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Omega Point: Infinite Rhyme

Es ist irgendwie tragisch. Woche für Woche sieht man im Plattenladen neue CDs von Bands die (entweder im "True"- oder Black-Lager zuhause) sich nicht nur fast alle ähneln, sondern auch musikalisch nicht das geringste Mass an Energie und Glaubwürdigkeit besitzen. Und man weiss: es gab soviele Combos mit Oberliga-Material und markantem Erscheinen die niemals aus dem Demo-Stadium herausbrachen. Syrus, Brick Mistress, Attaxe, Infra Red (Jahrhundertballade "The scarlet tear" auf dem auf 500 Stück limitierten Cassettensampler "Underdogs vol. II: To conquer the border"), Angellic Rage, die furiosen Sindrome (welches Label geht endlich auf der Suche nach den Mastertapes der zwei Demos und bringt etwas SINVOLLES auf CD heraus?) - allesamt Plattenvertrag-würdige Bands, die den schmerzlich langsamen Underground-Tod starben. Wer da noch etwas faselt von "Some music was meant to stay underground", der hat sie wohl nicht alle: diese Musik soll uns im CD-Format erhalten bleiben, damit sie im nächsten Jahrtausend von Querdenkern gehört werden kann die sich ausserhalb der von Massenmedien kontrollierten Konsum-Realität aufhalten!

In 1991 hatte Andreas Reissnauer das "Infinite rhyme"-Tape der aus Baltimore stammenden Truppe Omega Point im Vertrieb und verhalf so der Band zu einem gewissen Bekanntheitsgrad. Mehrere euphorische Kritiken waren den Gazetten zu entnehmen und man prophezeite so manchen grosse Metaltat aus dem Lager der US-Provinzler.

Was da kam? Nichts. Silentium. Ich erinnere mich, dass ich erst viel später vom Endpunkt der Endpunktler erfuhr. Denn es war die dunkle, dunkle Zeit des unsagbaren Grunge, in Amiland waren alle offene Augen und festgeschlossene Ohren auf Shittle, pardon Seattle gerichtet und in Europa kam man sich als Metaller damals als letzter der Mohikaner vor. Bis heute - trotz des angeblichen Metal-Revivals - hat die Musikwelt diesen Tiefpunkt nicht so recht verkraftet. Es wird ge-cross-overed und ge(re-)mixed, geschrubbt und geschrammelt, man ist entweder auf Computerbeats und Pillen bis zum Kollaps happy oder feiert die totale fin de siècle-Dekadenz in nihilistischen Texten und heruntergestimmten Gitarren. Im Geld- und Selbstverwirklichungsrausch heisst es: anything goes.

Die Musik aber, die ehrliche, altmodisch-melodische, handwerklich-geübte Musik - die ist seitdem noch seltener, noch untergründiger geworden. Omega Point hätten zur Zeit von "Transcendence", "Fifth Angel" oder "The warning" ihren gerechten Plattenvertrag erhalten und uns mindestens einen Vinyl-Klassiker hinterlassen. In 1991 aber, als viele Majors ihre 80s-Bands schon gedroppt hatten um sich wie die rabiaten Hunde auf den neuen Sound zu stürzen, standen diese Musterknaben des Metals gottverlassen in der Wüste da, verdursteten und vertrockneten bis nur noch weisse Knochen von ihrer einstigen Existenz sprachen.

Viereinhalb (das erkläre ich später) makellose Beispiele des saubersten US-Metals hinterliessen sie, vom Midtempo-Banger bis hinzu atmosphärischen Ballade. Der Opener "To reign..." weist den Weisen den Weg: Queensryche meets Crimson Glory in einer Hymne mit Jubel-Lyrics:

"Follow me through the shadows
to another place in time
We'll walk through past centuries
when power ruled mankind

Where man like Ghenghis Khan were feared
and all would have a dream
Of clashing steel and fields of blood
and all were promised
lasting power...
To reign immortal!"

Die Äxte von Michael Donahoo und Mark Champlin (where are you guys?) ziehen im heroischen Duett übers metallische Schlachtfeld, Vokalkünstler Jeff Grove steht Tate, Midnight und Paul Davidson (Heir Apparent-Sänger auf "Graceful inheritance") in nichts nach und kämpft sich trendfrei durch. Ah, es wird mir schon jetzt zuviel, ich brauche ein Taschentuch!

Das nachfolgende "The face" haut etwa in dieselbe Kerbe: melodischer Epic Metal pur mit liebevoll ausgearbeiteten Details ohne Frickelverdacht, hohem Gesang und passend schwermütigem Text über das nahende Ende eines Lebens."Test of fate" knallt dann als dritter Song so rein wie wir es uns von den erwähnten Heroen Crimson Glory, Heir Apparent und Queensryche damals zwar wünschten, aber nicht mehr bekamen. Die Riffs riffen und Leads leaden (äh, ihr versteht was ich meine) ohne jegliche Spur der Moderne. Luftgitarre auspacken, Bude-Bühne betreten und loslegen! Man kann es manchmal nicht fassen was da vor Jahren für Edelmetall geschmiedet wurde ohne dass es Interesse seitens der Independents gab. Ich meine; von den Majors ist man Ignoranz, Opportunismus und jeden erdenklichen anderen Scheiss gewohnt, aber von den kleineren Labels erwartet man doch ein wenig Zuversicht. Im Falle Omega Point: Fehlanzeige.

Mit dem feinen "Legacy" kommt nochmal eine US-Metal-Perle für die Power-Elite zum vorschein (diese Leads!), bevor die Ballade "Was it me?" das Tape beschliesst. Mit der Tatsache, das Demo sei für viele wohl zu kurz ausgefallen, hatte die Band gerechnet: auf der B-Seite stehen die fünf von der Band demokratisch verfassten und arrangierten Kompositionen nochmals zum abspielen bereit.

"Was it me?" weisst mit seiner doch arg pathetischen vokalen Darbietung und nicht-so-schnurgeraden Pfeiftönen (Ziel war wohl "The lady wore black"; isses dann doch nicht gaaaanz geworden) einige Defizite auf (daher die viereinhalb, statt fünf US-Metal-Knaller). Man mag aber davon ausgehen, dass die Herren einfach nicht genügend Zeit und Geld hatten, um die letzte Nummer perfekt arrangiert (sie wirkt wie eine unvollendete Version von Crimson Glory's "Lost reflection") aufs Band zu bringen. Weiteres Indiz hierfür
sind die in den restlichen Songs hier und da auftauchenden, leicht schiefen Gitarrenleads, bei denen man einfach spürt, dass sie nicht nochmal überarbeitet werden konnten.

Heilsam aber ist die für Demo-Verhältnisse amtliche Produktion der Band selbst, die sich vor allem im Gitarren- und Drumbereich hören lassen kann. "Infinite rhyme" wäre heute wohl als CDemo vertickt worden, leider weist mein Kassetten-Exemplar nach acht Jahren schon wesentliche Gebrauchsspuren auf. Nicht zuletzt weil ich im Sommer '91, kurz nachdem ich das Tape aus meinem Postfach gefischt hatte, für einige Zeit nach Paris zog und es mir per Walkman im sonnigen Jardin de Luxembourg unzählige Male reingezogen habe. Paris, ein Buch, eine Flasche Evian, einige Croissants aux Amandes und Omega Point's "Infinite rhyme" - mehr brauchte ich damals nicht. War 'ne schöne Zeit.

(c) 1999, Oliver Kerkdijk