Ein recht eigenwilliges Stück Metal erreicht uns da aus dem Lande des guten Rotweins und der schönen Frauen. Ebenso schön wie viele der französischen Mädchen sind auch die unzähligen farbenprächtigen Melodiebögen, die sich auf dieser CD über die Songs spannen. Man kann Medusa progressiven Metal nennen, doch mit dem heutigen Standardprog, den uns Dream Theater und Fates Warning einst beschehrt haben, haben sie nichts am Hut. Ihre Songs leben, sie besitzen einen ungeheuren Tiefgang, gerade im emotionalen Bereich. Treibende Heavypassagen gehen hier mit doomigen Walzenriffs Hand in Hand, verspielte Momente und straighte Beats wechseln sich ab. Die Franzosen sind meister der Abwechslung und doch wirken ihre Stücke wie eine Einheit, niemals zerfahren. Der Sound ist ein wenig fragil, das sorgt zwar dafür, dass selbst die knallharten Abschnitte, von denen es wohl einige gibt, nicht wirklich brutal wirken, verleiht dem Material aber auch eine ganz eigenwillige Anmut, ähnlich der, die Dark Quarterer auf „The Etruscan Prophecy“, Brocas Helm auf „Black Death“ oder Adramelch auf „Irae Melanox“ durch die objektiv gesehen ja schlechte Produktion, welche jedoch der magischen Atmosphäre nur zuträglich war, erschufen. In einer Liga mit genannten Bands spielt man auch in Frankreich, das Songwriting ist nur eben anders gestaltet. „Etherias“ ist ein Konzeptalbum und somit schreit es nach einer mystischen, dunklen, geheimnisvoll klingenden musikalischen Umsetzung. Dazu passt nun auch die Vielzahl von Tempi – und Rhythmuswechseln innerhalb der Songs, es wird erzählt und je nach Handlungsabschnitt die dazu kompatible Musik ausgesucht. Daß dabei die Stücke sich trotzdem so nach und nach als Ohrwürmer der besonderen Art entpuppen spricht nur noch mehr für die Franzosen und ihre Klasse. Und selbst wenn man nicht die Muße besitzt, sich intensiv mit den Texten zu beschäftigen, die wilde Klangwelt Medusas packt einen, die unzähmbaren, beinahe besessen gespielten Soli fesseln einen und reißen einen mit hinein in diese Soundlandschaft, aus der es erst nach über einer Stunde wieder ein Entkommen geben darf. Medusa scheinen die aktuellen Trends im traditionellen Metal, im Grunde ist es ja nur dieser eine, nämlich das Geträllere mit glattgebügelter Produktion, nichts anzugehen. Ihnen ist dieser hintergründige Wahnsinn zueigen, auf dem die Stücke basieren, sie strahlen infernalische Leidenschaft aus, die im Ansatz solide Metalsongs erst zu wahrer majestätischer Größe verhilft. Es ist epischer, progressiver Heavymetal, den Medusa spielen, doch hinter diesem Terminus verbirgt sich eine üppige Fülle an Genialität und spiritueller Ausdrucksstärke, die beinahe sämtlichen gängigen Mainstreammetalbands verblassen lassen sollte. Wenn denn das Biz etwas gerechter wäre. Es geht nicht darum, dass Medusa Untergrund und daher geil sind, es ist ihr Klangspektrum, die Art, wie sie es zusammensetzen. Aus Medusa spricht die pure Lust am Metal verbunden mit den ihren wildesten Träumen entsprungenen Visionen.
(c)2002, Sascha Maurer