Manilla Road

Powervice

 

Überrollt von den Ereignissen…

 

Demo des Monats im Rock Hard, bockstarke Live-Shows in ganz Europa und ein umjubelter Opener-Gig beim diesjährigen Keep it True VI. POWERVICE sind die Newcomer der Stunde. Punkt.

Die sympathischen Holländer scheinen es selber noch nicht so richtig zu begreifen, was im Moment um sie herum abgeht und nehmen die Begeisterung über ihren klassischen Maiden meets Thin Lizzy-Metal mit großen Augen zur Kenntnis.

 

 

Ihr habt mit Eurem Debüt im ROCK HARD vor kurzem das Demo des Monats abgeliefert. Hat’s Euch bisher irgendwas gebracht?

Richard: Klar, Mann, wir spielen hier am Keep it True. Also müssen wir zumindest irgendwas richtig gemacht haben.

Will: Ich weiß nicht, wir arbeiten eben hart daran, dass aus der Band was wird. Das Demo des Monats einzuspielen, nicht nur im Rock Hard, sondern auch im griechischen Metal Hammer… es gibt Dir eine gewisse Sicherheit, wenn Dir die Leute sagen, dass ihnen gefällt, was Du machst. Wir schweben im Moment auf Wolke Sieben. Der Auftritt heute war der beste Gig, den wir je gespielt haben. Und ich denke, es gab keinen besseren Platz dafür als das Keep it True.

 

Nun sind um 12 Uhr mittags die Bedingungen recht undankbar. Das Licht strömt durch die Decke, die meisten Leute stöbern noch durch die Plattenbörse – schwierig, da richtig Stimmung zu machen, oder?

Will: Sicher, aber wenn man von der Bühne aus 600 Metalheads durchdrehen sieht, ist es Dir völlig wurscht, wie die Lichtverhältnisse sind. Es ist… ich kann nicht mehr dazu sagen, ich stehe immer noch ein wenig unter Schock. Aber ich glaube, im Heavy Metal ist es den Leuten egal, ob es hell ist oder dunkel. Wir haben das Beste aus den Umständen gemacht, und ich glaube, den Leuten hat die Show gut gefallen. Wir haben das auf der Bühne gespürt und so hatten wir natürlich auch selbst umso mehr Spaß.

Ich will nicht wie irgendein dämlicher Hippie klingen, aber es war für mich heute echt verdammt emotional. Das war mit Abstand das größte Publikum, vor dem wir bislang gespielt haben. Noch dazu in Deutschland, wo wir bisher immer die enthusiastischsten Reaktionen hatten, vor Leuten, die wirklich was mit der Musik anfangen können… es kann einfach nicht besser werden.

 

Ihr wart in jedem Fall der stärkste Opener, den das KIT bisher überhaupt hatte. Ich habe noch nie erlebt, dass bereits nach dem ersten Song des Festivals Sprechchöre einsetzten. Am Schluss gingen die Fäuste bis hinter zum Mischpult hoch.

Will: Nach der Show meinten auch ein paar Typen zu mir, das wir der beste Opener waren, den sie je gesehen hätten. Mann, was sollst Du darauf sagen… „hmm, Danke!“ Mehr fällt Dir in einem solchen Augenblick nicht ein. Wir sind gewöhnt, viele Shows zu spielen und haben uns dadurch eine gewisse Coolness auch gegenüber uns selbst zugelegt. Wir wollen keinen auf Rockstar machen. Aber wenn Leute auf dich zustürmen und plärren, dass sei das beste gewesen, was sie je gesehen hätten, dann geht dir das schon nah. Heute war zweifellos der beste Tag in meinem Leben. Zweifellos. Aber andererseits ist mein restliches Leben auch nicht wirklich interessant, hahaha…

Weißt Du, mit 14 Jahren, war ich auf dem Dynamo und hab die Leute ausflippen sehen. Da wusste ich, Mann, das ist genau dein Ding, das willst du machen. Und heute hab ich die Leute von der Bühne aus genau so ausflippen sehen. Zu meiner Musik! Das war heute gewissermaßen der Lohn für meine Arbeit.

Richard: Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass man sich in der Metal-Szene nicht dafür schämt, Komplimente auszuteilen. Wir haben schon mit Punk-Bands gespielt, mit Noise-Bands, und so weiter, und sind daher gewöhnt, wenn alle um uns rum versuchen, cool zu sein. Aber in der Metal-Szene sagen es Dir die Leute einfach, wenn ihnen Deine Musik gefällt.

Will: Wir sind keine Komplimente gewöhnt! Wir sind daran gewöhnt, Flaschen an den Kopf zu kriegen, wenn die Pausen zwischen den Songs zu lang sind. Daran sind wir gewöhnt! Und was kriegen wir hier? Leute, die brüllen: „Powervice! Powervice!“ Und Du denkst Dir, was zum Geier ist denn hier los?

 

Und dabei habt Ihr erst drei Lieder aufgenommen.

Will: Wir scheinen irgendwie gesegnet zu sein.

Richard: Das war auch gar nicht unser Plan. Wir haben das Demo im August aufgenommen, wollten es an ein paar Plattenfirmen schicken, uns eine Setlist basteln und dann im Januar 2006 die ersten Gigs spielen. Aber die ersten Reaktionen haben uns gar keine Zeit mehr gelassen…

 

Von den Ereignissen überrollt…

Richard: Auf jeden Fall. Im Juli werden wir gerade mal ein Jahr alt.

W: Ich war noch bei einer anderen Band, als er mich anrief. Aber das war nichts Besonderes. Nur ein Job, den ich wegen des Geldes machte. Ich glaube, man kann sogar sagen, dass ich zu der Zeit überhaupt noch nicht true war, hahaha…

Ich bin gerade im Backstage-Bereich rumgesessen, als mich mein alter Freund hier anrief und völlig besoffen und bekifft zu mir meinte, er hätte gerade seinen Gitarristen gefeuert und ob ich Lust zu proben hätte. Einen neuen Sänger hätte er auch gefunden.

Richard: Zu meiner alten Band gehörte auch Ries, als wir uns von den beiden anderen trennten. Die Typen haben den Heavy Metal regelrecht gehasst. Wir waren stinksauer, weil wir dachten, sie hätten die Band auf dem Gewissen. Wir wollten richtigen Metal spielen und haben die beiden dann einfach rausgeschmissen. Es war wirklich schwierig, Ideen unterzubringen, weil jeder in eine andere Richtung wollte. Bei Powervice sind wir fünf Mann, die in die gleiche Richtung wollen. Ich denke, das ist der Unterschied.

 

Und die Richtung heißt „alte Iron Maiden“. Zumindest, wenn man den Kritikern Glauben schenkt…

Will: Lassen wir doch das ganze Namedropping mal außen vor. Wir wollen einfach Heavy Metal spielen, wie er unserer Meinung nach klingen soll.

Ries: Wenn die Leute glauben, dass wir nach Iron Maiden klingen, ist das schön und gut. Aber ich glaube, dass wir mehr bieten. Wichtig ist, wir sind eine Heavy Metal-Band, die den besten Heavy Metal spielt, den wir zustande bringen. Wir wollen niemanden kopieren, sondern einfach nur kreativ sein.

Richard: Eigentlich müssen wir noch wachsen. Es ging alles so schnell. Uns stand bei unseren vielen Auftritten nur eine sehr beschränkte Songauswahl zur Verfügung. Den einen Moment stehst Du noch im Proberaum, und plötzlich bist Du gezwungen, eine Bühnenshow vorzubereiten. Aber wir lassen uns einfach die Zeit, natürlich zu wachsen. „The end is coming“, der letzte Song auf dem Demo zeigt ein wenig die Richtung an, in die es gehen wird. Ein wenig dunkler vielleicht, aber größtenteils bleiben wir unserem Weg treu.

Will: Das hat auch was damit zu tun, was wir uns selber reinziehen. Wir hören sehr viel Metal. Wir hören Manowar, Helstar, Riot, Iron Maiden, Judas Priest…

Richard: Ja, und Black Metal, sogar AOR, hahaha….

Will: Wir hören uns aber auch andere Sachen an, z.B. Roky Erickson, Mudhoney,…

 

Mudhoney? Was zur…?

Richard: Eine starke Band! Ich glaube, viele Leute vergessen, wo die NWOBHM herkam. Im Grunde war es Rock’n’Roll, der verdammt laut gespielt wurde.

Will: Hör Dir doch mal das ganze ANGEL WITCH-Zeug an! Das ist im Prinzip nur laut gespielter Rock’n’Roll mit viel Technik und geilen Gitarrensoli. Die Bands damals sind einfach nur einen Schritt weiter gegangen. Und genau das ist das Zeug, auf das wir stehen. Jeder von uns hat dann noch seine persönlichen Faves. Rogier mag Thrash Metal, ich höre ziemlich viel Black Metal, er hört… was auch immer, hahaha…

Überhaupt scheint ihr sehr unterschiedliche Charaktere zu sein. Will, Du trägst ein altes Slayer-Shirt, Richard ist in einem Misfits-Shirt aufgetreten, Rogier schaut aus wie Robbie Williams…

Will: Hahaha! Das haben wir schon öfter gehört! Sag ihm das bloß nicht!

Richard: Schon richtig. Aber im Grunde wollen wir alle in die gleiche Richtung. In den anderen Bands, in denen ich gespielt habe, ging’s immer nur um Egos. Das ist bei POWERVICE eben nicht der Fall. Andere Bands verlagern sich zum Beispiel nur auf das Talent ihres Gitarristen. Wir schreiben einfach Songs und schauen, was dabei rauskommt. Wir sagen nicht, „Mann, wir haben einen guten Sänger, also müssen wir die ganze Band auf ihn ausrichten“. Der Song steht im Mittelpunkt.

Will: Ich war in jedem Fall noch nie in einer Band, in der die Meinung jedes einzelnen so wichtig ist. Vielleicht ist das das Geheimnis unseres Sounds.

Richard: Es gibt allerdings auch Regeln…

 

Und wer von Euch stellt die auf?

Richard: [zögerlich] Hmm, das bin ich…weißt Du, wenn Will ein Riff schreibt, das richtig cool ist, muss jemand entscheiden, ob es zur Band passt.

Will: Es kam schon vor, dass ich einen Song geschrieben habe, der schlichtweg überladen war. Wir hören ihn uns an, spielen ihn ein paar Mal und kommen schließlich zum Ergebnis, dass es zwar ein cooler Song ist, er aber nicht wirklich zur Band passt. So einfach läuft das! Keiner hat ein Problem damit. Oder wenn Rogier eine Vocalline singt, die nicht zur Musik passt, fliegt sie eben raus.

 

Ihr habt in den letzten Monaten verdammt viele Shows gespielt. Habt Ihr da überhaupt noch Zeit für eine reguläre Arbeit?

Richard: Rogier hat einen Job und Ries hat einen Job, wir anderen sind nur ein Haufen Penner, hahaha!

Will: Ich hab schon vor langer Zeit beschlossen, dass ich verdammt noch mal nie wieder was Normales arbeiten will, hahaha!

 

Wieviel Demos habt ihr eigentlich verkauft?

Will: Wir haben 1500 pressen lassen, die inzwischen ausverkauft sind. Irre!

 

Wird also Zeit für Nachschub in Form einer ganzen Platte!

Will: Stimmt! Wahrscheinlich klappt’s noch 2006. Wir wollen die Leute einfach nicht länger warten lassen.

 

Gibt’s schon einen Titel?

Rogier: Wahrscheinlich „The end is coming“.

 

Der Titel klingt eher nach Abschiedsalbum.

Will: Weißt Du, wir glauben nicht, dass die Welt noch lange genug für uns existiert…

Richard: Genau, es geht um ein Science-Fiction-Konzept! Die Band wird aber im Weltall überleben!

Will: Halt, nein, das war ja Ayreon! Hahaha…

Richard: Und wir schreiben eine Oper drüber. Mit zweitem Teil. And we’re gonna keep it true!

 

 

(c) 2006, Manuel Trummer