Siebi hat geschrieben:Bei Kubis Hauspostille wurde die Scheibe SC-Dritter, Kubi und Hugin jeweils mit 9,0, huia, da wäre ich meilenweit weg von. Eine bescheinigte Neusausrichtung oder Abkehr vom unmittelbaren Quark vor "Dedicated To Chaos" erkenne ich nicht. Zwotens frage ich mich, wo der große Unterschied zu Tates Scheibe ist, die nahezu alle rundmachen.
Es ist wohl so, dass die positive Einschätzung bei mir einfach eine relativ spontan verursachte Euphoriegeschichte ist. Beim Hören der Scheibe habe ich einfach genau das wiedergefunden, was für mich die Klasse des Gigs beim RHF ausgemacht hat: Die tolle Stimme, der etwas gläserne Klang, der meiner Vorstellung von "progressive Metal" (im generischen Sinne) ganz gut entspricht, und eine Rückkehr zu einer eher metallischen Ästhetik, welche der Band bei den letzten Gigs und Alben mit Tate nahezu komplett abging.
Diese Identifikation des Albums mit dem Konzerterlebnis hat sehr dabei geholfen, die Songs mit der Aufmerksamkeit anzuhören, die sie vielleicht brauchten, um auf offene Ohren zu stoßen. Außerdem spielt sicher auch eine Rolle, dass ich bei aller Anerkennung jetzt niemals ein begeisterter Anhänger der alten Queensryche war und damit weder Geoff Tate als Sänger noch "Operation: Mindcrime" irgendwie eine größere persönliche Bedeutung für mich hätten, gegen die es für ein neues Line-up mit neuem Album besonders schwer wäre anzukommen.
Was den Unterschied zwischen der Neuen mit Tate und der Neuen mit LaTorre angeht, finde ich auch nicht, dass qualitativ Welten dazwischen lägen. Die Tate war viel besser, als ich das nach all dem Theater erwartet hätte. Dubiose Charakterzüge eines Musikers nehmen mich bekanntlich auch nie negativ gegen die Musik ein, so dass dies sicher auch kein Grund ist, die Scheibe schlecht(er) zu finden. Im Gegenteil: Mit mehr Muße zum Schönhören, wäre ich bei Tate wohl auch besser klar gekommen, aber sie ist in keinem Fall schlechter als die beiden Vorgänger.
Warum also ein doch beträchtlicher Unterschied in der "Wertung"? Nun, ich denke das ist so einfach wie vorhersehbar: Wo Tateryche nach wie vor etwas alternativer und modern-rockiger orientiert ist, da habe ich bei Toddryche einfach das Gefühl, dass bewusst eine klassischere, metallischere Ästhetik gewählt wird. Das zeigt sich in der Wahl des Gesangsstils, im Artwork, im Songwriting und im Auftreten (live). Tate will nicht als Metaller wahrgenommen werden, sondern als zeitgemäßer Rockstar, während sich die andere Bande mit dem neuen Album eben wieder bewusst an die eigene Achtziger- und Frühneunziger-Ästhetik anlehnt und darauf abzielt, wieder primär ein Metalpublikum anzusprechen.
Ob das aufrichtig oder kalkuliert ist, ob das fadenscheinig ist, zwanzig Jahre lang Tates Antimetal-Attitüde mitzuspielen, um jetzt wieder "true" zu sein und alles Vergangene auf Tate zu schieben, das ist mir in dem Fall herzlich egal. Die Scheibe will ein Metalpublikum mit einer Schwäche für großartige Sänger ansprechen, genau zu der Zielgruppe gehöre ich, und der Versuch ist gelungen. Ob es der Band ohne den genialen Liveauftritt gelungen wäre, weiß ich nicht. Vermutlich wäre es schwerer geworden, aber es ist, wie es ist, und Konzerte sind ja dazu da, den Boden für die Alben zu bereiten.