Phil Lynott ist Thin Lizzy. So sicher, wie Lemmy Motörhead oder Rock'n'Rolf Running Wild ist. Logischerweise war ich vor einiger Zeit SEHR skeptisch, ob John Sykes mit der wiederbelebten Lizzy-Truppe dem Gedenken an den 1986 verstorbenen Bandboss keinen Schaden zufügen würde. Für einen Tribute-Gig zu Phils zehnjährigem Todestag mit allerlei Gästen - OK, das hatte ja auch im Falle Freddie Mercury ganz wunderbar funktioniert. Aber als feste Touring-Band mit John als hauptamtlichen Sänger?
Nun, meine Bedenken kann ich wohl den Weg alles Irdischen gehen lassen - Thin Lizzy anno 2000 wirken auf der ausgezeichneten Live-Scheibe "One Night Only" exzellent aufeinander eingespielt, John Vocals sind kaum von Phil selig zu unterscheiden - UNGLAUBLICH, wie sehr der Mann dem Original ähnelt - und die Songauswahl ist nichts anderes als ein verkapptes Greatest Hits-Programm. "Jailbreak", "Bad Reputation", "The Boys Are Back In Town", der göttliche Folk-Metal-Song "Black Rose" oder das oft und gern gecoverte "Cold Sweat" (übrigens der einzige Lizzy-Song, den Sykes selbst mitverfaßt hat) - alles da. Für ein paar Geheimtips wie "Suicide", das ruhige "The Sun Goes Down" oder die Megaballade "Still In Love With You", die Lizzy-Keyboarder Darren Wharton jüngst auch mit seiner eigenen Band Dare intonierte, hat die Spielzeit (70 Minuten und 'n paar Zerquetschte) aber trotzdem noch gereicht. Trotzdem wäre mir eine Doppel-CD dem Anlaß wesentlich angebrachter erschienen - schließlich fehlen hier immer noch zahlreiche Überhämmer wie etwa "Massacre", "Renegade", "Holy War" oder vor allem "Emerald". Tja, dieses Problem haben wohl alle Truppen, die eine derart klassikergespickte History vorzuweisen haben wie die Erfinder des Twin-Guitar-Stils - und auch in der vorliegenden Fassung ist "One Night Only" immer noch ein nahezu perfekter Einstieg für jüngere Fans, die die Band vielleicht mal auf dem Wacken Open Air anchecken wollen. Ich jedenfalls werde dort in den ersten Reihen abfeiern...und der Geist von Phil wird sicher auch anwesend sein.
(c)2000, Ernst Zeisberger