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Ark : Ark

Der Flamenco-Saitenhexer, der Coverdale-Vokalbruder und der Teufelsdrummer formten insgeheim eine skandinavische Allianz und verblüffen als solche die Metalwelt mit einem Progressive-Knaller der sämtliche Grenzen des Genres erweitert und stolz und erhaben neben "When dream and day unite", "Eyes of the oracle", "Food for thought substitute" und "To dimension logic" im Regal stehen kann. Tore Ostby (ex-Conception), Jorn Lande (Vagabond/The Snakes) und John Macaluso (ex-TNT, -Powermad und -Riot) düsen per Nippon-Lizenz unter dem kurz-und-bündigen Banner Ark ohne Rücksicht auf Verluste in die Progressive Metalwelt rein. Ich entdeckte die bei Avalon erschienene CD zufällig im Plattengeschäft, hörte rein und war erstmal überrascht vom seltsamen musikalischen Cocktail und der ebenso seltsamen Bandbesatzung. Zuhause geschah dann folgendes: Kopfhörer auf, Buch dazu (das bei Vintage erschienene "Bicycle days" von John Burnham Schwartz; über einen jungen Amerikaner der nach dem Yale-Abschluss nach Tokio geht und dort Leben und Liebe kennenlernt; wundervoll; dies nur zur Vollständigkeit dieses Berichts) und CD rein. Da sah ich fünfzig Minuten lang nur den Sternenhimmel. Wundersame Metalsternchen, das eine noch schöner funkelnd als das andere. Ark liefern ein vorher nicht in dieser eklektischen Form dagewesenes Feuerwerk an Ideen ab, dass es einem die Sprache verschlägt. Zwischen melodischem Hardrock der spät-Siebziger/früh-Achtziger, fast lässigen Jazz-Rhythmen und fulminantester Prog-Metal mitsamt Highspeed-Doublebass pendelt dieses musikalische Lebenselixer, das niemals Zweifel darüber bestehen lässt, dass sie dem Metalbrunnen entsprungen ist. Zwei Beispiele: der in bluesiger Whitesnake-Manier startende Einsteiger "Burning down" entwickelt sich mit rasenden Gitarren und ditto Drumming zum unglaublichen Speed Metal; der Track "Singers at the world's dawn" ist, wie man schon vermutet, ein epischer Kracher mit, sowohl musikalisch als textlich, glasklarem Rising Force-Flair. Ich bin mir davon bewusst dass ich in diesem "Review" nur Superlative verwende, aber was soll ich denn machen? Was für ein glückseeliges Gefühl bereitet mir immer aufs neue der dritte Song "The hunchback of Notre Dame" - Victor Hugo's klassische Geschichte wurde musikalisch so inszeniert, dass man diese Pariser Tragödie quasi neu erlebt. Der Song beginnt in kuriosester Weise als Mischung aus Thin Lizzy (Jorn Landes Gesang erinnert hier fatal an den Phil Lynotts), Seventies-LP-Pop und fast relaxtem Jazz; die raffinierte Percussion-Arbeit von Meister Macaluso treibt einen die Freudenträne in die Äuglein und die eingestreuten spanischen Gitarrenstücke (remember Esmeralda?) von Maestro Ostby sind nicht von dieser Welt. Unfassbar, was die drei Herren (mitsamt einigen Gastmusikern) in diesem neunminutigen Epos vom Stapel lassen. That's what I call music!!! Power ohne Ende bringt der tonnenschwere Track "Mother love" (keine Ballade!), in dem so viel Verschiedenes passiert dass man meinen könnte, hier geht eine Jazz-Metal-Jam Session ab mit Musikern aus Dream Theater, Heaven's Cry und Agent Steel. Das hier enthaltene Percussion-Intermezzo von Macaluso würde Mike Portnoy (DT), Rick Colaluca (Watchtower) und Buddy Rich (berühmter Jazz-Drummer) garantiert von ihrem Drumhocker fallen lassen. Über allem thront die souveräne Stimme Jorn Landes; alsob Coverdale sich von seinen Kuscheltieren und ehemaligen Maitressen gelöst hat und nochmal so richtig mit Élan nachlegt bevor es ins Altersheim geht. Nicht selten gehört für den Lande auch eine Prise Jeff Scott Soto dazu und in den aggressiven Teilen klingt er fast wie ex-Liege Lord-Fronter Joe Comeau im klassischen "Master control"-Stil. All diese Vergleiche sind nicht aus der Luft gegriffen: legt euch "Ark" zu und staunt über das hier Gebotene. Die Produktion dieser schön unkonventionell aufgemachten Japan-CD (das Ólgemälde mit Fotomontage hat etwas naiv-poetisches) stammt von der Band selbst, wobei Vagabond-Keyboarder Dag Stokke ein wenig bei den Vocal-Aufnahmen aushielf. Der für manchen Geschmack zu aggressiv geratene Hi-Hat-/Cymbals-Anteil im Gesamtsound ist leider speziell für Kopfhörerfreaks sehr gewöhnungsbedürftig (ich musste sogar ein wenig Treble rausdrehen). Dagegen lässt aber der frische, transparente Klang der CD die recht komplizierte und dynamische - ja, öfters wütende - Musik zu jeder Zeit glasklar rüberkommen. Tja, und dann kommt der letzte Track, das balladeske "Can't let go". Klingt recht klischeehaft nach 'ner AOR-Sülze, nicht? Denkste! Atmosphärischer und anspruchsvoller kann man die Melancholie kaum gestalten; der spacy Stil dieser Nummer erinnerte mich an die leider sehr unterbewertete Scheibe "Space eternal void" der Amerikaner Eniac Requiem. Ostby's sagenhaftes Gitarrenspiel, Macaluso's abenteuerlicher Percussion-Zauber, Landes für diesen Stil prädestinierte Stimme und die die subtilen Beiträge der Gäste (Maud Graaterud/Vocals, Trond Nagell Dahl/Keys und Harry Sagstuen/Saxophon) runden mit einer zeitlosen Eleganz den Klassiker "Ark" passend ab. Die fünfzig Minuten Musik auf "Ark" sind im wahrsten Sinne des Wortes progressiv und unbezahlbar - sie beweisen dass man sich in der von Monokultur und Geschmacklosigkeit endgültig untermauerten westlichen Gesellschaft noch mit Kunst der Tristesse entziehen kann. Und für jeden rockenden Vollzeit-Melancholiker kommt das einem Freudentanz gleich. Internet-Adresse: www.arksite.com (Meine Güte, wer sich jetzt die Scheibe nicht besorgt, dem kann auch nicht mehr geholfen werden!! -Michael)

(c)1999, Oliver Kerkdijk