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Winterhawk: Revival

Ihr kennt das bestimmt: es liegen viele CDs beim Player 'rum und darunter
gibt's jede Menge hörenwertes. Aber diese eine hat es dir angetan und zwar
in dem Masse, dass der Rest der Platten einfach vergessen daliegt. Süchtig
machten mir in der Vergangenheit schon Iron Maiden ("Killers"), Helstar
("Remnants of war"), Metal Church ("Metal Church"), Leatherwolf (Alles!),
Warlord (Alles, auch wenn es nur wenig ist), In The Name ("In The Name"),
Power of Omens ("Eyes of the oracle") und die Sängerin Alice (hoffnungslose
Amore meinerseits; sie war und ist die eleganteste der italienischen
Cantautori).
Jetzt kommt mir dieses obskure Teil von einer mir gänzlich unbekannten Band
ins Haus geflattert und da sitze ich also mit meinem Kopfhörer und höre die
Scheibe bis in jene morgendliche Stunde, wenn selbst die Hexen ihre Besen
geparkt und sich zur Ruhe gelegt haben.
"Revival" heisst die Droge und kommt von einer längst verblichenen Band
aus Illinois der nicht mal eine richtige Band war: Winterhawk.
Tja, so ein Phantasie-fördernder Name muss man mir nur einmal sagen und
meine Ohren spitzen sich. Winterhawk. Es war das Projekt eines Gitarristen
namens Jordan Macarus, der in den späten Siebzigern Highschool-Freunde und
Unbekannte zusammentrommelte, damit er in einer Band so richtig
bodenständigen, Keyboard-freien Rock raushauen konnte. Nach mehreren
Besatzungswechseln und den üblichen Zwischenfällen nahmen Jordan und seine
zwei verbliebenen Mitstreiter Ende 1981/Anfang 1982 sieben Songs auf und
brachten sie unter dem dem Titel "Revival" als Eigenpressung heraus.
Dieses längst vergriffene Teil wurde vom texanischen Monster Records
(Adresse: siehe unten), zusammen mit zwei Studio-Tracks aus 1986 und einer
Live-Aufnahme de Dato 1979 (...), auf CD veröffentlicht.
Als ich dieses Scheibchen zum ersten Male hörte war ich sprachlos. Ich
realisierte, dass Macarus und Winterhawk eigentlich 1979 schon fast
keine Chancen hatten, bei einer grossen Plattenfirma unter zu kommen; ihre
Musik war schlichtweg schneller und intensiver als üblich gespielten
Seventies Rock - eine zu der Zeit kommerziell bereits zu Tode verurteilte
Gattung.
Die Assoziationen beim hören des "Revival"-Albums sind mannigfaltig: Sänger
Doug Brown (Lead Vocals auf sechs Stücken der LP) klingt wie eine Kreuzung
aus Brad Delp (Boston) und Geddy Lee (Rush), der Live-Smasher "Hammer and
the axe" (rauhere Lead Vocals: Macarus) aber hört sich an wie Golden
Earring 1974! Dazu kommt der Rainbow-Touch in "Sanctuary" (mit treffend
mittelalterlich angehauchtem Text). Am anderen Ende des Regenbogens findet
man dann überraschenderweise eine Boogie-Nummer namens "Can't see the
forest for the trees". Obwohl mir diese Art von fröhlicher Trink-Musik
schon immer am Philosophen-Arsch vorbeiging, bekommt der Up-Tempo-Song
einen Reiz den nur Winterhawk bzw. Jordan Macarus ihr verpassen konnte.
Denn: in zwanzig Jahren als Hardrockfan/Gitarrenfanatiker (ohne Streitaxt
lässt man jede Musik besser ungespielt - kill dance "music" before it kills
you!) habe ich noch nie jemand SO Gitarre spielen hören. Die sage und
schreibe drei Songs, die Macarus um 1979 im Alleingang schrieb gehören zum
göttlichsten, was ich jemals hörte: "Period of change" (7.15 Min.),
"Revival" (6.04 Min.) und "Free to live" (9.23 Min.) nehme ich mit ins
Grab, weil ich mir sicher bin dass ich nicht mal in der Ewigkeit wieder so
etwas unfassbar schönes geschenkt bekomme.
In diesen episch-rockigen Tracks stimmt nicht nur die musikalische Vorlage
(classic Rock vom feinsten), sondern hier hatte Mr. Macarus die Gelegenheit
seine Kunstwerke, pardon: Soli so den Arrangements anzupassen dass es einem
fast unheimlich vorkommt. Die fliessenden Tonfolgen sind unglaublich
melodisch, dieses einzigartige Gefühl dass der Mann seinem Fender
Stratocaster (fast ohne Distortion) entlockt, hatte ich noch nie. Obwohl
ich etliche Gitarristen vergöttere (William Tsamis von Warlord/Lordian
Guard, Mark Stewartson von In The Name, Steve Kachinsky von Steel Prophet)
muss ich gestehen, dass die Geschichte der Gitarrenzauber siebzehn Jahre
lang unvollständig gewesen ist. Da fehlte noch einer auf der Worship-Liste.
Die Faszination des "Revival"-Albums ist vor allem diesen drei Tracks
zuzuschreiben: die Texte handeln alle von (der Sehnsucht nach) Freiheit,
vom Abschied und folgen seiner Träume, trotz des Wissens dass die Zeit
einen einholt oder vielleicht gar eingeholt hat:
"I'm getting along in years
and my friends have all forgotten me"
(Aus: "Revival")
oder:
"It won't take too long to find what you're looking for
But it won't wait outside your door
And I don't mind living alone
That's the way I am"
(Aus: "Period of change")
Der melancholische Ansatz ist da und dann, ja dann fängt Macarus an, sich
selbst in diese erträumte Freiheit hinein zu spielen, flüchtet quasi von
Solo zu Solo in eine weite Ferne die die meisten unter uns nie sehen
werden. Aber der Guitar Man macht ihn spürbar, diesen Horizont der
Vagabunde und das ist was "Revival" zu einer zeitlosen Rockscheibe macht.
Denn nichts ist so tief wie die Sehnsucht nach etwas, das für immer
ausserhalb der alltäglichen Realität liegt. Und wer diese Essenz in Klänge
einfangen kann...
Weil bei Macarus das Gefühl am ersten Platz stand könnte man, zur
Indikation der Spielrichtung, als (bedingter) Vergleich die Namen von Mark
Reale (Riot; Früh-Phase), Rik Emmett (Triumph) und Michael Schenker nennen.
In "Intro" (einem vollwertigen Instrumental) und "Sanctuary" gibt's man
deutliche Blackmore-Anleihen, vor allem wegen der typischen
Rhythmus-Gitarre. Die längeren Songs besitzen wegen mehreren Tempo-Wechsel
ein leicht progressives Flair, aber haben mit der Gattung an sich nichts zu
tun; dafür ist die Musik einfach zu erdig und im puren Rock verwurzelt.
Die in 1986 eingespielten "Fallen dinosaur" (ein sperriges Instrumental)
und "Elijah" (schöner Text) haben nichts mehr mit dem Winterhawk-Stil zu
tun; sogar Macarus' Gitarrenspiel ist durch die eher produzierte als
gespielte (ich meine das so wie ich das schreibe) Songs fast unerkennbar
geworden. Auch fehlt auf letzterem Track der charismatische Sänger Doug
Brown, der den Winterhawk-Stil nicht unwesentlich mitgeprägt hat.
"Hammer and the axe" wurde wie gesagt 1979 live mitgeschnitten im Chicagoer
Aragon Ballroom und stellt noch mal unter Beweis, wie vielschichtig diese
talentierte Truppe war. Heavy Rock vom Fass, energisch serviert von einer
Combo der die meiste Konkurrenz locker an die Wand spielen konnte. Da sie
anno damals für illustere Kapellen wie Black Oak Arkansas, Jefferson
Starship (nicht Airplane) und sogar Steppenwolf eröffnete (wie in der
Bandgeschichte zu lesen ist), vermute ich mal, dass so mancher
Musiker-mit-Plattenvertrag es mit der Bange bekam als er die Vorband und
insbesonders Macarus hörte. Ich hätte meine Gitarre jedenfalls für 'ne
Mönchskutte eingetauscht und mein restliches Leben auf Erden im Kloster
verbracht...
Bleibt die Frage: wie konnte es passieren dass Macarus himself es bis heute
nur auf diese Eigenpressung und eine 1994-Solo-CD ("The passage") mit
seiner Band Jordac brachte? Die Antwort heisst: keinen blassen Schimmer.
Der Rare Ass-Website von Monster Records ist zu entnehmen, dass der
Guitargod regelmässig live in den Clubs und Coffee Houses von Chicago zu
bewundern ist. Eine verdammte Schande ist das, denn ich fliege nicht.
Hier also meine Bitte an euch Metalnetsurfer und Gitarrenfanatiker: auch
wenn ihr jetzt denkt, "dieses Zeug ist mir einfach zu alt und eh keinen
Metal"; verpasst diese Scheibe (erhältlich bei Hellion oder Monster
Records) bloss nicht. Denn exzellente Saitenhexer kommen und gehen, aber
Jordan Macarus und Winterhawk - das gab es nur einmal. By the Gods: music
too good to last.

Kontakt:
Monster Records
P.O. Box 460173
San Antonio, TX
78246-0173
USA
http//www.monsterrecords.com/indexright.html
(Thanks and greetings to Marco, the world's most unlikely Dimmu Borgir-Fan.)

(c)1999, Oliver Kerkdijk