DUTCH STEEL INVASION
Mit
VORTEX (Hol)
POWERVICE (Hol)
ASH
INHERITANCE (Ger)
Das
war sie nun, die Dutch Steel Invasion. Mit den Veteranen
Vortex und den Newcomern
Powervice haben die Veranstalter
ein waschechtes Metal-Generationstreffen in die heimliche Hauptstadt Frankens
geholt. Und, heilige Fledermaus – soviel sei vorweggenommen – würden die
Holländer genauso Fußball spielen, wie sie reinen, schweißtreibenden
Heavy fucking Metal zocken: die Europameisterschaft wäre ihnen vergönnt. Das
teils überraschend junge, restlos begeisterte Publikum in der mit 170
Besuchern völlig ausverkauften Kofferfabrik an der Stadtgrenze Fürth/Nürnberg
dürfte dies ähnlich sehen.
Zunächst scheint die
Veranstaltung unter keinem guten Stern zu stehen. Während die Nürnberger
Prügelhoffnung Ash Inheritance
bereits die Keule über den Köpfen der Besucher kreisen lässt, steht die zweite
Vorgruppe Powervice noch vor
Nürnberg im Stau – und mit ihnen die komplette Backline. Umso erstaunlicher,
in welch starkem Sound der dynamische Thrash der Nürnberger aus den Boxen der
notdürftig zusammengezimmerten Ersatz-Anlage bläst. Das Publikum weiß den
souveränen Auftritt der Franken entsprechend zu honorieren und geht
überraschend steil ab.
Gerade zu den letzten Klängen
von Ash Inheritance trudeln just
in time Powervice ein.
Verstärkertops ausgetauscht, Flying V eingestöpselt und los geht eine
fulminante Show, die das Publikum von der ersten bis zur letzten Note völlig
austicken lässt. Mit einem potentiellen Klassiker wie „Behold the Hand of
Glory“ als Opener kann man auf keiner Bühne der Welt was falsch machen.
Twin Guitars galore, göttliche Bassläufe, dazu die Hammerstimme von
Rogier Stockbroeks. Es dauert ein wenig, bis der
Mischer die filigranen zweistimmigen Gitarren des kongenialen Doubles
Selim Lemouchi und Will Verbuyst im Griff hat, aber
spätestens beim zweiten Titel „Nightstalker“ steht die Soundwand, auf die
Robbie Williams-Double Rogier immer wieder seine punktgenauen Screams
pflastert.
Weiter geht’s mit der noch
unveröffentlichten Nummer, ähem… „Cocksmoker“, die genau in dieselbe
fulminante Thin Lizzy meets early Maiden-Kerbe schlägt und zweifellos zu den
Highlights des hoffentlich bald erscheinenden ersten Longplayers der
blutjungen Holländer zählen wird. Danach wird den Urvätern des schweren Metall
Tribut gezollt: „Die young“, eines der schnellsten Sabbath-Stücke, gerät zu
einem Parforceritt mit irrwitzigen Gitarrenduellen und einer ohne
Einschränkungen Dio-würdigen rauen Gesangsleistung von Rogier. Hammer!

Nicht nur beim Publikum
brannten darauf die Sicherungen durch. Es wurde finster. Stockfinster.
Stromausfall. Der Stimmung tat dies wider Erwartung keinen Abbruch. Kurzerhand
wurde „Fear of the dark“ angestimmt, bevor es nach einer halben Stunde wieder
Licht wurde.
„The end is coming“ ist neben
„Behold the hand of glory“ der Höhepunkt auf dem Demo der Holländer. Auch auf
der Bühne geriet der satte Headbanger in früher Maiden-Manier zum reinen
Triumphzug. Das erstaunlich textsichere Publikum unterstützte Rogier
sangeskräftig beim Refrain, bevor die Band nach einer irren Energieleistung
und der energisch geforderten Zugabe „Behold the Hand of Glory“ (zum zweiten
Mal) völlig ausgepowert von der Bühne ging. Ganz, ganz groß! Wenn diese Band
in den nächsten Jahren nicht völlig abräumt, läuft wieder mal mächtig was
falsch in unserer geliebten Szene.

Danach die spannende Frage.
Werden Vortex diesen Sturmlauf
noch toppen können oder wird das Publikum Zeuge einer Wachablösung im
holländischen Metal? Der ruppige Metal der niederländischen Veteranen mag –
gepaart mit der, nun ja, extravaganten Bühnenshow – womöglich befremdlich auf
das teils recht junge Publikum wirken. Sänger Jurjen tigerte bereits seit zwei
Stunden in voller Kriegsbemalung unablässig um den Tisch im Backstagebereich,
während sich der Rest der Band seit Nachmittag mit mehreren Pullen Jakob
Daniels amüsierte. Rock’n’Roll pur. Vor allem Gitarrist und Sympathiebolzen
Martjo ist mit blonder Matte, Patronengurt und Spandexhosen der nietenbewehrte
Beweis, dass man auch nach 27 Jahren Bühnenerfahrung den Heavy Metal noch
leben kann. Schönen Gruß in Richtung Metallica und Konsorten…

Vor einem genialen
Fledermaus-Backdrop entert die Band die Bühne und legt nach einer kurzen
Begrüßung durch Martjo mit „Gotta get away“ von der kultigen 1985er Metal Bats
EP stark los. Flotter Vierviertel-Takt, packender Refrain, Spielfreude pur.
Nachdem sich der erste Eindruck von Jurjens Geisterbahn-Kostüm und
Proto-Corpsepaint gesetzt hat, beginnen die ersten Köpfe im Publikum sich zu
bewegen. Schnell wird klar, dass VORTEX keineswegs vorhaben, ihren jüngeren
Landsmännern die Lorbeeren des Abends kampflos zu überlassen.

Mit „Hammer of the North“ vom
gleichnamigen bärenstarken 2002er Comeback untermauert die 50er Herrenrunde
ihren Anspruch gleich mit einem weiteren satten Pfund und fetter Lautstärke.
Die Headbanger vor der kleinen Bühne nehmen’s dankbar auf und gröhlen lauthals
mit. Klar, VORTEX sind keine Filigrantechniker wie Powervice und Jurjen kann
von Rogiers Stimmlage nur träumen, aber gegen den unbändigen Rhythmus von
Stampfern wie „Welcome to Metalland“ und die debil-komischen Ansagen des so
gar nicht in Würde ergrauten Fronters (Kostprobe: „we don’t call the name of
the next song…. because…. ähhh…it’s too dangerous“) ist kein Kraut gewachsen.
Purer Heavy Metal von echten Männern für echte Männer (und eine Handvoll
echter Frauen…). Da macht’s auch wenig aus, dass der Sound inzwischen wieder
ein wenig schlechter wird.
Mit „Open the Gate“ liefert
man einen ersten Höhepunkt und animiert das Publikum zu feinen
Mitsingspielchen. Dann wurd’s gar schauerlich: „I can win with witches
heeeeeeeeeeeeeeelp!!!!!!!!“ In einer grenzwertigen Zombiemaske und schwarzem
lädierten Umhang streift Martjo über die Bühne, während Bassist Harry, der
sich offensichtlich gut in der Band eingelebt hat, kleine Feuerfontänen an die
erste Reihe verteilt. Richtig unheimlich ist das ganze natürlich nicht, aber
eine Fetzengaudi isses allemal. Klare Sache, die Zugabe, die das Publikum
lauthals fordert, haben sich die fünf redlich verdient. Up the Metal Bats!

Was bleibt ist ein verdammt
geiler Konzertabend und die Erkenntnis, dass VORTEX den Energiepegel von
POWERVICE zwar nicht mehr toppen konnten, aber sich mehr als achtbar aus der
Affäre gezogen haben. Die Sieger des Abends waren POWERVICE,
die aus dem Stau kamen, sahen und siegten. Die Generalprobe für’s Keep it True
war mehr als gelungen. Der völlig leergeräumte Merchandisingstand sprach
Bände.
Positiv zu erwähnen ist auch
das phantastische Fürther Publikum, das von den ersten Tönen der guten Opener
ASH INHERITANCE bis zur letzten Zugabe von Vortex derbst abging. Kompliment an
die Veranstalter. Die Operation „metallische Taufe“ der Kofferfabrik ist
geglückt. Hoffentlich bis auf bald!
(c) 2006, Manuel Trummer