Ein schöner Tag war das!
Als ich mit Stormwitch, Cromwell und einem alten Kumpel am Skullcrusher eintreffe hat sich bereits eine stattliche Anzahl Metallisten eingefunden. Die Ansammlung an Kutten ist wohl einmalig für Dresden, dank tatkräftiger Beteiligung von außerhalb.
Der Beginn um 17 Uhr bezog sich nur auf die Karaoke im Keller (wo sie auch hingehört), so bleibt bis 19 Uhr zu dem Anfang von SCHAFOTT Zeit für Getränkekonsum auf einem Niveau, das das lebensnotwendige übersteigt. Zwischendurch gibt es einen kräftigen Hagelschauer - die einzige legitime Gelegenheit, die Kutte zu waschen.
Zwischen dem SCHAFOTT-Auftritt vom Vortag und diesem liegen Welten, trotz zwangsläufig ähnlichem Programm: bereits vor Beginn hat sich eine ansehnliche Zahl an Besuchern vor der Bühne eingefunden und dieses Mal muss die Band nicht vor beinahe leerer Halle spielen, sondern kann auf ein euphorisches Stammpublikum zählen. Der Unterschied im Sound ist wie Tag und Nacht: klar und differenziert rumpeln und bolzen sie umso mehr und sogar ich lasse mich hier zu ein paar Kopfschüttlern bewegen. Sehr spaßig.
Es folgen die Lokalmatadoren STEELCLAD, zu denen ich seit ihrer ersten Formierung in Dresden ein gutes Verhältnis pflege. Eröffnet durch das populäre Lied des Demos, "Hellraisers", fahren sie einen herrlichen klassischen Gig auf, der mit dem Cover "Thundersteel" und dem uralten Demolied "Steelclad" an alte, gute Zeiten anknüpft. Sie zeigen, dass sie nun wieder vollends zurück sind. Gegenüber dem Reunion-Auftritt im vergangenen November haben sie deutlich zugelegt, spielen professioneller und mitreißender. Auch die neuen, noch unveröffentlichten Stücke schaffen es zu überzeugen. Nach 45 min ist das kurzweilige Vergnügen aber auch schon wieder vorbei.
Ein Bier wird organisiert und schon geht es weiter mit SACRED STEEL: "Stand and fight, with sword in hand..."
Sicher ist die Band für viele Deutsche nichts Spektakuläres mehr, jedoch hat dieses Dresdenkonzert für mich eine besondere Bedeutung. Vor einigen Jahre hatten wir hier eine kleine Gruppe enthusiastischer Jungspunde, die Gerrits Mannen zu möglichst jedem Konzert an jedem noch so entlegenem Winkel Deutschlands hinterhergefahren ist. Tagelange Zugodysseen hielten uns nicht davon ab, SACRED STEEL für eine Stunde zu sehen. Seit jenem legendären Gig in Neubrandenburg vor zehn Zuschauern, die mehrheitlich unserer Gruppe entstammten (Zitat Band: "Höhepunkt unserer Kariere"), hat es sich zur Tradition entwickelt, das wir mit kräftigen "terror, torture, murder!"-Rufen "Rites Of Sacrifice" verlangen, auch wenn es nie gespielt wird. Sogar in Athen fielen wir schon damit auf. Nun konnte es sich die Band bei ihrem ersten, lang ersehnten Auftritt in der sächsischen Metropole nicht nehmen lassen, diese Gemetzelhymne endlich vorzutragen, was für große Euphorie unsererseits sorgt - obgleich die Hälfte unserer damaligen Truppe nicht mehr dabei ist ("March on while posers fall astray").
Die Setlist ist ähnlich wie am Vortag, sorgt also für Abwechslung und Glücksgefühle. Stormwitch, Thom Bombadil, Dresdner Kumpels und ich geben vor der Bühne unser Bestes und singen und bangen als würde es um unser Leben gehen. Herrlich, wie kann man Metal würdiger leben? Noch wichtiger: Wie kann man sein Leben mit etwas anderem verschwenden als mit reinrassigem, leidenschaftlichem oldschool-Metal, rasenden Riffs und gescreamten, klischteetriefenden Texten?
Setlist:
Army Of Metalheads
Lust For Blood
Storm Of Fire
Battle Angel
Rites Of Sacrifice
Dark Forces
Dethrone The Tyrant King
Maniacs Of Speed
Carnage Victory
Slaughter Prophecy
Heavy Metal To The End
Wargods Of Metal
Misfits
Leider gab es ein Abspracheproblem zwischen Band und Veranstaltern, sodass ihnen nicht, wie sie dachten, 60-70 min zur Verfügung standen und so wurde ihnen nach 50 min abrupt zu verstehen gegeben, dass Schluss sei. Allen Rufen aus dem Publikum zum Trotz ist wirklich Schluss und wir müssen auf "Heavy Metal To The End", "Wargods Of Metal" und wohl als Zugabe geplantes "Sacred Bloody Steel" verzichten, was wegen des hohen Kultstatus genau dieser Klassikersongs schmerzt. Unter diesem Blickwinkel erscheint die Auslosung der Bandreihenfolge nicht mehr so gut. Wenn eine Band wie SACRED STEEL endlich einmal in Sachsen spielt und den weiten Weg auf sich nimmt, wäre es angemessen gewesen, ihnen mehr Zeit als einer jungen Newcomerband zuzugestehen. Die Reihenfolge sollte wohl - ganz sozialistisch - allen, egal ob alt oder jung, bekannt oder tiefster Underground, die gleichen Auftrittsmöglichkeiten verschaffen und die Zuschauer zwingen, von Anfang an dabei zu sein und somit alle Gruppen anzusehen. Jedoch bin ich im Metal mehr der Monarchie zugeneigt und erwarte die Wahrung gewisser Hierarchien und die Würdigung der Könige. Im konkreten Falle hatte es nämlich die gegenteilige Wirkung: nach SACRED STEEL war die Luft raus, nach diesem Höhepunkt des Dresdner Metallebens der letzten Jahre stand uns der Sinn nicht nach weiteren Bands.
Wie dem auch sei, ein großer Genuss war es trotzdem: "...Heavy Metal to the end!"
WARHAMMER spielen noch ein gutes Set, was von der Mehrheit gebührend aufgenommen wird. Ich kenne die Band zu wenig, bin aber dem Gebotenen gegenüber ebenfalls nicht abgeneigt.
Die GUMO MANIACS haben bereits öfters hier gespielt und zu FIRST AID fehlt die Motivation, also fahren wir lieber noch auf ein Glas Wasser zu Cromwell.
Nächstes Jahr soll es, wenn ich es richtig vernommen habe, eine zweite Auflage geben, was angesichts der Ausrichtung, Stimmung und des Preises eine famose Idee ist.
p.s. Zu einem gelungenen Metalabend gehören auch Kuriositäten: Wo ist das Geld hin? Wie kommt dieses französischsprachige Büchlein "Le Petit Prince" von Saint-Exupéry in meine Jackentasche?