Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Schreibt euch die Finger wund über das große Thema "Metal" - über neue Platten, neue Bands, Konzerte etc.

Moderator: Loomis

Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon holg » 18. Juni 2011, 10:57

Ist schon alles gesagt? Wenn ich darüber nachdenke, ob es für mich in den letzten Jahren Klassiker gab, kann ich das schnell mit einem "Nein" beantworten. Aktuellere Scheiben, die bei meiner imaginären Inselliste weiter oben auftauchen, sind allesamt keine wirklichen Heavy-Metal-Scheiben, sondern stammen eher aus rockig-progressiven Randsegmenten. Ich denke an Pain Of Salvation oder Tea Party. Im neuen Jahrtausend gab es für mich außer Warning, Hammers Of Misfortune oder Anvil Chorus (alte Songs!) wenig, was wirklich neue Akzente setzen konnte. Aus der Sicht des Allesgutfinders erinnere ich mich gern an die erste Hälfte der 90er zurück, wo uns solche frei denkenden Musikanten wie Buddo, Robbi Robb, Dawn Crosby, Michael Dickes und Bands wie Thought Industry Saigon Kick oder Mayfair erstaunlich frische klingende Musik kredenzt haben. Aber Heavy Metal war das niemals, auch wenn diese Musik gern in diese Nische geschoben wurde. Die Fremdeinflüsse waren viel zu groß. Man kann jetzt die Frage stellen, weshalb die Industrie versucht hat, diese originellen Bands über die Metalszene zu verkaufen. Es wäre eventuell eine Option gewesen, über die Rockschiene zu gehen, denn Gypsy Kyss oder Tribe After Tribe hätte man dort gut platzieren können. Aber kann es nicht sein, dass der Heavy Metal Fan eben als ein Musikfreund angesehen wird, der sich eben gern und intensiv mit Musik beschäftigt und trotz seinem Festhalten an alten Werten und Tugenden, doch immer auch (heimlich) auf der Suche an neuen Variationen seiner Lieblingsmusik ist? Dadurch, dass Heavy Metal an sich schon eine extreme Musikart ist, ist die Bereitschaft von Hörern eben jener Musikrichtung gegenüber extremer Musik grundsätzlich höher als es bei Freunden von normaler Rockmusik der Fall ist.

Ich für meinen Teil fand das sehr schön, weil ich dadurch großartige Musik kennen gelernt habe. Alben, die für mich Klassiker sind.

Um auf die Ausgangsfrage noch einmal zurück zu kommen. Definiert man Heavy Metal im traditionellen Sinne, ist seit Jahren (fast) alles gesagt. Ist das schlimm? Nein. Nur logisch. Die leichten Variationen oder neuen Verknüpfungen alter Elementen bringen ja immer wieder minimale Veränderungen ins Hörspektrum und somit hörenswerte Musik zu tage. Ein Krimi-Freund wird ja auch nicht sagen, ich schaue oder lese kein Krimis mehr, weil die fast immer gleich ablaufen.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon GordonOverkill » 18. Juni 2011, 11:00

@birditch:

Das ist das pm.
Nimm die freaks direkt unter Vertrag.
Erwähne mich unbedingt in den credits.
Danke.


"pm" bedeutet "Problem"? Wie dem auch sei, Platten werden wir sicherlich gerne wieder veröffentlichen, sobald es kohletechnisch ein bisschen rosiger aussieht. Weshalb würdest du gerne bei einer Platte in den Credits stehen? Und überhaupt, worauf willst du hinaus? Meinst du, dass traditionelle Metal Bands dieser Tage schlechte Chancen hätten, ihre Musik zu veröffentlichen? Das seh ich nämlich ganz anders. Natürlich wird so eine Band kaum einen Partner finden, der ihr ermöglicht, 10000 EInheiten in alle Himmelsrichtungen abzusetzen, aber da sind wir dann wieder bei meiner Frage: Na und? Es folgt halt daraus, dass traditioneller Metal gegenwärtig kaum hauptberuflich gespielt werden kann, aber meiner Ansicht nach auch nichts weiter.

@Raf Blutaxt:

Ich denke, Verkaufszahlen sind da wirklich nicht so wichtig, was aber Bands dieser Größe auszeichnet, ist eben, dass sie auch heute noch über alle Subgenres hinweg mehr oder weniger einhellig verehrt oder zumindest respektiert werden.


Die Frage ist doch, woran es liegt, dass das bei aktuellen Bands praktisch nicht mehr der Fall ist. Ich glaube, es liegt ganz einfach daran, dass die meisten Fans jüngeren Alters die entsprechenden Entwicklungen nicht mehr erlebt haben. Ein Thrasher 1985 muss zwei Jahre zuvor fast zwangsläufig Maiden und Priest gehört haben, solange er kein total Frischling ist. Vorher hat es nämlich einfach keinen Thrash gegeben. Ein Death Metal Fan 1988 muss, insofern er schon ein paar Jahre dabei ist - und diese "Veteranen" sind in der Szene nun mal recht hoch angesehen - erst Maiden und Priest und danach Metallica und Exodus gehört haben. Ein Black Metal Fan 1991, der solange dabei ist, wie beispielsweise meine Wenigkeit es jetzt ist, hat 1976 angefangen, harte Musik zu hören... ich denke, du merkst, worauf ich hinaus will! Wenn wir uns jetzt einen Fan vorstellen, der 1995 mit dem Black Metal seinen Einstand in der harten Szene gefunden hat, dann liegen schon drei, vier Jahre zwischen ihm und der letzten großen Bewegung vor ihm. Es gibt genügend Veröffentlichungen in seinem Genre, um seine Lust auf Neues für ein ordentliches Weilchen zu befriedigen und er hat somit ganz andere Chancen, zu so etwas wie einem "Puristen" zu werden. Im aktuellen Jahrtausend dann ist es schon ziemlich schwierig, einen Menschen ausfindig zu machen, der diese ganze Entwicklung überdauert hat und noch immer dabei ist. Zusätzlich haben sich die einzelnen Sub-Genres so weit ausdifferenziert, dass sie auch nem hardcore-Sammler über Jahre hinweg Futter liefern.
Eine aktuelle Band, die traditionellen Metal spielt, hat da einen viel schwereren Stand. Denn der Zeitsprung, den sie macht, ist im Grunde genommen eine Beleidigung gegen alle Entwicklungen die der Metal später durchlaufen hat... also insbesondere gegen alle Formen des Extremmetals. Während Maiden und Priest in einer direkten Entwicklungslinie mehr oder weniger als die "Eltern" von all dem Härteren betrachtet werden können, das später kam, sagen die Retro-Truppen von heute zu Thrash, Death und Black Metal: "Eure Eltern waren cooler als ihr, also fickt euch!"
Hmmmm, schweife ich ab? Wahrscheinlich. Ich mach an dieser Stelle dann erst mal schluss und bin gespannt, ob meine These Zuspruch findet.
Zuletzt geändert von GordonOverkill am 18. Juni 2011, 11:03, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon QuickNick » 18. Juni 2011, 11:02

Raf Blutaxt hat geschrieben:Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?


Legt man die musikalischen Parameter zugrunde, ist in der Rockmusik (und ihrem Sub-Genre Heavy Metal) schon seit Jahrzehnten alles gesagt. Da mich aber immer wieder neue Bands, Alben, Songs emotional erreichen, ist für mich im Heavy Metal noch lange nicht alles gesagt.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon Ulle » 18. Juni 2011, 11:04

Raf Blutaxt hat geschrieben:
Ulle hat geschrieben:Nix gegen olle Vox Amps, wenn man damit umgehen kann :smile2:

Die letzte Enforcer Produktion scheints dir ja echt angetan zu haben. :smile2:


Es fällt langsam auf, gell? Ich muss mich etwas zügeln :lol:
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon Goatstorm » 18. Juni 2011, 11:10

Ist im Metal schon alles gesagt?

Ja und nein.


Wie in jeder Kunstform wird auch in der Musik nichts radikal Neues mehr kommen können. Alles war schon einmal da. Alles, was wir heute hören oder sehen, ist lediglich eine Neuanordnung von bereits Bestehendem.

Aber: genau dieses Potential zu laufenden Neuanordnungen sorgt dafür, dass noch nicht alles gesagt ist. Das gilt nicht nur für die Musik, sondern für alle anderen Bereiche unserer Kultur genauso. Wir leben in einer Moderne, die sich aus den gleichen Traditionen formt, die sie gleichzeitig fortlaufend auflöst. Das Traditionale ist in der Gegenwart daher kein Gegensatz zum "Modernen" mehr, sondern sein konstitutiver Bestandtteil. Letztlich ist das Traditionale die modernste Form von Kultur überhaupt, weil es den Kernantrieb für alle aktuellen gesellschaftlichen und damit künstlerischen Entwicklungen darstellt.
Man sollte also nicht dem Trugschluss aufsitzen: Traditionell = alt = ausgelutscht. Im Gegenteil: das Traditionale bildet den Nukleus aller Modernisierung. Es stellt mit seinem Ruch von Authentizität, Unverwechselbarkeit, Regionalität, Individualität genau den Pool an Werten, Ästhetik und Stil bereit, der für die aktuellen Modernisierungsprozesse nötig ist. Von daher: nein, es ist noch nicht alles gesagt. Aber das Meiste von dem, was noch gesagt werden wird, wird uns in Teilen schon bekannt vorkommen.

Edit: die neue Satan's Host ist das beste Beispiel dafür. 1980er-Underground-US-Gesang trifft auf 1990er-Mainstream-Black-Metal. Schwupps: Im Jahr 2011 halten es die Leute für revolutionär und neuartig.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon Raf Blutaxt » 18. Juni 2011, 11:23

GordonOverkill hat geschrieben:@birditch:

Das ist das pm.
Nimm die freaks direkt unter Vertrag.
Erwähne mich unbedingt in den credits.
Danke.


"pm" bedeutet "Problem"? Wie dem auch sei, Platten werden wir sicherlich gerne wieder veröffentlichen, sobald es kohletechnisch ein bisschen rosiger aussieht. Weshalb würdest du gerne bei einer Platte in den Credits stehen? Und überhaupt, worauf willst du hinaus? Meinst du, dass traditionelle Metal Bands dieser Tage schlechte Chancen hätten, ihre Musik zu veröffentlichen? Das seh ich nämlich ganz anders. Natürlich wird so eine Band kaum einen Partner finden, der ihr ermöglicht, 10000 EInheiten in alle Himmelsrichtungen abzusetzen, aber da sind wir dann wieder bei meiner Frage: Na und? Es folgt halt daraus, dass traditioneller Metal gegenwärtig kaum hauptberuflich gespielt werden kann, aber meiner Ansicht nach auch nichts weiter.

@Raf Blutaxt:

Ich denke, Verkaufszahlen sind da wirklich nicht so wichtig, was aber Bands dieser Größe auszeichnet, ist eben, dass sie auch heute noch über alle Subgenres hinweg mehr oder weniger einhellig verehrt oder zumindest respektiert werden.


Die Frage ist doch, woran es liegt, dass das bei aktuellen Bands praktisch nicht mehr der Fall ist. Ich glaube, es liegt ganz einfach daran, dass die meisten Fans jüngeren Alters die entsprechenden Entwicklungen nicht mehr erlebt haben. Ein Thrasher 1985 muss zwei Jahre zuvor fast zwangsläufig Maiden und Priest gehört haben, solange er kein total Frischling ist. Vorher hat es nämlich einfach keinen Thrash gegeben. Ein Death Metal Fan 1988 muss, insofern er schon ein paar Jahre dabei ist - und diese "Veteranen" sind in der Szene nun mal recht hoch angesehen - erst Maiden und Priest und danach Metallica und Exodus gehört haben. Ein Black Metal Fan 1991, der solange dabei ist, wie beispielsweise meine Wenigkeit es jetzt ist, hat 1976 angefangen, harte Musik zu hören... ich denke, du merkst, worauf ich hinaus will! Wenn wir uns jetzt einen Fan vorstellen, der 1995 mit dem Black Metal seinen Einstand in der harten Szene gefunden hat, dann liegen schon drei, vier Jahre zwischen ihm und der letzten großen Bewegung vor ihm. Es gibt genügend Veröffentlichungen in seinem Genre, um seine Lust auf Neues für ein ordentliches Weilchen zu befriedigen und er hat somit ganz andere Chancen, zu so etwas wie einem "Puristen" zu werden. Im aktuellen Jahrtausend dann ist es schon ziemlich schwierig, einen Menschen ausfindig zu machen, der diese ganze Entwicklung überdauert hat und noch immer dabei ist. Zusätzlich haben sich die einzelnen Sub-Genres so weit ausdifferenziert, dass sie auch nem hardcore-Sammler über Jahre hinweg Futter liefern.
Eine aktuelle Band, die traditionellen Metal spielt, hat da einen viel schwereren Stand. Denn der Zeitsprung, den sie macht, ist im Grunde genommen eine Beleidigung gegen alle Entwicklungen die der Metal später durchlaufen hat... also insbesondere gegen alle Formen des Extremmetals. Während Maiden und Priest in einer direkten Entwicklungslinie mehr oder weniger als die "Eltern" von all dem Härteren betrachtet werden können, das später kam, sagen die Retro-Truppen von heute zu Thrash, Death und Black Metal: "Eure Eltern waren cooler als ihr, also fickt euch!"
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Ich denke schon, dass du da etwas wichtiges anbringst, viel mehr als Zuspruch kann ich jetzt aber auch nicht bieten. :smile2:
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon GordonOverkill » 18. Juni 2011, 11:24

@Goatstorm:

Ich glaub immer noch nicht, dass wir dem Metal mit dem Kunst-Begriff einen Gefallen tun. Zumindest deckt es sich nur sehr bedingt mit dem, was es für mich bedeutet. Für mich hat ein Konzert oder ein gutes Album viel mehr von dem, was ich mir unter den dionysischen Kulten im alten Griechenland oder unter ritueller Musik bei Naturvölkern vorstelle. Mir geht es bei Musik grundsätzlich und bei Metal im Speziellen vor allem darum, bestimmte Gefühle zu erregen, Erfahrungen zu ermöglichen und zu verarbeiten, sich lebendig zu fühlen... ob das Ganze dann künstlerisch wertvoll ist oder nicht, geht mir im Grunde vollkommen am Arsch vorbei.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon Goatstorm » 18. Juni 2011, 11:31

GordonOverkill hat geschrieben:@Goatstorm:

Ich glaub immer noch nicht, dass wir dem Metal mit dem Kunst-Begriff einen Gefallen tun. Zumindest deckt es sich nur sehr bedingt mit dem, was es für mich bedeutet. Für mich hat ein Konzert oder ein gutes Album viel mehr von dem, was ich mir unter den dionysischen Kulten im alten Griechenland oder unter ritueller Musik bei Naturvölkern vorstelle. Mir geht es bei Musik grundsätzlich und bei Metal im Speziellen vor allem darum, bestimmte Gefühle zu erregen, Erfahrungen zu ermöglichen und zu verarbeiten, sich lebendig zu fühlen... ob das Ganze dann künstlerisch wertvoll ist oder nicht, geht mir im Grunde vollkommen am Arsch vorbei.


Das ist aber dann reine Ideologie, weil Du mit Kunst automatisch ein bürgerliches "hohes" Kunstideal verknüpft, mit dem Du Dich nicht identifizieren willst. Heavy Metal entsteht nun mal nicht als kollektive Äußerung primitiver Völker, sondern ist das Ergebnis eines gezielten Produktionsprozesses, der von Experten industriell eingeleitet und auf bestimmte Ziele, v.a. kommerzieller Erfolg, hin gesteuert wird. Dass jemand rauschartig in der Musik versinken kann, ist dabei unerheblich. Man kann auch vor Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer" meditativ wegdämmern. Heavy Metal ist dabei genauso "wertvoll" wie der Impressionismus oder die Zwölftonmusik auch. Heavy Metal hat es halt nur noch nicht in den breiten Kanon geschafft.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon tobi flintstone » 18. Juni 2011, 11:36

GordonOverkill hat geschrieben:Mir geht es bei Musik grundsätzlich und bei Metal im Speziellen vor allem darum, bestimmte Gefühle zu erregen, Erfahrungen zu ermöglichen und zu verarbeiten, sich lebendig zu fühlen.


Das ist in meinen Augen genau das, was Kunst tun soll!
Zuletzt geändert von tobi flintstone am 18. Juni 2011, 11:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon Cromwell » 18. Juni 2011, 11:42

Goatstorm hat geschrieben:
GordonOverkill hat geschrieben:@Goatstorm:

Ich glaub immer noch nicht, dass wir dem Metal mit dem Kunst-Begriff einen Gefallen tun. Zumindest deckt es sich nur sehr bedingt mit dem, was es für mich bedeutet. Für mich hat ein Konzert oder ein gutes Album viel mehr von dem, was ich mir unter den dionysischen Kulten im alten Griechenland oder unter ritueller Musik bei Naturvölkern vorstelle. Mir geht es bei Musik grundsätzlich und bei Metal im Speziellen vor allem darum, bestimmte Gefühle zu erregen, Erfahrungen zu ermöglichen und zu verarbeiten, sich lebendig zu fühlen... ob das Ganze dann künstlerisch wertvoll ist oder nicht, geht mir im Grunde vollkommen am Arsch vorbei.


Das ist aber dann reine Ideologie, weil Du mit Kunst automatisch ein bürgerliches "hohes" Kunstideal verknüpft, mit dem Du Dich nicht identifizieren willst. Heavy Metal entsteht nun mal nicht als kollektive Äußerung primitiver Völker, sondern ist das Ergebnis eines gezielten Produktionsprozesses, der von Experten eingeleitet und auf bestimmte Ziele, v.a. kommerzieller Erfolg, hin gesteuert wird. Dass jemand rauschartig in der Musik versinken kann, ist dabei unerheblich. Man kann auch vor Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer" meditativ wegdämmern. Heavy Metal ist dabei genauso "wertvoll" wie der Impressionismus oder die Zwölftonmusik auch. Heavy Metal hat es halt nur noch nicht in den breiten Kanon geschafft.


Exakt. In vielen Fällen wird hinter der Bezeichnung "Kunst" ein Werturteil vermutet, weil "Kunst" in den Medien am liebsten gesagt wird, wenn gerade Barockschlösser zu Cembalomusik eingeblendet werden, obwohl der Begriff eigentlich nur Entstehungsprozess und angedachte Wirkrichtung eines Werks charakterisiert.
Von Gordon: "bestimmte Gefühle zu erregen, Erfahrungen zu ermöglichen und zu verarbeiten"...genau das ist (ein mögliches) Ziel eines Künstlers, oder? Wenn wir Leute mit diesen Absichten von dem Kunstbetrieb abtrennen, wer bleibt dann übrig? Zynische Pfuscher, die Farbe auf Leinwände klatschen, weil sie nichts anderes gelernt haben?
Und schon wieder geh'n wir zum Chinesen.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon Goatstorm » 18. Juni 2011, 11:44

Cromwell hat geschrieben: Zynische Pfuscher, die Farbe auf Leinwände klatschen, weil sie nichts anderes gelernt haben?


Ja, möchte man heute tatsächlich oft meinen...
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon GordonOverkill » 18. Juni 2011, 11:57

@Goatstorm:

Das ist aber dann reine Ideologie, weil Du mit Kunst automatisch ein bürgerliches "hohes" Kunstideal verknüpft, mit dem Du Dich nicht identifizieren willst. Heavy Metal entsteht nun mal nicht als kollektive Äußerung primitiver Völker, sondern ist das Ergebnis eines gezielten Produktionsprozesses, der von Experten eingeleitet und auf bestimmte Ziele, v.a. kommerzieller Erfolg, hin gesteuert wird. Dass jemand rauschartig in der Musik versinken kann, ist dabei unerheblich. Man kann auch vor Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer" meditativ wegdämmern. Heavy Metal ist dabei genauso "wertvoll" wie der Impressionismus oder die Zwölftonmusik auch. Heavy Metal hat es halt nur noch nicht in den breiten Kanon geschafft.


Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich mir unter einer kollektiven Äußerung primitiver Völker vorstellen soll. Dass die einfach spontan anfangen zu singen und zu trommeln, ohne irgendwie darüber nachzudenken? Glaub ich eher nicht, denn sonst würde das ganze viel chaotischer klingen, als es tatsächlich klingt. Die werden sich sicherlich auch ihre Gedanken darüber machen, wie das, was sie ausdrücken wollen, am besten auszudrücken ist.
Das mir die Unterscheidung von "hoher Kunst" und "trivialer Unterhaltung" zuwider ist, können wir mal dahingestellt lassen. Was ich meine, ist, dass Metal meinetwegen gerne Kunst sein darf; meinetwegen auch nach der Definition, die du hier benutzt, also als das Ergebnis eines zielgerichteten Produktionsprozesses durch Experten. Für die Weise, wie ich Metal wahrnehme, ist das allerdings vollkommen irrelevant. Wenn ich mir ein Album anhöre, dann sag ich mir nicht "Oh, wie schön die Band hier auf kommerziellen Erfolg abgezielt hat!" oder "Ah, hier ist der Produktionsprozess im Studio aber gut gelungen!" Tatsächlich kommt es sogar nur sehr selten vor, dass ich mir sage "Ai, bei dem, was ich hier höre, müssen wirklich Experten am Werk gewesen sein!". Die Art, wie mir das Phänomen Metal erscheint, hat mit diesen Faktoren nur ganz wenig zu tun. Es gibt Musik, die von Dilletanten im schlimmsten Drogenrausch eingespielt wurde - also ganz sicher nicht zielgerichtet - und die in mir ähnliches bewirkt wie Musik, die von Virtuosen mit einer glasklaren Vorstellung stammt. Der Metal wird auch nicht besser oder schlechter werden, wenn und falls er es irgendwann einmal in irgendeinen Kanon allgemein akzeptierter Kulturgüter schaffen sollte. Zu den Leuten, die deshalb ein anderes Bild von ihm haben werden, gehöre ich definitiv nicht, und deswegen interessiert es mich auch nicht. Kurzum, dass jemand rauschartig in der Musik versinken kann, ist aus subjektiver Sicht das einzig erhebliche; und die subjektive Sicht wiederum ist ebenfalls die einzig erhebliche, denn eine andere haben wir nicht.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon StormOfSteel1 » 18. Juni 2011, 18:58

Wenn alles gesagt wäre bräuchte keine neue CD mehr zu erscheinen, neue Bands sich zu gründen etc. :-X/2

Wenn ich ein Album gut finde, finde ich es "nur" gut. Das macht es weder zum Klassiker für mich, noch für die Szene. In diesem Sinne sind für mich in den letzen Jahren recht wenige Klassiker erschienen, dafür sehr viele gute und sehr gute Alben. Das darunter auch Re-Release sind tut dem keinen Abbruch.

Das Leute bestimmte Genres nicht mögen halte ich für mehr als legitim. Ich kann Black-Metal zu 99,8 % nichts abgewinnen, dennoch haben Bands wie Immortal, Emperor oder COF Klassiker veröffentlicht.

Fazit für mich: Trotz Klassikermangel freue ich mich auf die nächsten Jahre Metalgeschichte :yeah:
Schließt den GeileWeiber Thread. Das ist die Schönste im ganzen Land

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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon Raf Blutaxt » 18. Juni 2011, 19:28

StormOfSteel1 hat geschrieben:Wenn alles gesagt wäre bräuchte keine neue CD mehr zu erscheinen, neue Bands sich zu gründen etc. :-X/2


In dem Thread, den Prof vor ein paar Tagen aufgemacht hatte, ging es ja genau darum und da haben sehr viele Leute gesagt, dass sie das überhaupt nicht stören würde, was mich ja erst auf diese Frage gebracht hat.

Ich für meinen Teil freue mich über neue Veröffentlichungen und neue Bands und denke, dass sie wichtig für den Metal sind. Ich finde es halt aber auch bedenklich, wenn eine große Gruppe von Leuten sagt, sie bräuchten das alles nicht wirklich.
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Re: Ist im Heavy Metal schon alles gesagt?

Beitragvon Hugin » 19. Juni 2011, 00:03

tobi flintstone hat geschrieben:
GordonOverkill hat geschrieben:Mir geht es bei Musik grundsätzlich und bei Metal im Speziellen vor allem darum, bestimmte Gefühle zu erregen, Erfahrungen zu ermöglichen und zu verarbeiten, sich lebendig zu fühlen.

Das ist in meinen Augen genau das, was Kunst tun soll!

Wo darf ich unterschreiben? Genau das ist es, was Kunst letztlich ausmacht. Dass der Künstler sich ausdrückt und das Auditorium dies aufsaugt, miterlebt und für sich interpretiert. Mehr Kunst kann Kunst nicht sein.
"It takes a thousand fans from any other band to make one Manowarrior!"
- Sir Dr. Joey DeMaio, 2012

Primitivsoundkunst: http://www.morbid-alcoholica.com/

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