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Wacken Open Air 2000

Wacken 2000 begann erst mal mit einem Super-GAU der Extraklasse: Nach dem Ausfall fast der kompletten Thrash-Fraktion fiel es auch noch den Headlinern Thin Lizzy einen Tag vor Beginn des Festivals ein, daß man ja eigentlich überhaupt keine Lust hatte zu spielen. Kommentar spare ich mir. Dee Snider hatte zwar vom letzten Jahr her noch was gutzumachen beim Wacken-Team, zumindest für mich war die Mucke von Twisted Sister bis auf ein, zwei Songs nie besonders herausragend erschienen. Da ich auch Doro und Venom nur sehr bedingt was abgewinnen kann, ende ich meinen Bericht vom Samstag einfach mal mit den Göttern von Demon...danach konnte eh nichts Gleichwertiges mehr folgen. (Außerdem schreibe ich nur über Bands, deren Auftritt ich einigermaßen komplett mitgekriegt habe.)

Los ging das beste Wochenende des Jahres bereits am Donnerstag mit der geilsten Southern-Kapelle des Erdballs: Molly Hatchet. Die Truppe um Gitarrist Bobby Ingram enttäuschte dann erwartungsgemäß auch nicht und konnte vor allem mit dem wesentlich härteren Material der überragenden letzten zwei Alben überzeugen; gerade dann, wenn die Band zu diesen endlos anmutenden Gitarren-Duellen mit besten ZZ Top-Synchron-Posing ansetzte, wurde es verstärkt magisch. Highlights: natürlich die Göttergaben "Saddle Tramp", "The Journey" und der All-time-Hit "Fall Of The Peacemakers", für die Hatchet irgendwann mal heilig gesprochen werden sollten. Aber auch straighterer Kram wie "Beatin' The Odds" oder das Allman Brothers-Remake "Dreams I'll Never See" werden immer wieder gerne gehört. Ein voller Erfolg also, und das Wacken hatte erst richtig begonnen.

Freitags war's dann erst mal Zeit, zum Konzert der neuen deutschen Power-Hoffnung Dark At Dawn zur Party-Stage zu stapfen (wo ich dann auch erstmals die SACRED METAL-Kollegen Michael und Oliver zu Gesicht bekam). Deren offizielles Debüt "Baneful Skies" ist ohne Übertreibungen das Stimmungsvollste und Originellste, was die sonst stark auf Melodic Speed und Stampf-Metal fixierte deutsche Szene heutzutage zu bieten hat. So machte es die engagiert auftretende Newcomer-Truppe mir auch nicht schwer, ihren die meisten Album-Höhepunkte beinhaltenden Set mächtig abzufeiern - und ein großer Teil des Publikums schien meine Ansicht zu teilen und zeigte sich bei Songs wie dem Titeltrack, dem genialen Chris DeBurgh-Cover "Don't Pay The Ferryman" oder dem Skyclad-mäßigen "Silva Mea" erstaunlich textsicher. Diese Band wird groß!

Dann erst mal 'ne kurze Pause zwecks Essen eingelegt, war ich erst zu Savage wieder auf dem Gelände. Kurz und kanpp, diese Band hatte das Problem, daß sich kaum jemand für ihre Show interessierte (wohl auch angesichts der parallel ablaufenden Feuer-und-Titten-Show von Umbra Et Imago auf der Black Stage); aber das Feuer, das Savage einst auf dem grandiosen "Loose'n'Lethal"-Erstling entfachten, ist leider schon lange auf ein überschaubares Flämmchen zusammengeschrumpft. Der grundehrliche Riff-Rock der Briten wirkte größtenteils völlig unspektakulär, und der Klassenunterschied wurde noch viel deutlicher, als Savage zum Abschluß ihren alten Megahit "Let It Loose" anstimmten und damit einige vorher gelangweilt rumstehende Metalheads vor die Bühne locken konnten.

Wie man's auch machen kann, zeigten darauf auf der Hauptbühne ihre alten Weggefährten von Angel Witch, die trotz eines eher durchwachsenen, aber authentischen Sounds einen frühen Hammersong nach dem anderen in die begeisterte Menge schleuderten. "Atlantis" (Opener), "Confused", "White Witch", "Angel Of Death", sogar an den "Metal For Muthas"-Samplerbeitrag "Baphomet" hatte man gedacht. Einen neuen, recht vielversprechenden Song (dessen Titel ich schon wieder verpennt habe...) gab's auch - mal sehen, was die Zukunft für Angel Witch noch bringt. An diesem Nachmittag jedenfalls hatten Kevin Heybourne & Co. jedenfalls spätestens dann gewonnen, als die Überhymne "Angel Witch" den fantastischen Retro-Trip beschloß und Tausende Headbanger begeistert singend zurückließ.

Rhapsody live - wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Zum einen gab's Einspielungen vom Band, bis der Arzt kam, zum anderen ging der eigentliche Sound der Band in ziemlich drucklosem Soundbrei unter. Lediglich Sänger Fabio Lione ragte aus alldem etwas heraus, alles in allem würde ich der Musik von Rhapsody aber das Prädikat "live-untauglich" verleihen. Nebenbei wirkte die Truppe auch alles andere als Fan-nah oder kommunikativ. Was soll's, die zahlreichen Fans feierten die Italiener trotzdem ab. Das ist halt Wacken...

...und mit Grim Reaper folgte ja schon die nächste Station. Naja, "Steve Grimmett" wäre wohl ehrlicher gewesen, ist doch keiner der ehemaligen Bandmitglieder mehr in der 2000er Ausgabe seiner Band vertreten. Der größte Grim Reaper-Experte war ich noch nie (einen Auftritt von Steves späterer Oberklasse-KapelleLionsheart hätte ich sogar entschieden bevorzugt), aber immerhin spielten Grim Reaper ihre zwei bekanntesten Hits, "See You In Hell" und "Rock You To Hell", die ordentlich für Stimmung vor der WET-Stage sorgten. Letzterer Song wurde als Zugabe sogar ein zweites Mal intoniert, da Steve & Co. offensichtlich nix mehr eingeprobt hatten. Unterhaltsam war's aber doch irgendwie - gerade, weil ich fest an das Garfield-Motto "wenn du dünner aussehen willst - umgib dich mit Dicken" glaube.;-)

Auf zur Party Stage und Pink Cream 69 - auf zum absoluten Highlight des Abends! Die international besetzten Hard Rock-Könige feuerten Hit auf Hit ab und wurden als logische Konsequenz vom Publikum zu immer neuen Glanztaten angefeuert - ganz egal, ob diese aus den Deris-Jahren ("Talk To The Moon", "Do You Like It Like That") oder von den neueren Platten mit dem exzellenten englischen Frontmann David Readman ("Lost In Illusions", "The Spirit", "Speed Of Light") stammten. Zu Recht, wie ich finde, und abermals stellt sich mir die Frage, warum die arg konservativ eingestellte Hard Rock-Szene nicht mal 'ne (relativ) neue Band wie Pink Cream 69 zu Millionensellern macht, anstatt auf das x-te Van Halen-Comeback zu warten oder die akustischen Zumutungen der Ex-Rocker und Expo-Kings von den Scorpions bis weit über das Rentenalter hinaus zu vergolden. Denn verdient hätten sie's allemal - und als PC 69 ihren Set mit meinen zwei absoluten Fave-Songs beendeten, namentlich die überragende Anti-Nazi-Hymne "Keep Your Eye On The Twisted" sowie das Ozzy-lastige "Seas Of Madness" vom letzten Meisterstück "Sonic Dynamite", stand mein persönlicher Tagessieger eh fest.

Allerdings machten es Praying Mantis den Pinkies im Anschluß daran nicht leicht, die Pole Position für sich zu behalten. Die britischen Melodic-Rocker, die sich in den letzten Jahren arg auf Japan konzentriert hatten und ihr letztes, überragendes Album "Forever In Time" bis heute nicht hierzulande veröffentlicht bekommen haben, zeigten sich in bester Spiellaune, wodurch sie das Wacken-Publikum recht schnell auf ihre Seite ziehen konnten. Kein Wunder auch bei AOR / Hard Rock-Perlen wie dem Titeltrack des "A Cry For A New World"-Albums, "Turn The Tables", dem mächtig melodischen "Best Years" oder dem gigantischen Epos "Children Of The Earth". Während "Rise Up Again" wurde auch der Queen-Klassiker "We Will Rock You" als Mitsingpart eingebaut, nachdem Sänger Tony O'Hora feststellen mußte, daß es bei den eigenen Songs doch erhebliche Textschwierigkeiten im Auditorium zu verzeichnen gab. Kein Wunder, wenn man die Scheiben hierzulande nur als Import in die Finger bekommt - für das neue Album "Nowhere To Hide" sollte sich diese Situation schleunigst ändern. Vermißt habe ich höchstens die fantastische Ballade "Lovers To The Grave" (in meiner Weichspüler-Top 10 einer der vorderen Plätze), ansonsten gab's auch hier ganz und gar nichts zu meckern.

Armored Saint hatte ich jetzt natürlich verpaßt, da mußte der US-Metal wenigstens noch mit 'ner ordentlichen Dosis Iced Earth zu seinem Recht kommen. Die Jungs zockten denn auch einen soliden Gig herunter, der mit zwei Covers (Sabbaths "Electric Funeral" sowie Maidens "The Trooper") auch zwei handfeste Überraschungen beinhaltete. Die waren auch bitter nötig, denn bei aller Klasse dieser Band wird jetzt doch langsam ein neues Album überfällig - die ansonsten gebotene Mischung der gängigsten IE-Hits hab' ich in den letzten Jahren einfach zu oft gesehen. Objektiv gesehen war's aber ein recht guter Auftritt der Band, auch wenn zumindest weiter hinten wenig von der üblichen Gitarrenpower zu spüren war. Und wo war eigentlich der "Stormrider" abgeblieben? (Ein großes Kompliment muß an John "Trooper" Schaffer gehen, der sich trotz mittelschwerer Verletzung nicht auswechseln ließ, sondern im Gegensatz zu Scheiß-Millionären wie Thin Lizzy über die volle Distanz durchhielt. This guy is METAL!)

Sonntag morgen. Wacken. Die Frisur sitzt. Freedom Call. Mal im Ernst, die Formation um Klasse-Kiske-Kopist Chris Bay und Dan Zimmermann, dem Drummer von Kai Hansens Strahlemännern (die ich mir am Abend vorher geschenkt habe) entschädigten für viel, was mich bei Rhapsody richtig enttäuscht hatte. Das hier war definitiv live-tauglicher, keyboardlastiger Speed-Metal vom Feinsten, der in Wacken auch zu dieser frühen Stunde schon viele offene Ohren fand. Mein persönlicher Album-Fave "Another Day" wurde zwar nicht gespielt, aber sonst waren alle Highlights der "Stairway To Fairyland" vertreten und einen neuen, abermals ziemlich poppigen Song ("Farewell") gab's auch zu bestaunen. Prima Gute-Laune-Metal zum Wachwerden!

Ex-Iron Maiden-Sänger Blaze Bayley dürfte an diesem Tag manch einen Zweifler bekehrt haben. Jedenfalls wurde wirklich ALLES, was der Mann und seine schwarzgewandete Begleittruppe zum Vortrage brachten, allerheftigst bejubelt, seien es die Songs seines Solodebüts "Silicon Messiah" (Titeltrack, "The Launch", "The Brave", Identity") oder die zwei Ausflüge in seine Maiden-Ära ("Futureal" und der Publikumsfavorit "Man On The Edge"). Sogar das auf Platte eher lahme "Evolution" wirkte weit weniger sperrig, wenn Blaze es live intonierten. Und da auch Blaze als Entertainer seit der "X-Factour" wesentlich weiter gekommen ist (seinerzeit verbrachte er den Großteil der Auftritte mit Air-Drumming), konnte er die Menge richtig mitreißen und den Wacken-Trip ohne Zweifel als Erfolg verbuchen. "Stare At The Sun" habe ich aber trotzdem vermißt.

And now to something completely different.Solstice, die schratigen Brit-Doomer, hatten zwar nur einen mittelmäßigen Sound erwischt, das war ihrer Die-hard-Anhängerschaft aber völlig wurscht - und die Jungs waren wirklich HEAVY und gaben dem geneigten Zuhörer endlich mal die Gelegenheit, die Matte ausgiebig in Zeitlupentempo zu schwingen. Die auf dem letzten, monumental ausgefallenem Album "New Dark Age" ausgiebig getätigten Ausflüge in machtvolle Epic Metal-Gefilde im Stile von alten Manowar oder Bathory wurden natürlich auch nicht vergessen - von den genüßlich ausgespielten Giganten wie dem Opener "Cromlech" oder "The Sleeping Tyrant" hab' ich jetzt noch 'ne Gänsehaut.

Selbige gab's ohne Ende natürlich auch bei DER Band des Festivals, namentlich sind das natürlich the almighty DEMON. Gegen diese Wahnsinnstruppe sahen mindestens 80% des sehr stark besetzten Festivals noch verdammt arm aus. Vom unerwarteten Opener "Nowhere To Run" vom '83er Drittwerk "The Plague" bis hin zum finalen Rausschmeißer ("Night Of The Demon", was sonst?) feuerte die Band um den völlig abgefahren auftretenden Gott-Sänger Dave Hill eine Über-Hymne nach der anderen in die ziemlich ergriffene Menge, die die Briten von Song zu Song mehr und mehr abfeierte. "Into The Nightmare", "The Plague", Blackheath", "Wonderland", "No More Hell On Earth", das begeistert gefeierte "Sign Of A Madman", das unglaublich atmosphärische "Life On The Wire", bei dem Hill die Drogen-Thematik auch durch eindringliches Gestikulieren exzellent rüberbringen konnte, und natürlich die vom Publikum lautstark geforderte Mega-Nummer "Don't Break The Circle" waren alle vertreten, und hätte die Band noch das "Taking The World By Storm"-Epos "Remembrance Day" angestimmt (hätte aber wohl die Spielzeit gesprengt), hätte ich mich wohl gleich unter der Party-Stage begraben lassen können. So warte ich doch lieber noch auf das seit Jahren angekündigte neue Demon-Album. Kommt endlich mal zu Potte, Jungs! Anyway, auch ohne diesen Song nahmen Demon das Wacken im Sturm! Möchte wissen, wie die Veranstalter das im nächsten Jahr noch überbieten wollen - aber sicher ist: Ich werde auch 2001 wieder gen Norden pilgern, um das Heilige Land des Metal zu sehen. Bis dann.

See You In Wacken 2001...
(c)2000, Ernst Zeisberger