Sacred Metal Page > Sacred Reviews > Progressive Rock > Ayreon : 01011001

Ayreon : 01011001

Da isser nun also, der neue Prog-Blockbuster aus Holland. Und im Gegensatz zum für dieses Projekt ungewohnt introspektiven "The Human Equation" ist der binär betitelte Doppeldecker wieder einwandfrei dem Science Fiction-Genre zuzuordnen (sowie, das zeigen mehr als ein von anno dunnemals wiederverwendetes lyrisches wie musikalisches Thema, klar in Kontinuität mit älteren Beiträgen wie "The Universal Migrator" oder Arjens Paradewerk "Into The Electric Castle"). Irgendwo zwischen "Star Trek" und "2001" ist die Handlung angesiedelt, was Herrn Lucassen zwar wohl keinen Hugo Award einbringen wird, aber seinen Zweck dafür doch astrein erfüllt.

Selbiger ist es nämlich wieder, all den versammelten Wunderstimmen eine Plattform zu bieten, ihr Können voll und ganz auszuspielen. Eine nominelle Hauptfigur wie zuletzt James LaBrie vermisst man aufgrund der Story diesmal zwar, dafür ist halt die Mannschaft der Star. Herausragend ist diesmal allerdings neben der bereits Ayreon-erfahrenen Anneke van Giersbergen (ex-The Gathering) vor allem "Mr. Überall" Jorn Lande - das Gesangsduett der beiden Genannten im balladesken "Comatose" etwa zählt zu den feinsten Gänsehauterregern der jüngeren Vergangenheit, und Landes mit unverkennbarem Phil Lynott-Timbre dargebotene Thin Lizzy-Gedächtnispart bestätigt nur einmal mehr die unglaubliche Vielseitigkeit des Norwegers.

Größere Namen sind anno 2008 eigentlich nur mit Hansi Kürsch (unverkennbar) sowie Bob Catley an Bord, wobei der Magnum-Mann erstaunlich blass bleibt und erst im allerletzten Song einen wirklich markanten, memorablen Part zu singen bekommen hat. Mag sich Lucassen auf der beiliegenden DVD auch als im wahrsten Sinne des Wortes riesiger Fan des kleinen Mannes mit der großen Stimme outen - da weiß ein Tony Clarkin (oder Gary Hughes) halt doch besser, was er dem notorischen Nichtsongwriter auf den Leib schneidern muss. Der Rest der Besetzung ist ein Who's Who der Progszene, und daß man mit den Sängern von Evergrey oder Pain Of Salvation nicht viel falsch machen kann, muß ich wohl niemandem erzählen. Aber auch der eher genrefremde Steve Lee (von den Schweizer Hardrockern Gotthard) fügt sich nahtlos ein.

Sonderlich viel Neues ist Lucassen nur halt nicht eingefallen - wenn man die Platten spätestens seit "Electric Castle" sein eigen nennt, dann weiß man in etwa schon, was auf einen zukommt. Am ehesten erinnert "01011001", zweifelsohne auch aufgrund der ähnlichen Thematik, noch an den ollen "Migrator"-Zweiteiler. Oder zumindest an das, was dieser hätte sein können, wenn man denn nicht diese aberwitzige Trennung zwischen Mellow- und Heavy-Tunes durchgeführt hätte. Dazu paßt auch, daß Arjen wie ehedem die größten Highlights auf der ersten CD abgestellt hat (unbedingt erwähnt werden muß noch das unglaubliche "Beneath The Waves"!), während sich die zweite doch hie und da etwas zieht. (Für einen Hammer wie das von Arjen himself erfrischend selbstironisch vorgetragene "The Truth Is In Here" - Lucassen singt noch einmal die Story seiner Alben, was seine Krankenschwester trocken mit den Worten "Ja ja, Mr. L - haben wir heute schon unsere Pillen genommen?" kommentiert - hat's aber auch da noch gereicht.)

Alles in allem - wieder ein Pflichtkauf für die üblichen Verdächtigen. Der Vorgänger war wohl noch 'n Eckchen zwingender. Ernsthafte Kritikpunkte außerhalb von "been there, done that" wollen mir aber sonst beim besten Willen keine mehr einfallen.

(c)2008, Ernst Zeisberger