Wow!! Die schönsten Alben sind doch immer die, von denen man im Vorfeld nicht viel erwartet hat, die einen danach dann aber nicht mehr loslassen. Das trifft auf das vierte Album der Schweden Dark Tranquillity zu, das nach anfänglichem Zögern so häufig wie kaum ein anderes in letzter Zeit meinen CD-Player blockierte. Enorm stimmungsvollen, vielschichtigen und genreübergreifenden Metal bekomme ich auf 50 Minuten und in 10 gleich starken Songs geboten. So ist gleich der zweite Song "Thereln" ein Ohrwurm, wie er im Buche steht, der sowohl durch knallharte, mit einem an einen "gemässigten" Chuck Schuldiner erinnernden Gesang ausgestattete Strophen als auch mit einem wundervollen Refrain überzeugt, bei dem - unterstützt durch akustische Gitarren - Sänger Mikael Stanne stark an Depeche Mode's Dave Gahan erinnert. Überhaupt: Stanne ist es, der auf "Projector" am meisten überrascht, beherrscht er doch die unterschiedlichsten Gesangsstile - von tief-grollend bis "clean". Musikalisch bietet "Projector" eine Mischung aus reinrassigem Metal, Gothic-Anleihen und dezenten Melodic-Death-Metal-Einflüssen, die sich aber primär am Gesang als an der Musik festmachen lassen. "UnDo Control" featured dann originellerweise eine elfengleiche Frauenstimme, die immer mal wieder durch fiesestes Geröchel unterbrochen wird. Ich weiss auch nicht, woran es liegt, aber bei Dark Tranquillity klingt dieses "Engelchen/Teufelchen"-Spiel alles andere als ausgelutscht, sondern spannend und packend. Bei "Auctioned" übernimmt dann ein Piano die Melodieführung, und Mikael Stanne packt eine weitere Facette seines vielschichtigen Gesangsstiles aus. Mich erinnert dieser Track teilweise etwas an die Frühwerke von Saviour Machine. Spätestens mit "Day To End" wird's dann vollends verrückt: dieser Song könnte mit seinen vielen elektronischen Elementen und der Melodie nämlich original von einem Depeche Mode-Album stammen. Not very Metal, indeed, aber trotzdem hervorragend! Typischer dann schon wieder das nachfolgende "Dobermann", das durchaus sehr passend betitelt ist. Ihr seht, "Pdojector" ist ein Album, das ziemlich viele Seiten hat und dementsprechend auch viel Zeit zum "Reifen" benötigt. Gebt es diesem Highlight des Jahres, es wird sich auszahlen!
(c)1999, Michael Kohsiek