Aus der Metropole New York, woher jede
Woche mindestens zehn Trendgrüppchen kommen um gleich wieder ins Nirvana zu
verschwinden, stammt das Quartett Twilight Odyssey, bestehend aus Pamela J.
Berlinghof/Vocals, Ben Asaro/Gitarre und Synths, Gennady Khirich/Bass und Sal
Pellerito/Drums und Percussion. Auf ihrem selbstbetitelten Debüt haben die vier
tapferen Kämpfer wider den tierischen Trend zehn Songs von erheblichem
Qualitätsniveau verewigt, die es aber auch schwer haben dürften, bei einer
bestimmten Zielgruppe innerhalb der doch sehr zersplittenen Metalszene
anzukommen. Denn die Art von Metal die Twilight Odyssey spielen liegt irgendwo
zwischen oldfashioned Heavy Metal und Melodic Metal mit einem Schuss Epic, wobei
die Melodieführung schon sehr im Vordergrund steht und die erstaunlich klare
Stimme von Sängerin Berlinghof ziemlich weit entfernt ist von der ihrer
bekannte(re)n Kolleginnen. Als Vergleich fallen mir eigentlich nur Mystery Blue
aus Frankreich und Ignitor aus den USA ein, obwohl weder das eine noch das
andere eigentlich gut passt.
Man legt textlich offensichtlich grossen
Wert auf Geschichten erzählen und musikalisch auf gut ausgearbeitete
Arrangements, in denen alle musikalischen Elemente sich genau die Waage halten
und viel Platz bleibt für kleine Melodiespielchen. Ein kleiner Geniestreich in
Sachen Songwriting ist der dritte Song Near dark, der lebt von einem
ebenso einfachen wie wirksamen Riff und völlig originellen Gesangslinien. Was
Berlinghof hier mit ihrer Stimme leistet, erinnert an die komplexen Sachen eines
John Arch – wie eine richtige Schauspielerin erfüllt sie die jedes Wort, jede
Silbe mit Leben. Abenteuerlich spannend ist das Wechselspiel zwischen
Gitarrenriffs, Drumrhythmen und dem facettenreichen Gesang. Da auch der Text,
handelnd von Untoten die aus ihren Gruften austreten, äusserst atmosphärisch
ist, muss Near dark zu den gelungensten Undergroundsongperlen der letzten
Zeit gezählt werden. Für das nächste Album wünsche ich mir mehr Songs in dieser
Sparte. Überhaupt sind alle Texte – deren Materie an sich meist nicht besonders
originell ist – auf der CD mit einer im Metalbereich eher ungewöhnlichen
Genauigkeit geschrieben dass so mancher Hobby-Texter sich in den heimischen
Poesie-Keller verkriechen wird.
Am Opener Plaza de Toros erkennt man
sofort, dass Twilight Odyssey stur und eigenwillig ihre Urversion vom Heavy
Metal durchziehen werden – und dieser Eindruck wird über die Gesamtlänge ihres
Albums nur bestätigt. Einfach gut rein laufen
detailverliebte Tracks wie das Piratenlied Under the black flag, das
aggressive, mit einem klasse Refrain versehene Science Fiction-Hymne The
endless days of a stranger und der galoppierende Gladiatorenhammer Onward
to the games. Hervorheben muss ich hier noch Track acht, The new queen,
ausgestattet mit einem historischen Text und einem Rhythmus wie fürs Headbanging
geschaffen. Auch ein gewisser Eurometal-Touch ist niemals
zu überhören. Einzig und allein beim vorletzten Track Gettysburg (the blue
and the gray) fällt die Qualität deutlich ab: zuviele oh-oh-oohs und ein
fast Italo-Tralala-kompatibles Refrain machen die Nummer überflüssig. Neun
Tracks hätten es auch getan.
Manko dieser mutig melodischen Debütscheibe
ist die cleane Produktion, die man zwar nicht als matschig oder dilettantisch
abtun möchte, dennoch vor allem im Drumbereich unter Drucklosigkeit leidet.
Gitarrero Ben Asaro weiss offensichtlich genau wie ‘classic’ Twilight Odyssey
klingen sollen, darf aber beim nächsten Mal den Sound ruhig wärmer und voller
gestalten. Das wird auch Sängerin Pamela Berlinghof zugute kommen – ihre Stimme
ist manchmal wirklich zu weit vorne im Mix, während Pellerito’s Drums weit
hinten anstehen müssen.
Trotzdem lautet das Fazit für Twilight
Odyssey: Daumen hoch. Wie aber die Amis es immer wieder schaffen, in ihrem
metalfeindlichen Land solche völlig unkommerzielle Kapellen und originelle
Scheiben zu erzeugen, ist mir schlichtweg ein Rätsel. Übrigens: man sucht einen
zweiten Gitarristen zwecks Live-Shows. Da man der Gruppe in allem anmerkt wie
ambitioniert sie ist, hoffe ich dass es bald klappt und man auf dem
eingeschlagenen Weg weiter marschieren kann. Die CD – ausgestattet mit einem
wirklich edlen Booklet - gibt es bei Matthias Unfug/Hell Bent For Records oder
bei Hellion.
Website:
www.twilight-odyssey.com
(c)2005, Oliver Kerkdijk