Rush: 2112

"2112", das 1976 erschienene vierte Album der "Canadian Gods" ist ein riesiger Meilenstein, welcher die Brücke zwischen dem sich mittlerweile ins Nirwana gedrogten Progressive Rock der Siebziger (Pink Floyd, Hawkwind, Can etc.pp) und der aufkeimenden Hard'n'Heavy-Szene mit so illustren Gestalten wie Rainbow, Led Zeppelin, Deep Purple oder Black Sabbath baute. Somit könnte man "2112" als Wurzel des Prog-Metal bezeichnen, was stellenweise sicher auch alles andere als falsch ist.

Das Album beginnt mit dem 23minütigen Titeltrack, der für mich einer der wenigen Longtracks ist, die nicht langweilig werden. Es wird direkt gerockt, was das Zeug hält. Peart macht seinem Titel als Drum-Guru alle Ehre, so viele exakt gespielte und unglaubliche Drumfills hört man selten auf einen Schlag. Der zweite Part des Longtracks, "II.: The Temples Of Syrinx" handelt von den Syrinx, einer Art Religion/Sekte in der Zukunft. Der Longtrack hält die Qualität auch über die restlichen 5 Parts und ist somit wesentlich besser als die beiden Mammutkompositionen des Vorgängers "Carress Of Steel" (siehe mein Review). „III.:Discovery“ ist beschwingt und hat einen genialen Text. „IV.: Presentation“ greift die leichte Melancholie von "II.: The Temples Of Syrinx" auf (mit Gänsehautgarantie!), während „V.:Oracle: The Dream“ und „VI.:Soliloquy“ (obergeniales Solo!) die Spannung mit göttlichen Momenten behutsam steigern, welche in Part VII, dem „Grand Finale“ obergenial explodiert. Instrumentale Beherrschung auf aller-aller-aller-aller-höchstem Niveau! Unglaublich!

Dieses Opus kommt natürlich nur in seiner Gänze richtig an, aber dann auch RICHTIG!!. Extravaganter Track, einer der besten Longtracks ever, und JA, das sage ich in Bedacht von "Shine On You Crazy Diamond" oder "Roundabout", welche natürlich auch beide mit Gott Poker spielen.

So, Schweiß abgewischt, Flasche Wasser getrunken, es kann weitergehen: "A Passage Bangkok" ... holy shit! Ultraintensives Riff, das man wochenlang nicht aus den Ohren kriegt, toller Refrain, da stimmt einfach alles. Nur der Text ist halt eben eine kleine Hommage an das Kraut, das schon so viele Prog-Masterminds zum Fliegen brachte...

Die nächsten 3 Tracks "Twilight Zone", "Lessons" und "Tears" sind alle relativ unspektakulär, haben aber alle ihre Qualität. Besonders "Twilight Zone" ist cool, mit supertollem, gefühlvollem Solo von Alex Lifeson, Pink-Floyd-Style. "Lessons" ist ein beschwingtes, chilliges Lied, welches sehr an den Vorgänger "Carress Of Steel" erinnert. "Tears" ist eine Ballade, die eigentlich spurlos an mir vorbeigangen ist. Beide Songs höre ich mir ehrlich gesagt so gut wie nie an. Der Rausschmeißer "Something For Nothing" weist dann nochmal einen geilen Refrain und ein tolles Mainriff auf. Kann soweit überzeugen.

Somit wären wir durch. Sehr cooles Album mit zwei Gottsongs, die den Rest im Schatten ihrer Genialität erblassen lassen. Aber bei genauerem Hinsehen merkt man, daß an dem Album kein Ton schlecht ist. Ergo: Buy it!

© 2005, Tim Nagel