Keep It True VI -
07./08. April 2006
KIT WARM UP SHOW
Ein verdammt hochkarätiges
Billing, das die Mannschaft um Olli Weinsheimer zur diesjährigen KIT Warm-Up
Show im beschaulichen Dittigheim versammelt hat. Die tolle Mischung aus
klassischem Metal, deutschem 80er Jahre-Thrash (bekanntlich der beste der
Welt) und einer Prise Doom erwies sich völlig zu Recht als Publikumsmagnet par
excellence. In der Folge waren die Karten für’s Warm-Up schon Monate (!)
vorher restlos ausverkauft. In den Tagen vor der Show wechselten bei Ebay
Tickets für bis zu 30 Euro den Besitzer.
DANTESCO
Als einzigen Newcomern des
Abends gebührt den Puertoricanern DANTESCO die Ehre, das KEEP IT TRUE VI mit
einer satten Portion Epic Metal einzuläuten. Wenngleich noch viele Headbanger
vor der Halle die Frühlingssonne genießen, gelingt es dem Buena Vista Social
Club des Doom, vor der Bühne für die ersten kreisenden Matten zu sorgen. In
Mönchskutten, gehüllt, zocken die fünf größtenteils die Songs ihres starken
2005er Debüts „De la mano de la muerte“. Höhepunkte: „Mi venganza“,
„Cronicas de la muerte negra“ und der Titeltrack. Auch zwei neue Tracks
vom neuen Album, das wohl gegen Ende des Jahres erscheinen wird hat man im
Programm. Sänger Erico „la bestia“ veredelt die Lieder souverän mit seiner
kraftvollen, teils opernhaften Stimme und durchleidet dabei jede einzelne Note
mit südländischer Inbrunst. Leider wirkt der schwergewichtige Fünfer –
übrigens durchweg herausragende Musiker - ziemlich hüftsteif. Jungs, schaut
doch auch mal ins Publikum, nicht nur auf Eure Instrumente! Dann klappt’s auch
mit mehr Beifall. Alles in allem aber ein toller Einstiegs-Gig. Kompliment!
ASSASSIN
Mit „Upcoming Terror“
und „Interstellar Experience“ hatten ASSASSIN in der zweiten Hälfte der
80er zwei sträflichst unterbewertete Thrash-Abrissbirnen eingezimmert, doch
was die Band von der Bühne der Sporthalle Dittigheim aus ins Publikum holzt,
macht zunächst mal einen recht zwiespältigen Eindruck. Der Einstieg mit „Assassin“
ist zwar gut gewählt, die Band hat sichtlich Spaß an der Sache und Robert
Gonella tobt über die Bretter wie eh und je, aber irgendwie zündet das ganze
nicht richtig. Vielleicht ist der stilistische Unterschied zum Headliner dann
doch zu groß? Vor der Halle ist in jedem Fall einiges los. Auch ob man als
Thrash Metal-Truppe schon beim ersten Song unbedingt Mitsingspielchen
veranstalten muss, sei ebenso dahingestellt, wie die Frage, ob anstelle eines
Drumsolos nicht ein Hit wie „Holy Terror“ der Stimmung womöglich
zuträglicher gewesen wäre.
Mit „AGD“ und vor allem
dem Stahlmantelgeschoos „Baka“ kommt aber doch langsam Schwung in die
Sache und so gerät spätestens ab „Junk Food“ der Auftritt zum
erwarteten Sperrfeuer. Robert hält es nicht mehr in seinem Unterhemd und fetzt
schließlich mit freier Wampe Kracher wie „Bullets“ und „Fight (to
Stop the Tyranny)“ in die munter moshende Menge, so dass die ganze Chose
vor allem wegen der saustarken zweiten Hälfte der Show insgesamt in jedem Fall
im grünen Bereich abzuhaken ist.
DEMON
Mann, was hab ich mich auf
DEMON gefreut. Auch wenn bis auf Dave Hill niemand von der ursprünglichen
Besetzung übrig ist, liegt in Songs wie „Remembrance Day“ oder „Don’t
break the circle“ doch noch immer jene Art von Magie, wie sie nur den ganz
großen Bands zueigen ist. Mit „Night of the Demon“ als Opener kann man
kaum was falsch machen, und doch folgt erstmal eine Enttäuschung. Die
einzigartig raue Götterstimme von Dave Hill – vielleicht das wichtigste
Aushängeschild von DEMON - ist kaum zu hören. Bange Blicke zum Mischpult.
Hoffen und auf Besserung warten.
Die Musiker selbst scheinen
auf der Bühne keinerlei Soundprobleme zu haben und nehmen das begeisterte
Publikum mit auf einen wunderschönen Abend zeitlosen britischen Hard Rocks,
einer Band, die sichtlich Spaß an ihrem Auftritt hat und einem charismatischen
Frontmann, der zwischen Klassikern wie „Into the nightmare“ , „The
plague“ immer wieder mit einem Zwinkern im Auge oder einer scheinbar
beiläufigen Geste bei den Headbangern vor der Bühne neue Kraftreserven
freisetzt. Alte Frontmann-Schule!
Auch der Sound ist inzwischen
besser geworden - wenn auch nicht ideal - und so steht einem gelungenen
Abschluss des Abends kaum etwas im Wege. Weiter geht’s mit „Black Heath“,
„Sign of the madman“ und „Wonderland“, das sich live als echte
Stimmungsgranate entpuppt. Mit „Standing on the edge“ hat sich sogar
ein neuer Song vom 2005er Album „Better the devil you know“ ins
ansonsten strikt old-schoolige Programm geschlichen, der aber bestens mit den
Nummern aus der Zeit vor 1985 harmoniert. „Under a spell“ und „Life
on the wire“ setzen ein Hitfeuerwerk fort, für das andere Bands töten
würden. Dann ist es soweit. Der Übersong! Vom Publikum lautstark angestimmt:
„Don’t break the circle“. Die pure Magie, unbeschreiblich! Nicht
wenigen gestandenen Rockern in der crowd stehen die Tränen in den Augen. Ein
grandioser Abschluss für ein grandioses Konzert.
Mit der Zugabe „One helluva
night“ schickt man die Leute endgültig ins Nirvana. Phantastisch! Aber wo
waren Songs von der genialen 89er-Platte „Taking the world by storm“?
Wo waren „Life Brigade“ und der Titeltrack? Wo war „Commercial
Dynamite“? Und vor allem: wo zur Hölle war „Remembrance Day“? Sich
auf die alten Platten beschränken - schön und gut, aber dafür solche Klassiker
außen vor zu lassen, halte ich dann aber doch für ein wenig übertrieben.
Tauberfrankenhalle, Königshofen, 8. April
2006
POWERVICE
Ich werde es gleich vorwegnehmen: POWERVICE
waren der beste Opener, den das Keep it True Festival bisher hatte. Ich weiß,
IGNITOR waren im letzten Jahr verdammt stark. Ich hab’s gesehen. Trotzdem:
POWERVICE waren stärker. Basta. Wenn ein Eröffnungsact, der in seiner erst
achtmonatigen Karriere gerade mal drei Lieder veröffentlicht hat, bereits nach
dem ersten Song mit Sprechchören gefeiert wird und es schafft, dass trotz
Plattenbörse und Mittagszeit die Fäuste von der Bühne bis zum Mischpult in die
Höhe gehen, muss man blind und stocktaub obendrein sein, um nicht zu erkennen,
dass hier etwas Großes im Gange ist.
Die fünf jungen Holländer sind von den
Publikumsreaktionen sichtlich überwältigt und schauen mit großen Augen auf das
Treiben vor der Bühne. Der Performance tut’s keinen Abbruch. Die Jungs rocken,
posen und spucken wie die Alten. Kurz: Es ist eine wahre Freude der Band
zuzuschauen, wie sie bei potentiellen Klassikern wie „Behold the Hand of
Glory“ ihre doppelläufigen Gitarrensalven in die Menge schrotet. Lob auch
an Sänger Rogier Stockbroeks, der mit seinem energischen Stageacting das
Publikum phantastisch im Griff hat und maßgeblich zur geballten Power
beiträgt, mit der die Band rüberkommt.
Leider kann der Mischer mit der tollen
Performance der Band nicht ganz mithalten, weshalb von den filigranen
Twin-Guitar-Leads recht wenig übrig bleibt. Nach „Nightstalker“, dem
zweiten Lied der inzwischen ausverkauften Demo-CD, folgt mit „Rock Dealer“
der erste neue Song, bevor nach einer kurzweiligen Gitarren-Solo-Einlage mit
„Fire“ und dem überragenden „Into the lights“ ein weiteres
Appetithäppchen von der 2006 erscheinenden Full-Length-Scheibe gereicht wird.
Mit „The End is coming“ verabschiedet sich die Band schließlich vom
begeisterten Publikum und schwebt den Rest des Tages mit entrücktem Lächeln
durch das Festivalgelände. Sehr geil. Sehr sympathisch.
WOTAN
Nach einer Tour de Force, wie sie POWERVICE
auf die Bretter legen, ist es schwer, noch einen drauf zu setzen. Zumal der
leicht träge Epic Metal der Italiener WOTAN nicht wirklich dazu taugt,
nachmittags um eins für Stimmung zu sorgen. Hätte vor der Bühne nicht eine
Gruppe italienischer die-hard Fans für mächtig Ramba-Zamba gesorgt, wäre es
wahrscheinlich ziemlich mau für die Band ausgegangen. Lieder wie „Under the
sign of Odin’s Ravens“ sind zwar wunderbare Mitsing-Hymnen, aber die
quäkige Stimme von Sänger Vanni trägt ebenso wenig zur epischen
Fantasy-Atmosphäre der Musik bei, wie der abermals suboptimale Sound oder der
Plastik-Totenkopf, der bei „Drink in the skull“ vom demnächst
erscheinenden Album „Epos“ bedeutungsschwanger hin und her geschwenkt
wird. Herrje…
Als Vanni dann einen Special Guest
ankündigt, drängt plötzlich alles in Richtung Bühne. Niemand anderes als Ross
the Boss spaziert mit einem dicken Grinsen auf die Bretter, um gemeinsam mit
den stolzen WOTAN-Jungs, eine tolle Version von „Revelation“ vom 1983er
Götterwerk „Into Glory Ride“ zu zocken. Die Stimmung steigt schlagartig
und mit „Lord of the wind“ kann die Band sogar noch einen draufsetzen -
wenngleich sich der silberne Flügelhelm, mit dem der Sänger dabei über die
Bühne stolziert, arg nah an der Grenze zur optischen Gewalttat bewegt. Alles
in allem ist die Band aber mit ihrem atmosphärischen Epic Metal auf der
kleineren Bühne der Warm-Up Show wesentlich besser aufgehoben. Mir war’s trotz
Gastauftritt von Ross schlichtweg zu wenig Power und Energie, was sicher zu
einem Großteil auch der undankbaren Uhrzeit zuzuschreiben ist.
DARKNESS
Zugegebenermaßen war ich im Vorfeld skeptisch, was den Auftritt von DARKNKESS
angeht. Jahrelang hörte man leider gar nichts mehr von den ehemals zu der
deutschen Thrash-Liga gehörenden Truppe und nun sollte das der Abschiedsgig
auf dem KIT sein ? Auf der anderen Seite waren DARKNESS eine meiner deutschen
Thrashfavoriten aus den 80ern. Also blieb nur: Bedenken über Bord schmeissen
und bei Diskussionen ob das nun Metal ist, wenn es z.B. eine Nachfolgeband
gibt, einfach nicht hinhören.
Spätestens beim Intro "Invasion Sector 12", welches schon die für mich in die
Geschichte eingehende Scheibe "Death Squad" schmückte, dürften dann wohl alle
Zweifel weggewesen sein. Nur warum sind Intros immer so lang ? Ich glaub es
ging nicht nur mir so, dass es kaum erwarten konnte, bis das Gewitter mit "Critical
Threshold" endlich richtig losging. Ich habe jedenfalls beim KIT noch nie
erlebt, dass um viertel nach zwei mittags (!!) bereits ein Moshpit im Gange
ist und die ersten Stagediver über die Absperrung fallen. Diejenigen die
Darkness noch nicht kannten, wussten spätestens jetzt wo es musikalisch lang
geht: 80er Thrash Metal ala Ruhrpott. Ich wusste gar nicht, dass es noch (oder
wieder?) viele Fans der alten Schule gibt. Und alte Säcke können noch rocken (räusper)!!
Das wurde mehr als bewiesen!!!
Was lag näher als bei einem Abschiedsgig Songs zu spielen mit denen damals
alles begann!! Sehr zu meiner Freude war die Songauswahl mehr als perfekt, so
dass man fast die gesamte "Death Squad"-Scheibe zu hören bekam. Mit nur zwei
Songs der "Defenders of justice" ("Caligula" und "They need a war") wurde das
Set noch abgerundet. Richtig gänsehautig wurde es mir, als der Hypersong "Burial
at Sea" aus den Boxen dröhnte. Ich glaube nicht, dass ich die einzige war, die
Tränen in den Augen hatte.
Das Gewitter ging dann nach "Staatsfeind" und mit drei Songs ("Caligula", "Phantasmagoria"
und "Iron Force") munter weiter und ich für meinen Teil musste aufpassen, dass
ich im Moshpit nicht ständig aufm Hintern lag.
Ich fragte mich insgeheim, wieso Gitarrist Arnd damals nach dem Tod von Sänger
Oli (RIP) nicht gleich selbst gesungen hatte. Dann hätte man sich ein
schwächeres drittes Album sparen können. Ich war jedenfalls positiv
überrascht, wie gut der Gesang klang.
Alles zusammen ein Hammergig, dem nicht mal der Riss von Basser Emma's Gurt
nen Abbruch tat. Einfach mit Gaffer Tape festkleben und weiter gehts :-)
Gute Feen, die einem Wünsche erfüllen gibt es ja leider nicht, sonst hätte ich
mir glatt gewünscht, dass es mit DARKNESS weiter geht. Aber musikalisch gibt
es ja wie schon erwähnt die Nachfolgeband Eure Erben (www.eureerben.de),
die zumindest einige sehr geile Neuaufnahmen von Darkness-Songs kreiert hat.
(Susi)
AXEHAMMER
Satte zwei Platten haben die Ami-Veteranen
AXEHAMMER in ihrer inzwischen 25jährigen Karriere veröffentlicht. Vor allem
„Windrider“ von 2005, das zuletzt erschienene Lebenszeichen, ist ein
echtes Sahnestück, dessen kraftstrotzender US-Power Metal völlig zu recht in
den einschlägigen Gazetten abgefeiert wurde. Die Fans sehen’s offenbar ähnlich
und so dürfen AXEHAMMER als erste Band des Festival-Samstags von Sprechchören
begleitet die Bühne entern. Leider gibt’s auch hier zunächst wieder
Sound-Probleme. Während der Gesang von Bill Ramp viel zu leise ist, pflastert
die Double Bass alles zu und lässt kaum Platz für Jerry Watts Gitarre und die
melodischen Läufe des unbekannten Bassisten (Colin Sauers war’s jedenfalls
nicht…).
Die Setlist besteht fast ausnahmslos aus
neuen Songs. „Dancing with Demons“, „Power“, das überragende „Stand
up and fight“, “Rise up”, “Back for Vengeance”, “Windrider” und das völlig
rulende “Stand and Deliver” lassen keine Wünsche offen. So hat
klischeefreier, schweißtreibender Power Metal verdammt nochmal zu klingen.
Auch wenn Bill Ramp sichtlich mit den Temperaturen zu kämpfen hat und
schließlich wie ein rot angelaufener Teddybär mit Nietenarmbändern über die
Bühne wankt – seine charismatische Stimme steht wie eine Eins. Ein wenig mehr
Stageacting wäre aber – trotz des fortgeschrittenen Alters der Recken – sicher
nicht übertrieben gewesen. Nach einem kurzen Solopart folgt der krönende
Abschluss mit der Bandhymne „Axehammer“ vom 1998er Debüt „Lord of
this realm“, bevor die vier strahlenden Musiker unter dem lauten Beifall
des Publikums von der Bühne verschwinden. War sicher nicht ganz alltäglich für
die Herren, vor so einer Kulisse zu spielen, weshalb sich Bill Ramp auch einen
Seitenhieb in Richtung amerikanischer Szene nicht verkneifen kann: „The
fucking Americans will never get this music…“. Wir verstehen Euch, Jungs!
Kommt bald mal wieder!
GRIM REAPER
Grim
Reaper zählten Mitte der 1980er zu den wenigen Bands, die von der
NWOBHM nach Amerika geschwemmt wurden und dort erfolgreicher als in ihrer
europäischen Heimat waren. Phänomenale Konzerte mit Deep Purple,
Videoaufnahmen für MTV und etwa 750.000 verkaufte Platten allein in den USA –
jenseits des großen Teichs galten Grim
Reaper als die kommenden Superstars. Als sich die Band nach ihrer
dritten Platte „Rock you to hell“ urplötzlich auflöste und Sänger Steve
Grimmett Onslaught beitrat, war die Überraschung in den Staaten groß – in
Europa, wo „Rock you to hell“ gar nicht mehr erschienen war, nahm es
kaum jemand zu Kenntnis.
Dass GRIM REAPER allerdings auch in Europa
noch immer mehr als nur ein Handvoll Fans haben, wird gleich bei den ersten
Tönen von „Rock you to hell“ deutlich. Steve Grimmett, der sich für die
aktuellen Shows mit einer hervorragenden Band umgeben hat, ist nach wie vor
prächtig bei Stimme, und zieht das total ausrastende Publikum schnell auf
seine Seite. Den Kopf zu straighten Mitsing-Rocker wie „Lust for Freedom“,
„Wrath of the ripper“, “Rock me til I die” zu schütteln und sich
dazu einen Becher kühlen Biers ins Gesicht zu stellen, ist schon ziemlich nah
dran an der Vorstellung eines perfekten Metaller-Nachmittags.
Neben mir im Publikum gehen die
DANTESCO-Jungs völlig ab. Der knuffige Sänger Erico „la bestia“ bricht bei
„Fear no evil“ in Tränen aus und singt inbrünstig jede Silbe des 1984er
Titeltracks mit. Bei „Just a matter of time“ greift er sich ans Herz
und stützt sich auf seinen Gitarristen. Ich befürchte einen Infarkt. Er will
aber scheinbar doch nur seine Hingabe ausdrücken. Puh, Glück gehabt! Als Steve
Grimmett dann auch noch „See you in hell“ anstimmt, heult „la bestia“
wie ein Schlosshund. Das ist Leidenschaft, das ist Hingabe, das ist Metal!
Wahnsinn. Ich würde am liebsten mitweinen, aber gegen die pure Power des
Überohrwurms vom 83er-Debüt ist kein Kraut gewachsen. Der Zwang zum Headbangen,
Refrain-mitgröhlen und Faust in die Luft strecken - da ist er wieder.
Hammergeiler Auftritt! Sicherlich einer der
Höhepunkte des Festivals. Erwähnenswert ist nicht zuletzt auch die Leistung
von Drummer Mark Simon, der die komplette Show mit gebrochenem und
eingegipstem Arm durchgetrommelt hat. Kompliment dafür! Es soll ja Gitarristen
geben, die deswegen Studioaufenthalte und ganze Welttourneen verschieben…
ROSS THE BOSS
Drei Studioplatten seit 1988, peinliche
Playback-Auftritte in den Kloaken des deutschen Unterhaltungs-Fernsehen und
Konzerte, die an Fanverarschung grenzen – 18 Jahre nach dem Ausstieg von
Band(mit)gründer Ross „the Boss“ Friedman ist nicht mehr viel vom einstigen
Glanz MANOWARs übrig. Kritiker hatte die Band schon immer. Neu ist, dass es
inzwischen vor allem die eigenen Fans sind, die der Band Ausverkauf und
künstlerische Stagnation vorwerfen. Angesichts gefakter Soundchecks, des
tausendsten 08/15-Double Bass-Aufgusses und der inzwischen fast pathologischen
Egomanie eines Herrn deMaio, ist Ross the Boss bei zahlreichen Alt-Fans zum
Synonym für die „gute alte Zeit“ der Band avanciert. Jener Zeit, in der
unsterbliche, unerreichbare Göttergaben wie „Battle Hymns“, „Into
Glory Ride“, „Hail to England“ und „Sign of the Hammer“ das
Licht der Welt erblickten.
Die Überraschung war daher gelungen und die
Freude groß, als bekannt gegeben wurde, dass Ross the Boss am KIT VI gemeinsam
mit der deutschen Manowar-Coverband MEN OF WAR einen Set, ausschließlich
bestehend aus Songs eben dieser vier ersten Scheiben präsentieren würde. Doch
auch die Kritiker waren schnell zur Stelle. Macht es Sinn, eine Coverband auf
dem Keep it True spielen zu lassen? Gibt es einen Sänger, der sich bei den
Parts von Eric Adams nicht völlig zum Horst macht? Ist eine so hohe Position
im Billing für diesen Schmu gerechtfertigt? Die Antwort? Ja. Ja. Und nochmals
ja.
Die Argumente? Aufgepasst: „Death Tone“,
„Shell Shock“, „Gloves of Metal“ (!!), „Secret of Steel“
(!!!), “Mountains” (!!!!!), “Army of Immortals”, “Bridge of
Death” (unglaublich, göttlich, gewaltig) und nicht zuletzt eine Band, die
statt großer Posen einfach drauf losrockt, ein Sänger, der aus Grippegründen
die ganz hohen Screams klugerweise umgeht, ansonsten aber eine tadellose
Performance abliefert, und ein Gitarrist, dessen Spiel und Ausstrahlung die
pure Magie sind. Klar, MEN OF WAR sind nicht MANOWAR. Das Charisma von Eric
Adams und Joey deMaio fehlen ganz einfach. Aber diese Setlist! Dieser
Gitarrensound! Keine dämlichen Monologe und Soli! Nur die pure ungezügelte
Wucht der frühen Manowar. Majestätisch, magisch, episch. Mir fehlen die Worte,
zu beschreiben, was während „Gloves of Metal“ vor der Bühne los ist.
Gestandene Männer weinen, die Halle bis hinauf zu den Tribünen liegt sich in
den Armen und am Bühnenrand stehen mit leuchtenden Augen die Veranstalter Oli
Weinsheimer und Tarek Maghary, denen das alles zu verdanken ist.
Als bei der zweiten Zugabe „Battle Hymn“ die komplette Halle Silbe für
Silbe die unsterblichen Worte anstimmt „By moonlight we ride – ten thousand
side by side“ stehen Ross die Tränen in den Augen. Bekannte erzählten mir
bereits im Vorfeld der Show, wie sehr es der sympathische Gitarrist genieße,
wieder im Rampenlicht zu stehen, Interviews zu geben und von den Fans gefeiert
werden. Unterstützt von MEN OF WAR, die zu Recht mit Sprechchören bedacht
werden, bedankt er sich heute mit einer atemberaubenden Performance in der von
vorne bis hinten keine einzige schiefe Note zu hören ist (schönen Gruß Herr
Logan…). Rock’n’Roll pur statt Gitarrenschule und Bass-Gelärme. Spätestens als
er sich mit den Worten verabschiedet „usually I don’t like talking in
Rock’n’Roll“, ist jedem in der Halle klar, dass es auf dieser Welt nur
einen wahren MANOWAR-Gitarristen gibt.
(c) 2006, Manuel Trummer