von Hugin » 3. September 2012, 23:03
Es ist wohl verkehrt, hier mit dem Finger auf die jeweils anderen zu zeigen. Es gibt zu viele Faktoren, die so ein Event zum Scheitern bringen können. Allgemein halte ich es für wahnsinnig schwierig, ein traditionelles Metal-Festival mit Underground-Kultkapellen Kosten deckend oder Gewinn bringend aufzuziehen. Die "Marktführer" in Deutschland (KIT/MA/HOD und HOA) bieten der rein zahlenmäßig einfach sehr überschaubaren Zielgruppe bereits vier meistens toll bestückte und attraktiv aufgezogene Festivals, für die hunderte oder gar zweitausend Leute elend weite Anreisen und Übernachtungen in Kauf nehmen, ja, sie als "Pflichttermine" sehen. Und dann gibt es daneben noch das eine oder andere große Festival, das die selbe Zielgruppe auch immer mit etlichen tollen Bands anspricht (RHF, BYH). Und dann noch ein paar einzelne Gigs von Underground-Kapellen bei jedem von uns vor der eigenen Haustür, in der nächsten Kreisstadt usw...
Da wird dann eben das Argument "keine Zeit" ruck zuck viel mehr als eine bloße Floskel oder Ausrede, und das kann man den Leuten auch nicht wirklich übel nehmen.
Nehmen wir den "durchschnittlichen" Zielgruppen-SMB-Metaller und seine Rahmendaten:
- Alter 30+
- schwer mit Beruf bzw. Studium und/oder Familie und/oder Verein und/oder eigenen Bands und/oder Schreiberei beschäftigt
- das Jahr über bereits bei mindestens drei mehrtägigen "Pflichtterminen" unterwegs
- dazu noch jedes kleine Konzert mitnehmen, das in der Nähe ist und für das man Zeit hat
Jetzt hat die Zielgruppe in ganz Deutschland vielleicht 2000 Leute:
- Wie viele davon sind im Umkreis von 100 Kilometern um Hannover?
- Wie viele davon haben überhaupt Wind von der Veranstaltung bekommen?
- Wie viele davon sagen, dass sie heuer schon auf drei Festivals und fünf anderen Gigs waren?
- Wie viele davon haben dann tatsächlich andere Termine an dem Abend?
Da bleibt halt nimmer allzu viel Raum für einen guten Vorverkauf und gute Besuchszahlen, wenn man keine Bands einbaut, die eben auch den lokalen 08/15-Metalfan ziehen, der Jaguar und Salem nicht kennt (selbst beim KIT-Publikum kennt die nicht jeder). Seien es Local Heroes, die ihren Fanclub mitbringen, oder eben auf nationaler Ebene etablierte Acts wie die vorgenannten Brainstorm.
Außerdem ist das mit dem Vorverkauf so eine Sache. Viele Leute kaufen Tickets für Events, die im Zweifel nicht ausverkauft sein werden, eben erst kurz vor knapp. Und das kann man ihnen auch nicht vorwerfen, weil eben keine Sau weiß, was morgen ist. Klar, der Veranstalter will planen, aber viele Fans können eben nicht so weit im Voraus planen. Man sieht doch alljährlich auch bei den großen Festivals, wie viele Tickets kurz vor der Veranstaltung wieder vertickt werden müssen, weil Boss, Frau, Kind oder die Sportskameraden was anderes mit einem vor haben. Warum sollte sich das jemand antun, wenn er weiß, dass er das Ticket auch bequem an der Abendkasse kaufen kann, wenn es ihm kurzfristig möglich ist, zu kommen.
Sicher ärgerlich für Leute, die mit viel Herzblut etwas auf die Beine stellen wollen, aber "die Fans" sind da halt auch nicht allein schuld und ein unpassender Sündenbock. Am vergangenen Mittwoch haben auch Vicious Rumors 20 Kilometer von mir weg entfernt gespielt. Wäre liebend gerne hin gegangen, aber wenn ich an dem Tag halt mit dem Verein in die Berghütte fahre, dann fehle ich eben, weil mir ein Wochenende mit guten Freunden, auf das man sich das ganze Jahr freut, halt doch wichtiger ist, als zum vierten Mal in drei Jahren Vicious Rumors. Da ist das "keine Zeit" dann auch keine Ausrede, sondern etwas, das mich selbst ärgert, aber man kann halt nicht jedes Underground-Konzert besuchen, wenn man noch ein Leben hat, das über Konzerte hinaus geht. Deswegen ist man dann aber auch kein schlechterer Metalfan oder etwas anderes Unerquickliches.
Sad but true...
"It takes a thousand fans from any other band to make one Manowarrior!"- Sir Dr. Joey DeMaio, 2012
Primitivsoundkunst:
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