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"I have wealth beyond measures - my treasures are words..."

SKYCLAD - "History Lessons of a Badtime Story"

Als Michael mit der Idee ankam, Review-Specials für diese heiligen Seiten zu verfassen, brauchte es keine zehn Sekunden, bis mir der Name Skyclad in den Sinn kam. Warum? Das Intro-Zitat, obgleich es von Sänger/Texter Martin Walkyiers alter Truppe Sabbat stammt, gibt auch nach über zehn Jahren noch immer perfekt die Situation an, in der sich die britischen Folk-Metal-Pioniere nach sage und schreibe zehn Alben immer noch befinden: die Jungs und das Mädel haben (mittlerweile leider "hatten"...dazu später mehr :-() den mit Abstand besten Texter der gesamten Metal-Szene an Bord, und (leider) sind diese "words" immer noch die einzigen "treasures", die sich in all den Jahren bei den "verruckten Englandern" angesammelt haben. Und weil unterbewertete Bands hier immer ein Forum haben werden, geht's gleich ohne weitere Vorreden ab in die wunderliche Welt des Martin Walkyier...

1. "The Wayward Sons Of Mother Earth" (1991)

Kann mich noch gut an das erste Review erinnern, das ich seinerzeit über diese Scheibe gelesen habe. Von "Folk-Thrash" sprach der Rezensent - ein Begriff, unter dem ich mir beim bbesten Willen nichts vorstellen konnte, der aber immerhin mein Interesse unter den hundert anderen Neuerscheinungen weckte. Und gelohnt hat es sich garantiert - schließlich sollte "Wayward Sons..." nur das erste Kapitel einer der interessantesten Geschichten in der oft gesichtslosen Metal-Szene der 90er werden.

Erst mal gab's allerdings mehr Thrash als Folk. Das Skyclad-Debüt hätte ich mir statt "Mourning Has Broken" auch problemlos als drittes Sabbat-Album vorstellen können - lediglich die Gitarrenarbeit von ex-Satan-Riffschmied Steve Ramsey (der gleich seinen Kollegen Graeme English am Bass mitbrachte; dazu gab's den mir bis dato unbekannten Keith Baxter (dr.)) war 'ne ganze Ecke melodischer ausgefallen als alles, was Martins Ex-Band bis zu diesem Zeitpunkt so fabriziert hatte. War aber auch gut so, denn dies gab Speed-Hämmern wie dem Opener "The Sky Beneath My Feet", "Cradle Will Fall" oder dem stakkatoriffenden "Skyclad" erst ihre ganz eigene Identität. Mit dem heute schon als Klassiker gewerteten "The Widdershins Jig" dagegen integrierte man erstmals die Violine entscheidend in den kompromißlosen Metalsound und deutete schon mal leise an, was in den kommenden Jahren noch auf die Skyclad-Jünger zukommen sollte. Auf "Wayward Sons.." allerdings blieb dies der einzige überzeugende Versuch einer Brücke zwischen Folk und Metal; die ansatzweise mittelalterlich klingende Ballade "Moongleam And Meadowsweet" hätte man sich vielleicht besser schenken sollen - dafür war Martin, obgleich er sich seit Sabbat-Tagen sicherlich verbessern konnte, stimmlich noch nicht mal im Ansatz reif.

Lyrisch führte Martin einerseits den von Sabbat her bekannten heidnischen Aspekt fort ("Man is just a part of nature - not the other way around"), widmete sich ansonsten aber verstärkt zeitgenössischen Themen wie Atomkrieg ("Terminus") oder Umweltzerstörung. Aus dem siebenminütigen Herzstück der Platte, "Our Dying Island",

"The high priests of high finance claim that their actions are wise -

But our planet still dies...

...

You say "Why waste concern on the rivers and trees - they belong to mankind to exploit as we please?"

Face up to the fact that mankind's a disease - irrelevant microbes with colour TVs"

Auch "The Cradle Will Fall", in dem Walkyier Gott spielende Wissenschaftler anprangert, steht meilenweit über dem typischen Metal-Klischeegeschreibsel (gegen das ich prinzipiell natürlich nichts sagen will...;-)):

"God is dead - man has surpassed him.

...

Homo sapiens - the "master-race". Nature's pride and joy.

Taking all the world will give me. What it won't - I shall destroy."

Kein Wunder, daß Martin resümiert: "I hope I'll never see the "perfect" world you crave / Where ambition is the burden we shall carry to our graves".

Ob man also Mr. Walkyier in seinen Ausführungen zustimmt oder nicht - Skyclad hattten sich bereits mit ihrem ersten Album als "thinking man's metal" der allerfeinsten Sorte etabliert. Zu dumm, daß das von der metalhörenden Allgemeinheit nie so richtig registriert worden ist - vielleicht auch wegen dem Manowar-mäßigen Kriegeroutfit, das die Band auf dem Backcover zur Schau stellte und wahrlich keine intellektuellen Glanztaten andeutete. Auch wenn man zehnmal nebendran Shakespeare zitierte.

2. "A Burnt Offering For The Bone Idol" (1992)

Schon wenig später also der zweite Versuch - und was für einer! "A Burnt Offering..." tat weit mehr, als nur die musikalische Linie des Vorgängers fortzuführen - "A Burnt Offering..." war ein mittlerer Quantensprung gegenüber dem alles andere als schlechten Debüt! Erstmals in voller Sextett-Besetzung antretend (Dave Pugh kam als zweiter Gitarrist hinzu, und Fritha Jenkins besetzte erstmals hauptamtlich den Platz an der Violine), führten Ramsey, Walkyier & Co. den auf "Wayward Sons..." nur angedeuteten Folk-Ansatz konsequent weiter und experimentierten, was das Zeug hielt. Klingt das in dem politischen Extremismus jeglicher Art thematisierenden Opener "A Broken Promised Land" ("Our devil has two wings, both left wing and right / They carry him far on his anarchic flight") gelegentlich noch etwas holprig, so läuft die Folk-Thrash-Maschine schon bald auf vollen Touren: "Spinning Jenny" is noch heute DER Live-Stimmungshit der Band und steht in bester "Widdershins Jig"-Tradition, "Salt On The Earth" verbindet schnellen, galloppierenden Thrash perfekt mit eindringlichen Violinen-Melodien - lediglich das heftige "Men Of Straw" wäre auf dem Debüt nicht weiter aus dem Rahmen gefallen.

Lyrisch gibt's zum Ende der Scheibe hin noch mal zwei absolute Leckerbissen: die eingängige Metalhymne "The Declaration Of Indifference", eins der großen Highlights eines überragenden Werkes, verspottet die 1992 eigentlich schon abklingende US-Poserwelle um Bands wie Poison oder Guns N'Roses (besonders auf letztere wird mehr als deutlich angespielt) und macht mehr als deutlich, welchen Standpunkt Walkyier in bezug auf die zunehmend inhaltslosere (Musik-)Szene einnimmt. Wogegen sich das abschließende, musikalisch ziemlich abgefahrene "Alone In Death's Shadow" eindringlich den Opfern der schlimmsten Krankheit unserer Tage (nettes Detail: man nehme nur die Anfangsbuchstaben der Wörter im Songtitel...) und deren sozialer Ausgestoßenheit widmet und ein Album beschließt, das ich auch nach fast zehn Jahren und ebensovielen Alben noch immer als mein persönliches Skyclad-Fave-Scheibchen betrachte - ebenso wie eins der stärksten Metal-Alben überhaupt.

3. "Tracks From The Wilderness" (EP, 1992)

Kleiner Zwischenhappen für die begeisterte Fanschar, der schon bald nach Release des zweiten Albums auf den Markt geworfen wurde. Eröffnet wird das gute Stück von "Emerald", einem exzellenten Thin Lizzy-Cover, und einem der ganz wenigen dieser Art, die die Vorlage gar übertreffen können. Fritha Jenkins' Violinenspiel ist hier der entscheidende Touch in einem schon im Original sehr Folk-orientierten Song, wegen dem ich das Stück immer zuerst in der Skyclad-Version im Gedächtnis behalten werde. Nebenbei gab sich hier auch Lizzy-Gitarrist Brian Robertson höchstselbst die Ehre.

Zwei neue Stücke aus eigener Feder gibt's auch wieder: "A Room Next Door" und "When All Else Fails" sind keineswegs typischer B-Seiten-Stoff, sondern können ebenso neben dem regulären Albummaterial bestehen (in diesem Falle eher dem des ersten Albums). Drei klasse Livesongs vom renommierten Dynamo-Festival beenden die EP, über die es sonst eigentlich wenig zu sagen gibt; außer, daß sich hier erstmals Duncan Storr für das Cover-Artwork verantwortlich zeichnete, der später zum Skycladschen Hauszeichner werden sollte.

Ach ja: solltet Ihr die EP heute nicht mehr im Laden finden, das komplette Teil ist auch auf der Japan-Version des "Jonah's Ark"-Albums zu finden.

4. "Jonah's Ark" (1993)

Ja, das "Jonah's Ark"-Album...was soll ich sagen, mein Favorit ist's eben nicht gerade. Nicht, daß die Scheibe schlecht wäre (auf ein wirklich übles Album wartet man auch 2001 noch vergeblich von Martin & Co.), aber mit den beiden Maßstäbe setzenden Vorgängern verglichen, konnte man 1993 eigentlich nicht anders, als ein wenig enttäuscht zu sein.

Und dafür gab's einige Gründe. Vor allem aber ist die Produktion, die auch diesmal selbstverfreilich in den ansonsten bewährten Händen von Kevin Ridley (bei allen Skyclad-Alben beteiligt) lag, kräftig mißlungen - man muß die heimische Anlage schon bis zum Anschlag aufdrehen, um überhaupt ansatzweise sowas wie Power abzukriegen. Schade, denn dies ruiniert einiges an musikalischen Experimenten, die die damals niemals wirklich stillstehende Pagan Metal-Truppe einzuführen versuchte. Denn dem Thrash, dem man noch auf der EP ausgiebig gefrönt hatte, wurde hier im wesentlichen entsagt (dafür lehnten sich Ramseys Riffs nunmehr des öfteren an die unlängst gecoverten Thin Lizzy an); im Gegenzug stand die Violine von Fritha im Vordergrund wie noch nie, durfte sich in einigen Songs gar als melodieführendes Instrument behaupten. Leider fehlte es Songs wie "A Near Life Experience" oder dem deutsch betitleten "Schadenfreude" doch noch ziemlich deutlich an der Souveränität, mit der Skyclad in den kommenden Jahren diesen Stil perfektionieren sollten. Highlights bleiben deswegen eher die "traditionelleren" Kracher wie der schnelle Opener "Thinking Allowed" oder der drumorientierte Fiedel-Hopser "Earth Mother, The Sun And The Furious Host", die ich auch heute noch zu den Skyclad-Klassikern schlechthin zähle. Trotzdem wirkt diese Scheibe insgesamt etwas uneben - vielleicht auch aufgrund der Tatsache, daß sich hier erstmals andere Bandmitglieder außer Steve Ramsey (namentlich Dave Pugh und Basser "Bean" English) am Songwriting beteiligten.

Was soll's, auch mit einer "nur" guten dritten Scheibe lassen Skyclad noch große Teile des Metal-Fußvolkes weit zurück; gerade auch dank Walkyiers gewohnt intelligenter Texte, die sich größtenteils erneut der Erhaltung von Mutter Erde widmen ("Cry Of The Land", "A Near Life Experience", "The Ilk Of Human Blindness"). "Bewilderbeast" hingegen, dem Thema gemäß von spanischen Gitarren unterstützt, wird in bezug auf das Thema Stierkampf mehr als deutlich ("If courage is the one thing your kind do not lack / then why don't you hunt something that can fight you back / I see only cowardice ridden by guilt / And your hands won't wash clean of the blood they have spilt.") - frage mich, wie die Band nach diesem Stück eigentlich in Spanien angesehen war. Ein weiterer "Song für Greenpeace", "It Wasn't Meant To End This Way", beschließt das Album auf akustische Weise und liefert auch den Background für Martins bis dahin eindringlichste melodische Vocal-Performance:

"When death is the helmsman

Who steers Jonah's Ark,

Tomorrow's an iceberg

That lurks in the dark,

The band plays our song....

It's the Funeral March."

Naja, ganz so schlimm war's zumindest für Skyclad dann doch noch nicht - wesentlich größere Taten sollten schließlich folgen! Für Fritha Jenkins allerdings blieb "Jonah's Ark" der letzte Auftritt mit der Band - sie klinkte sich wenig später schwangerschaftsbedingt aus...

5. "Prince Of The Poverty Line" (1994)

"Größere Taten" - besser kann man diesen Metal-Meilenstein denn auch kaum beschreiben. "Prince Of The Poverty Line", das einzige Skyclad-Album mit Interims-Geigerin/Keyboarderin Cath Howell, stellte sämtliche Probleme des Vorgängers auf einen Schlag ein und konnte auch songtechnisch noch um ein paar Klassen zulegen. Vom ersten Ton des Hammer-Openers "Civil War Dance" fällt vor allem der megafette Sound auf, der in Verbindung mit den Götterriffs von Meister Ramsey (der hier wohl seine Meisterleistung ablegte) einen tonnenschweren Groove erzeugte (man höre nur die Wahnsinnsnummern "A Bellyful Of Emptiness" und "Land Of The Rising Slum"!) und Skyclad mehr denn je in die Power Metal-Ecke schob.

Mit dem All-time-Klassiker "The One Piece Puzzle" gab es erstmals auch eine zünftige, überragende Power-Ballade; während "Sins Of Emission" und die mächtige Abschlußnummer "The Truth Famine" eher typische, Folk-lastige Skyclad-Nummern darstellen. Für die Fans der letzteren hatten Noise Records in der Erstauflage zusätzlich noch ein nettes Gimmick in petto: Auf einer dem Album beiliegenden CD-Single gab's nicht nur zwei weitere Live-Tracks vom Dynamo, sondern auch den ansonsten unveröffentlichten Hit-Song "Brother Beneath The Skin", der problemlos mit dem regulären Albumstoff mithalten kann.

Textlich bewegte man sich etwas von der auf den ersten drei Alben propagierten Umweltschützer-Schiene weg, stattdessen widmete sich Martin verstärkt politisch-sozialen Themen vor allem mit Bezug auf sein Heimatland England. "Cardboard City" und "A Dog In The Manger" beschäftigen sich mit den Problemen unterhalb der Armutsgrenze, "The Truth Famine" mit den leeren Versprechungen der Politiker zur Lösung ebendieser, "The Gammadion Seed" hingegen warnt vor der neuen Welle des Rechtsradikalismus ("Gammadion"=griechisch für Hakenkreuz). Wenn man der Scheibe etwas Zeit gibt, entpuppt sich wohl das engagierteste Werk aus der Feder der Engländer - nur leider hatte sich zu diesem Zeitpunkt das Image als "Robin Hood / Sherwood Forest - Band" schon in den Köpfen der Leute festgesetzt, so daß sich viele schon gar nicht mehr die Mühe machten, sich soweit mit der Aussage der Band zu beschäftigen. Inklusive ihrer Plattenfirma, die "Prince..." seinerzeit als "heavy Fantasy-Fairytale" bewarb. Halloooo? Jemand zuhause?

Nicht weiter half auch die Tatsache, daß damals die "Revolution aus der Tüte"-Crossoverwelle im vollen Gange war und es schließlich viel einfacher ist, sich rebellisch zu fühlen, wenn man hochpolitische "Fuck You"-Revolutionsparolen mitbrüllt und sich dazu, in weiten Schlaghosen vor der Alternativ-Bühne rumhüpfend, mächtig cool fühlt. Aber ich schweife ab...

Drum kurz gesagt: wenn Ihr sie noch nicht haben solltet, KAUFT "Prince Of The Poverty Line"! Es ist ein übersehener Meilenstein intelligenter, kraftvoller Metal-Mucke, der in jeder anständigen Sammlung stehen sollte. Basta, Halleluja und Amen!

6. "The Silent Whales Of Lunar Sea" (1995)

An ein solches Meisterstück anzuknüpfen ist natürlich nicht leicht. Dennoch gelang es Skyclad mit "The Silent Whales Of Lunar Sea" (nettes Wortspiel!) recht gut, auch wenn das gigantische Niveau des Vorgängers natürlich verfehlt wurde. Neu an Bord dabei erstmals George Biddle an Fiedel und Keys, trotz des Namens ebenso eine Lady wie ihre Vorgängerinnen - ähnlich dem kleinen Mädchen aus Enid Blyton's "Fünf Freunde"-Serie kann sie mit ihrem vollen Namen Georgina nicht allzuviel anfangen. Ergo George...

Im ganzen gab sich "Silent Whales..." 'ne ganze Ecke melodischer als der auf Power/Thrash-Rhythmen aufbauende Vorgänger - so langsam konnte ich auch nachvollziehen, warum die Band ständig als die Thin Lizzy der Neunziger bezeichnet wurden. "Art Nazi" ist der offensichtlichste Hit dieser Bauart und macht textlich mehr als deutlich, daß das anfangs so hochgepriesene Verhältnis zwischen Band und Plattenfirma auch nicht mehr das ist, was es einmal war. Positiveres gab's auch mal zu vermelden (in Martins zynischen, von englischem Humor durchsetzten Lyrics ansonsten eine Seltenheit): das ruhige, genial atmosphärische "A Stranger In The Garden" ist ein Tribut an Griechenland ("This is the old gods' country / You can bring me here to die"). Die griechischen Maniacs hatten die Band mittlerweile ganz besonders ins Herz geschlossen und zu den ganz Großen der dortigen Szene gemacht...etwas, wovon man auch nach fünf guten bis überragenden Alben im angeblichen Metal-Mekka Deutschland noch immer nur träumen konnte. Von ihrer englischen, trendverseuchten Heimat ganz zu schweigen...

Ansonsten herausragend: der eingängige, von bizarren Keyboards untermalte Hammersong "Just What Nobody Wanted", der Martins eher pessimistische, zynische Grundeinstellung auf den Punkt brachte ("If life is sweet, then I'm diabetic / The future looks rosy - I just went colourblind"); der in bester Tradition des Vorgängeralbums stehende Stampfer "Jeopardy", der inhaltlich finstere Machenschaften der englischen Armee behandelte; sowie mein persönlicher Favorit "Brimstone Ballet", in dem sich Martin getreu dem Motto "Viel Feind', viel Ehr'" gleich noch mit der Kirche anlegte, die seiner Meinung nach die Religion über die Jahrhunderte hinweg eher als Mittel ansah, das gemeine Volk unter Kontrolle zu halten:

"History's wounds will not heal overnight

They pray for my soul as they set me alight

Remember the maxim "Arbeit macht frei"

Thought up by a Christian with God on his side...

It's a hell made by Christians with God on their side."

Bei soviel Klasse fällt es denn auch eher gering ins Gewicht, daß sich im zweiten Teil der Scheibe mit dem kurzen "Turncoat Rebellion" sowie dem eher durchschnittlichen "Halo Of Flies" zwei Songs befinden, die den hohen Standard nicht wirklich halten können. Dies ändert aber nichts an meinem Fazit: "The Silent Whales Of Lunar Sea" ist ein durch und durch feines Scheibchen, das man als Skyclad-Fan unbedingt sein eigen nennen muß. Wenn es auch das Pech hatte, zwischen zwei nahezu perfekten Alben veröffentlicht zu werden und deswegen gerne übersehen wird.

7. "Irrational Anthems" (1996)

Nach "A Burnt Offering..." und "Prince..." das dritte (und letzte) Album der Briten, an dem ich wirklich NICHTS auszusetzen habe.  Und nicht nur ich - Skyclads sechstes Album fuhr in sämtlichen Publikationen seinerzeit die Höchstnoten auf Abo ein (selbst der zu dieser Zeit in der Regel tiefschlafende Metal Hammer fand mal ein Korn); die Beliebtheit der Band war höher denn je; die Leser-Hitliste des Rock Hard etwa führte die Scheibe monatelang souverän an. Warum man nun nicht wenigstens auf kleinerer Ebene (wie etwa Stratovarius) den endgültigen Durchbruch schaffte, werde ich wohl nie verstehen.

Wie auch immer, "Irrational Anthems" zeigt die Band auf ein Quartett geschrumpft - Baxter und Pugh hatten den Abgang gemacht und wurden in den darauffolgenden Jahren nicht fest ersetzt. Die Drums und zweite Gitarre auf Tour übernahmen fortan Gastmusiker; im Studio waren Walkyier, Ramsey, English und Biddle das Maß aller Dinge. Und der Wegfall der zweiten Gitarre macht sich auf "Irrational Anthems" deutlich bemerkbar. Anstatt diese zu ersetzen, bewegte man stattdessen George's Fiedel deutlich in den Vordergrund und ließ diese die Rolle der ausgefallenen Klampfe spielen. Perfektes Beispiel: der hitverdächtiger denn je ausgefallene Opener "Inequality Street", der nebenbei erstmals auch mit erstklassig gesungenen, mehrstimmigen Chören aufwarten kann. Auch der der Klassik entlehnte "Säbeltanz" erstrahlt hier in neuem Glanze und demonstriert eindringlich die neue Kooperation von Gitarre und Fiedel.

Aber keine Angst, den richtig heftigen Metal hat man auch nicht vergessen. "The Wrong Song", "I Dubious" oder vor allem der stampfende Thrasher "The Sinful Ensemble", der gewohnt satirisch sämtliche Stammtischpolitiker auf die Schippe nimmt, bedienen diese Klientel ausgezeichnet. Zudem gibt's mit dem exotisch klingenden "Snake Charming" und dem hypnotisch groovenden "My Mother In Darkness" auch noch zwei ungewöhnlichere Experimente; und natürlich wäre kein "Irrational Anthems"-Review komplett, ohne DEN Skyclad-Überhit schlechthin anzusprechen: "Penny Dreadful", ein urtypischer Song, wie ihn nur Skyclad schreiben konnten, ist noch heute der eine Song, den ich den Leuten vorspiele, um ihnen 'ne grobe Vorstellung des Sounds der Briten zu geben. "Penny Dreadful" ist ein Seitenhieb auf die trendgeile englische Metal-Presse, aber auch wenn's hierzulande etwas besser aussieht, so war dieser Song doch zumindest in den frühen Neunzigern von wahrlich globaler Bedeutung. "If we played this riff more punk / Then maybe we'd have had a million seller / But this piper's tune is not for sale / I'm glad to say I'm not that kind of fella. ... Turn on, Tune up, Cash in, Sell out." Was für ein geiler Text, könnte ich jetzt komplett zitieren, habt Ihr aber alle sowieso in Euren Booklets, gelle? Nein? Dann aber flink in den nächsten CD-Laden gehuscht...

8. "Oui Avant-Garde A Chance" (1996)

Das etwas andere Album. Angekündigt zunächst als experimentelle EP, ist dank zweier Cover und zwei Neubearbeitungen von "Irrational Anthems"-Evergreens schließlich doch noch ein komplettes Full-length-Scheibchen aus "Oui Avant-Garde A Chance" (laut aussprechen, hat nichts mit Französisch zu tun!) geworden. Gut so, denn hier ist genug hochklassiges Material enthalten, um das es einfach zu schade wäre, wenn es zur obskuren Randnotiz in der Skyclad-History degradiert werden würde.

Folk pur war diesmal angekündigt - den Metal-Anteil auf dieser CD muß man trotz des urtypischen Openers "If I Die Laughing, It'll Be An Act Of God" mit der Lupe suchen. Dennoch sind erstaunlicherweise auch Songs wie der akustische Pub-Fiedelhit "Great Blow For A Day Job" zu jeder Zeit sofort als Skyclad-Songs erkennbar...nur ein Beweis dafür, wie erfolgreich Martin & Co. in den letzten Jahren den Folk/Metal-Crossover vorangetrieben hatten. Unterstützt wurde man hier übrigens von einigen Mitgliedern ihrer (wesentlich erfolgreicheren) deutschen Brüder und Schwestern im Geiste, Subway To Sally.

"Constance Eternal" wiederum, ein Tribut an Martins unlängst verstorbene Großmutter (eine seiner größten Fans und Supporter!), deutet ebenso wie "Jumping My Shadow" an, daß sich Martins Texte mehr und mehr persönlichen Themen widmeten. Letzterer Song, von Mr. Walkyier traurig-gefühlvoll gesungen, beschäftigt sich eindringlich mit dem Trennungsschmerz am Ende einer gescheiterten Beziehung und ist so weit entfernt von seinem üblichen Zynismus, wie es nur möglich ist. Selbigen gibt's dafür wieder im Überfluß in "Bombjour!", in dem passend zum Titel Atom-Napoleon Chirac sein Fett wegbekommt.

Ach ja, die Coverversionen..."Master Race" stammt von Martins Lieblingsband New Model Army und ist wie für Skyclad geschaffen; "Come On Eileen"  von den Dexy's Midnight Runners hingegen ist Folkrock at its flachest, die Sorte von Tralala-Gefiedel, über der die Engländer immer meilenweit standen.

9. "The Answer Machine?" (1997)

Und noch'n Folk-Album. Und meiner Ansicht nach das erste Skyclad-Album, bei dem sich die rasend schnelle Produktionsweise (ein Scheibchen pro Jahr war bis jetzt Minimum!) wirklich negativ bemerkbar machte. Den ansatzweise metallastigen Songs wie dem Opener "Building A Ruin" oder "Worn Out Sole To Heel" (wenigsten wortspieltechnisch war Martin voll auf der Höhe!) fehlten sowohl die Kompromißlosigkeit der frühen Jahre als auch das überragende Hitpotential des "Irrational Anthems"-Materials. Lediglich das schnelle "Eirenarch" kann mich einigermaßen begeistern.

Bei den puren Folkrock-Songs wie "Single Phial", "Helium" oder dem überragenden, ruhigen "Thread Of Evermore", bei dem übrigens Atrocity-Gastsängerin Yasmin Krull Martin vokaltechnisch unterstützen durfte, hatten die Briten ein glücklicheres Händchen, lehnten sich auch recht deutlich an Martins Idole New Model Army an. Da sämtliche Songs nach Track 7 auf dieser CD aber bestenfalls Durchschnitts-Füllerware sind, halfen diese  wenigen lichten Momente zumindest für meinen Begriff aber auch nicht mehr viel. Skyclad brauchten einfach mal 'ne Pause.

Fazit: nur für beinharte Fans, die werden aber immerhin vier Klassesongs finden.

9a. "Outrageous Fourtunes" (EP, 1997)

Diese EP sei hier nur der Vollständigkeit halber genannt, denn regulär ist der wie immer höchst clever betitelte Vier-Tracker niemals im Laden gestanden. Zum Release des "The Answer Machine?"-Albums begaben sich Skyclad auf Promotour durch die Plattenläden der Republik, wo man dann Akustik-Gigs spielte und fleißig Alben signierte. Bei Kauf des Albums gab's dann auch diese EP für lau, auf der man neu eingespielte Akustik-Versionen der Klassiker "Land Of The Rising Slum", "Sins Of Emission", "Alone In Death's Shadow" sowie "Spinning Jenny" (Violine only!) findet. Ein nettes Bonbon für Sammler, das in Griechenland wohl auch mal mit richtigem Cover erschienen ist (hier gab's nur 'ne weiße Papphülle) - trotzdem bin ich auch hiervon nicht sonderlich begeistert. Bei Skyclad war eben ein wenig die Luft raus, der alte Biß im Laufe der Zeit verschwunden.

Das zugehörige Konzert in der Bonner Fußgängerzone war allerdings höchst denkwürdig: einerseits, da man erstmals Produzent Kevin Ridley als Gitarrist mit on the road geschleppt hatte (er sollte zum nächsten Album fest einsteigen); und anderseits, da die Herren "Folk-Rocker" auf Zuruf einer älteren Lady nicht mal den Standard "Whiskey In The Jar" zum Besten geben konnten. Schämt Euch...;-)

10. "Vintage Whine" (1999)

Skyclad auf dem Weg der Besserung. Für "Vintage Whine" ließ man sich rekordverdächtige zwei Jahre Zeit (OK, Def Leppard lachen darüber, aber für Skyclad ist das 'ne halbe Ewigkeit!), und das hat sich gelohnt. Mit den beiden Neu-Mitgliedern Steve Ramsey (g.) und Jay Graham (dr., Trompete (!)) ist die Besetzung erstmals seit "Silent Whales..." wieder komplett; und auch der Sound geht glücklicherweise wieder in die heftigere Ecke.

Dennoch bin ich von "Vintage Whine" nicht hundertprozentig überzeugt. Die Scheibe beginnt nach Jays Tröten-Intro zwar mit einem nahezu unschlagbaren Dreier, bestehend aus dem hitverdächtigen Titelsong, dem schnellen "On With Their Heads!" (wohl der härteste Skyclad-Song seit "Silent Whales"-Zeiten), sowie dem eingängigen "The Silver Cloud's Dark Lining" - danach jedoch beschränkt man sich darauf, (zumeist erfolglos) zu versuchen, die Magie des "Irrational Anthems"-Werkes zu kopieren. "Bury Me", "Little Miss Take", "Something To Cling To"...alles zwar gute Songs, aber eben alles schon mal dagewesen, und das wesentlich stärker. Steve Ramseys Gitarrenriffs, die sonst auch den mittelmäßigsten Song herausreißen können, schlagen zwar wieder 'ne gute Ecke härter ins Mett, erreichen aber außerhalb der erwähnten ersten drei Songs zu keinem Zeitpunkt die Ausnahmeklasse der frühen Alben. Alles in allem riecht "Vintage Whine" verdammt nach Kompromißalbum für die Metalheads, die die folkigere Ausrichtung der letzten zwei Scheiben nicht akzeptieren konnten (wovon auch ich mich nicht ganz freisprechen kann).

Dementsprechend ist "Vintage Whine", das von zwei eher sperrigen Songs ("A Well Beside The River" und "Cancer Of The Heart") und einer erschreckend schwachen Ballade ("No Strings Attached") komplettiert wird, zwar eine definitive Steigerung zum schwachen Vorgänger, aber die erhoffte Erlösung in keinem Falle. Auch wenn Martin eine Extraportion Zynismus ausgepackt hatte - man nehme nur den Albumtitel, und wennn man Texte wie "Little Miss Take" oder "Bury Me" durchliest, kann man wohl davon ausgehen, daß er in jüngster Zeit nicht allzuviel Glück mit dem anderen Geschlecht hatte. Wie auch immer - "Vintage Whine" ist gut, aber nicht herausragend. Und "weder Fisch noch Fleisch" ist mir für eine Band von dieser Klasse einfach zuwenig.

11. "Folkémon" (2000)...und die Zukunft?

Die endgültige Rückkehr zu alter Größe. "Folkémon" ist das stärkste Skyclad-Album seit "Irrational Anthems" und kehrt nach längerer Durststrecke endlich zu den frühen Glanztaten der Band zurück. Ein längeres Review des Albums gibt's hier zu lesen - da ich noch 100%ig hinter dem damals Gesagten stehe, spare ich mir hier weitere Worte...

Und die Zukunft? "The future looks rosy - I just went colourblind" - wie wahr? Kaum bringen die englisschen Folk-Metaller das stärkste Album seit Urzeiten heraus, schon wird man erneut geschockt. Diesmal mit der Ankündigung, daß Sänger Martin Walkyier nach zehn Jahren die Band verläßt...finanzielle Probleme hindern den Guten wohl daran, mit seiner Truppe weiterzumachen. Ein schwererer Schlag konnte die Briten wohl nicht treffen - Martins unverwechselbarer Gesangsstil und seine herausragenden Lyrics waren das Herz und die Seele der Band, die sie für mich meilenweit über sämtliche anderen Truppen ihres Genres (von denen manche Nachahmer mittlerweile zehnmal erfolgreicher sind) katapultiert hat - direkt an die Spitze des originellen, intelligenten Metals.

Ich will hier Skyclad nicht totschreiben. Der Rest der Band wird ohne Martin weitermachen; Kevin Ridley soll seine Rolle als Sänger und Texter übernehmen. Fest steht nur eins: er wird es nicht leicht haben, das Erbe des Martin Walkyier anzutreten. Eine Chance werde ich ihm, wie auch Martins neuem Projekt Return To The Sabbat, sicher geben...alles darüber hinaus läuft unter dem Motto "abwarten und Tee trinken". Schaun 'mer mal.

(c)2001, Ernst Zeisberger. Alle Zitate (in kursiv): (c)1991-2000, Martin Walkyier.