Neben anderen
okkulten Gesellschaften, wie dem Hermetic Order of the Golden Dawn oder der
Theosophischen Gesellschaft formierte sich als Gegenreaktion zu den
frühmaterialistischen und starren, an Bigotterie grenzenden Normen des
viktorianischen Zeitalters in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im
nordenglischen Keighley ein obskurer magischer Orden namens The Lamp of Thoth.
Jedoch im Gegensatz zum Golden Dawn oder dem späteren Ordo Templi Orientalis,
die sich über zwei Weltkriege und die große Esoterik-Welle der 1970er und 1980er
in die Gegenwart hinüberretten konnten, verschwand die Bruderschaft der „Lamp of
Thoth“ nur wenige Jahre nach ihrer Gründung wieder in der Versenkung.
Etwa 120 Jahre
später steht die Wiedererweckung der Sekte offenbar kurz bevor. Nach ihrem
überragenden „I love the lamp“-Demo aus dem Frühjahr 2007, schicken sich drei
rätselhafte Gestalten namens The Overtly Melancholic Lord Strange (bass/vocals),
Lady Pentagram (drums) und Randy Reaper (guitars) an, mit ihrer ersten
offiziellen Veröffentlichung „Cauldron of Witchery“ die nebligen Moore
Yorkshires einmal mehr mit den Klängen verbotener Rituale und dunkler Gesänge zu
erfüllen.
Auf einer
Spielzeit von gut 15 Minuten zelebrieren die Kultisten drei Hymnen puren,
klassischen Dooms, wie er beeindruckender und vor allem eigenständiger nicht
sein könnte. Den Anfang macht die bereits vom Demo bekannte Bandhymne „The lamp
of Thoth“. Was sofort auffällt, sind der perfekt inszenierte, trockene
Gitarrensound, aus den Schmieden des Rosenquarz Studios (Warning, Isen Torr),
zum anderen der klare, charismatische Gesang Lord Stranges, der sich gegenüber
dem Demo deutlich steigern konnte. Ein Hit, kein Zweifel. Die zweite Inkantation
des finsteren Trios trägt den trügerischen Titel „Sunshine“. Gegenüber dem
hymnischen Opener, regiert hier die absolute Langsamkeit. Das zähe, bedrohliche
Eingangsriff und der später einsetzende Midtempo-Part können und wollen die
Ähnlichkeit zum Titeltrack des 1970er Sabbath-Debüts nicht leugnen. Großartig!
Doch der eigentliche Augenöffner folgt am Ende der EP. Mit „Frost and Fire“
versuchen sich The Lamp of Thoth an niemand geringerem als der US-Legende Cirith
Ungol. Was bei anderen Bands nur in die Hose gehen kann, wird bei The Lamp of
Thoth zum wahren Triumphzug. Indem das Tempo des Stücks um die Hälfte reduziert
wird, entsteht ein völlig neuer Song, der zwar noch immer klar als das Original
erkennbar ist, durch diesen Geniestreich aber gleichzeitig eine völlig neue,
eigene Note erhält und glatt als Eigenkomposition der Band durchgehen könnte.
Faszinierend.
Was das Demo
angedeutet hat, wird durch „Cauldron of Witchery“ bestätigt. Hier ist einer der
eigenständigsten und besten Doom-Newcomer der letzten Jahre am Start.
Beeindruckend ist die Souveränität und die trockene Ironie, mit der die Band
jetzt schon ihre ungewöhnlichen Okkult-Hymnen zelebriert. Wenngleich mit „Pagan
Daze“ der Überhit von The Lamp of Thoth leider nicht auf der 10“ vertreten ist,
stellt die Platte dennoch essenziellen Stoff - nicht nur für die Doom-Gemeinde –
dar. Bei der Veröffentlichung am 31.7. heisst es schnell sein, die Auflage von
500 Stück (125 die-hard) dürfte binnen weniger Wochen vergriffen sein. Absolut
zurecht.
.(c)2007, Manuel Trummer