bandhistory so? Puh, fragt mich das in zwei, drei Jahren nochmal, wenn ich die Scheibe ebenso intus habe wie den altbekannten Backkatalog - für heute kann ich nur sagen: "Atlantis Rising" ist des Namens Manilla Road auf'm Cover mehr als würdig. Und wenn das kein Kompliment ist, weiß ich auch nicht mehr weiter.
(c)2001, Ernst Zeisberger