von TWOS » 25. März 2020, 13:14
Die SchlieĂźung des beliebten Oscar Hotels liegt allerdings nicht an trendigen Viren, sondern am alten Virus der Verschuldung und Insolvenz; eine Bank hat es kurzfristig kassiert.
Ein Abwarten mit dem Ersatztermin scheint mir sinnvoll; auch hier hoffe ich auf eine Verschiebung um ein Jahr.
Die Tage in Athen waren wirklich eine Erfahrung, auf die man gern verzichtet hätte.
Zuvor war ich noch unbekümmert in selbstgewählter Isolation in den spätwinterlichen Bergen von Epiros und auf den frühlingshaften, noch vereinsamten Kykladen unterwegs und habe von dem ganzen Trubel nichts mitbekommen, bis am Mittwochabend auf der Insel Amorgos ein Dorfjunge aufgereget zu mir kam und meinte, dass seine Schule jetzt geschlossen hätte. In der Nacht gab es dann einen Alarm der Regierung aufs Handy. Als ich am nächsten Morgen am Fähranleger stand und auf das Schiff nach Piräus wartete, kam die Absage des Festivals.
Wir haben dann in der täglich kleiner werdenden Runde das beste aus der Situation gemacht. Am Donnerstag stieg noch eine Party im offiziellen Aftershow-Club und es war viel los. Vorher gab es kurz Aufregung, weil es hieß, SCALD würden noch einen Notgig spielen und alle sind in Taxis gesprungen und zu einer Adresse im entfernten Kallithea gefahren. Vor Ort fand sich eine große Traube Menschen auf der Straße und es stellte sich heraus, dass die Location der Proberaum/Studio von Nik Papakostas & Co war, in den außer den Musikern ca. fünf Leute passen und der somit bereits mit SMOULDER ausgefüllt war.
Am Freitag haben wir in kleiner Runde beim Nektarios gefrühstückt (mit allem, was dazu gehört) und sind anschließend in die undergroundigste Taverne getigert, die man sich vorstellen kann. Im Keller eines Abbruchhauses hinter der quirligen Markthalle wird neben riesigen Holzfässern nichts anderes als Retsina ausgeschenkt (wer Wasser will, muss selbst zum Hahn an der Wand gehen) und an Essen bekommt man ungefragt die gesamte nicht-vorhandene Karte auf den Tisch gestellt: Fava, frisch gebratene Sardinen, weiße Bohnen, Kartoffeln in Tomatensud und eine Schüssel Salat. Urig as fuck.
Ab Samstag wurden die Betätigungsmöglichkeiten weitgehend eingestellt: Museen und alle Restautants bis auf Takeaway wurden geschlossen und somit fiel der obligatorische Besuch bei I Kriti aus.
Nach neuen Anordnungen haben auch die Leute vom Exarchion-Hotel in Panik die Sitzgelegenheiten mit ihren obligatorischen Trinkrunden verbannt. Wir wurden aber zumindest eine Zeit noch auf der Dachterrassee geduldet.
Zum Glück war auch Greg da und hat uns im Eat Metal-Shop Tagesasyl gewährt, sodass es nicht an Musik und Bier mangeln musste.
Am Montag konnte ich zum GlĂĽck nochmal beim besten Imbiss der Stadt, "Giorgos-Manos" auf der Themistokleous, Kontosouvli hamstern.
Außer einer neuen Polizeieinheit, die sich mit den Drogenhändlern und anderen polizeikritischen Bevölkerungsteilen in Exarchia ein tägliches Katz- und Mausspiel geliefert hat, war das Viertel zunehmend ruhig. Wirklich beängstigend war es jedoch, in das touristische Zentrum zu gehen. Agora, Plaka, Akropolis waren nachmittags bei bestem Frühjahrswetter völlig verwaist, alles verschlossen und die Geschäfte verbarrikadiert - nur Streunerkatzen, Obdachlose und ein paar Straßenmusiker waren noch da - und litten alle gleich unter ausbleibenden Touristenspenden. Nach 17 Jahren Athen-Reisen ein schockierendes Bild.
Unter diesen Umständen war es beinahe befreiend, am Dienstag (vorzeitig) aus Griechenland abzureisen.
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TWOS am 26. März 2020, 14:16, insgesamt 1-mal geändert.
“Amarth vĂn teithannen: magol a amath, men ennin gwanno bo dagorlad.”
"When the men from Yamna came, riding from the Eastern plains..."