Das Kindlein ist zur Welt gekommen: die erste
full-length-CD aus dem Hause Symmetry. Lange genug
hat's gedauert. Basser-Wechsel hin, Labelprobleme her
- "Watching the unseen" ist das erwartete
Progressive-Highlight geworden, auf dem die fünf
Holländer sechzig schöne Minuten lang ihren
gitarrenbetonten Stil der powervollen Schule
zelebrieren. Hier gibt's kein Keyboard-Gejaule aus der
Synthie-Konserve, keine ellenlangen Intros und -
seeeehr wichtig, Herr Progdoktor! - kein Sänger, der
gerade seinen Schulabschluss gemacht hat.
Die Produktion entstand im Studio des
Harrow-Gitarrero-Tandems Harry Wijering und Erik de
Boer und die Herren haben den Symmetristen aus dem
Osten der Niederlande einen ähnlich fetten Sound
verpasst wie schon auf der Mini-CD "To divinity". Dass
die Gitarren von Franc Tiehuis und Frank Schiphorst
dabei rund und rauh rauskommen, wundert wohl niemand.
Los geht's mit dem etwas sperrigen Einsteiger
"Mission" (mit einem an den Hammersong "Frozen"
erinnernden Rhythmus in der Mitte), und gleich folgt
der erste Knaller: "The circle" fängt mit einer
schwierigen Gesangsmelodie wieder leicht sperrig an,
entpuppt sich aber schnellstens als intensives Stuck
mit genialem Twin-Riffing und Sänger Erik Masselink in
Höchstform. Now that's what I call Symmetry!
Ähnlich intensiv ist das halb als Ballade, halb im
Midtempo daherkommende "The letters", das mit einem
klasse Arrangement sowie mit einem melancholischen
Text von Erik (der sich diesmal wieder verantwortlich
zeigt für die ganze Lyrik-Abteilung) aufwartet.
"Burning bridges" knallt nach einer semi-akustischen
Einleitung mit einer genialen Hookline wieder
ordentlich rein. Spätestens hier fällt die Fähigkeit
Symmetrys auf, bei aller Progressivität die Melodie
immer im Auge zu behalten, sprich: hier werden Songs
geboten und einem keine zusammengewürfelten Ideen ohne
Syntax und Wiedererkennungswert als fertige
Kompositionen vorgegaukelt.
Im langen "Slave" muss die sex-and-death-Thematik aus
den HELLRAISER-Filmen mal wieder herhalten; es ist
eine der progressivsten Nummern auf der Platte, aber
kann mich der Komposition wegen nicht so begeistern
wie der Rest. Herr Masselink tobt sich hier aus; nach
seinen Schwärmereien von den ersten beiden
Barker-Streifen (Yeah; DVD rules!) während des
vergangenen Tilburger ProgPower-Festivals (wo der Song
schon gespielt wurde) wird mir so einiges klar.
Sicher; Barker hat einige gute Geschichten erzahlt,
aber mich zieht's eher zum Kino von Eric Rohmer,
Claude Sautet oder Patrice Leconte. Ist
Geschmackssache, weiss ich doch. Und Dialoge aus einem
Rohmer-Film lassen sich ohnehin nun mal schlecht mit
Metal vereinigen.
Ruhepunkt der Scheibe bildet das mit vier Minuten und
dreiundvierzig Sekunden als kürzester Song geratene,
balladeske "In your world"; ist doch immer wieder 'ne
Freude wenn eine (Halb)Ballade nicht in
Malmsteen-Kitsch abgleitet. Und man braucht die Amps
ja nicht immer voll aufzudrehen, oder?
Als sehr gelungen ist auch "Land Evermore" zu
bewerten; schräges und sehr hypnotisierendes
Anfangs-Riff (ich könnte auf der nächsten Scheibe
locker noch einige dieser Sorte vertragen),
abwechslungsreiches Songwriting, edle Gitarrenläufe
und herrliche Soli, Supergesang. Alles im Lot im Land
der progressiven Traume.
Bevor das aus zwei Teilen bestehende Mini-Epos "Raging
planet" (inklusive komplizierte Drumparts von Marcel
Heitmann) die Scheibe beendet, zieht das wunderschöne
"Chaos of birth" (mit mächtigen Riffs und
ausschweifenden Soli) einen völlig in den Bann.
Emotional und erhaben ist hier wieder der Gesang
Eriks; manchmal erinnert er auf "Watching the unseen"
sogar ein wenig an den charismatischen Fabien
Madeleine von den Kanada-Göttern In The Name (deren
Debutscheibe nach wie vor das unterbewerteste
Progressive Metal-Meisterwerk schlechthin ist).
Fazit: Symmetry haben, ihren Ruf nach der Mini
gerecht, ein sauberes Stuck progressiven Metals
abgeliefert. Das beste an der Sache ist wohl, dass es
(okay; ausser der Ballade) immer ordentlich rockt;
irgendwie hat man bei der Scheibe stets das gute
Gefühl, einer echten Live-Band zuzuhören. Die Platte
versprüht eine Energie wie sie die Hunderte von
ach-so-trueen Metaller mit ihren jeweiligen Combos
nicht mal in einer Nummer hinkriegen. Da die
Aufmachung der CD (von Basser Bas Hoebink und Sänger
Erik entworfen und versehen mit längerem Zitat aus
Thomas Manns "Der Zauberberg") zudem Qualität und
Klasse hat, steht dem geneigten Progressive-Fan
also nichts mehr im Wege, sich diese CD umgehend zu besorgen.
Daumen höher fur Symmetry!
(c)2000, Oliver Kerkdijk