Vorsicht, Metalheads; hier ist die eigenwilligste
harte Scheibe des Jahres. "Chiaroscuro", das Debüt der
zwei amerikanischen Musiker Jay Lamm und Keith Warman,
fällt irgendwo zwischen Lordbane, Crimson Glory und
versprüht eine ähnlich mystische, dunkle Atmosphäre
wie manche Black Metal-Platte. Die epischen Tracks
leben von detailliert ausgearbeiteten Arrangements mit
heavy aber melodischen Gitarren, rabenschwarz
gefärbten Keys und philosophischen, manchmal auch
morbiden Texten. Für letztere zeichnet sich
Sänger/Basser/Keyboarder Lamm verantwörtlich, dessen
extremer Gesangsstil und kompromisslose Arbeitsweise
wohl ein Unikum innerhalb des Prog-Power Metal
darstellen.
Der Opener dieses Viertrackers (mit schlichtem aber
gedrucktem Cover), "Into the vivid cherishing", war
schon auf dem Heavy oder Was!?-Sampler vertreten und
tja, was soll ich sagen? Ein zwölf-Minuten Epic mit
sagenhafter Gitarrenarbeit (von Warman), jeder Menge
flüssigster Progressivität im Crimson
Glory-/Lordbane-Stil und einer Gesangsleistung, die
wahrlich ihresgleichen sucht. Im Text geht es um den
Tod eines Geliebten und selten hab ich einen Sänger
derart seine Ratlosigkeit in die endlose Nacht
hinausschreien hören.
"If I had the words to say I'd speak of a million
laughters
I'd speak of life and times together to join again
hereafter"
Nach diesem erhabenen Song, der mich jedesmal aufs
neue fasziniert,
kommt das harte "Holy Mother" mit seinem kranken Text
noch ein weniger heftiger; die Vocals von Jay Lamm
dringen hier in Black Metal-Gefilde vor und werden
sicherlich nicht jeden begeistern. Das hier ist erst
ehrliche Musik, wie sie NUR im Metal-Underground
entstehen und blühen kann.
In "Sudden faith Pt. 1 & 2" geht's wieder gemächlicher
zu, allerdings ist das, mit dem letzten Song noch in
den Ohren, natürlich relativ gemeint. Abwechslung hoch
drei, mit mystischem und religiös anmutendem Text. In
der Mitte dieser Nummer hat man ein grossartiges
Keys-/Synths-Intermezzo miteingeflochten, gefolgt von
einem Gitarrensolo dass sogar ein gewisser Jon
Drenning blass aussehen lässt.
Mit "The illumination mask" gibt es abschliessend ein
Track eines '97er Demos und auch hier treffen
ausgetüftelte Gitarrenläufe auf krasse Vocals. Schon
die Anfangssoli sind ein Ohrenschmaus und was dann
folgt, kann man als sauberst gespielten US-Power ohne
Kompromisse bezeichnen. Dass die vier Songs mit Hilfe
eines Drumcomputers aufgenommen wurden, stört
seltsamerweise nicht im geringsten; sollten Lamm und
Warman demnächst (vielleicht mit einigen Gastmusikern)
eine richtige Platte aufnehmen, könnte uns ein
Klassiker des US-Metal ins Haus stehen.
Internet: www.angelfire.com/me/ceaserin/index.html
E-mail: ceaserin@aol.com oder kwarman@home.com
(c)2000, Oliver Kerkdijk