Fates Warning: Awaken The Guardian
Tja, wie soll ich zu diesem Album etwas schreiben, wenn nebenher eben dieses läuft und mir ein Schauer nach dem anderen über den Rücken rast? Von den ersten wundervollen Klängen des Openers "The Sorceress" ("I search alone, dark the night, deep the blackest forest, down the devil's hopyard, on my way from Salem I lit a fire...") bis zum letzten Hauch des unbeschreiblichen "Exodus" ("The power of good will not be shown by conquering fear, let it be known it's a constant resist while facing transformation.") ist dieses musikalische Lebenswerk ein einziges gigantisches Hörerlebnis, das im gesamten Musikbereich auch elf Jahre später niemals mehr in dieser Intensität erreicht wurde.
Anno 1986 zelebrierten Fates Warning bereits einen Musikstil, der erst Jahre später als "Progressive-Metal" kategorisiert werden sollte und deren Titulierung doch der Musik niemals gerecht werden wird. Das besondere an "Awaken..." ist die Tatsache, dass die ganze einmalige Athmosphäre nicht durch vordergründig eingesetzte Keyboardstrukturen (kein einziger Ton dieses Instruments ist auf "Awaken..." zu hören!) oder Pseudo-Klassik-Einsprengsel sondern nur durch die perfekte Verschmelzung aus dem (Über-)Gesang von John Arch und dem Gitarrenduo Matheos/Aresti, unterstützt durch die solide Rhythmussektion Joe DiBiase (bass) und Steve Zimmermann (drums) erreicht wird. Solch magische, elegische Momente wie "Fata Morgana" ("Morrigan you come again, Morgan La Fay, raven on my sill of frost..."), der All-Time-Classic "Guardian" ("These walls are stained, engraved with pain, you will find them under shadows casting shame..."), der ab und an heute noch von der Band gespielt wird oder all die restlichen O(h)rgasmen sind bis heute unerreicht und werden wohl auch niemals mehr getoppt werden.
Ehrlich: auf dem gesamten Album gibt es keine schwache, geschweige denn überflüssige oder langweilige Note, alles passt zusammen und wirkt wie ein Kunstwerk, für das der Künstler sein gesamtes Leben Zeit gehabt hat und das aus diesem Grunde einzigartig geworden ist. Man darf jedoch niemals den Fehler machen, und diese (über allem schwebenden) Fates Warning mit der heutigen Besetzung gleichsetzen, denn eigentlich müssen sie wie zwei verschiedene Bands zu behandeln sein: die, die unsterbliche Musikereignisse wie eben "Awaken..." oder "The Spectre Within" mit all ihrer Mystik und Magie schufen, und die, die (ebenfalls hochklassige) Werke wie "No Exit", "Parallels" und "A Pleasant Shade Of Gray" veröffentlichten, die jedoch in keiner Sekunde an ein Album wie "Awaken The Guardian" heranreichen.
(c)1997, Michael Kohsiek