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Jakob Arjouni - Hausaufgaben

 „Ich will nur noch raus aus dieser Hölle und wieder ein normales Leben führen.“

Diese Hölle – das ist Joachim Lindes derzeitiges Leben, das nicht elender sein könnte. Über die Jahre hinweg wurde es für den Deutschlehrer immer unerträglicher. Seine Frau, die Linde vor langer Zeit einmal so abgöttisch geliebt hat, verfällt der Depression, und obwohl er sich mit ihr geeinigt hatte, dass es „nichts brachte, innerfamiliäre Probleme und Mißverständnisse in die Öffentlichkeit zu tragen“, konfrontiert sie ihren Mann und schließlich auch seine Schule mit einem unglaublichen Vorwurf.

Sein Sohn Pablo engagiert sich für Amnesty International, ist aber ansonsten in Lindes Augen nur ein etwas besserer Versager, der mit Mädchen noch nichts zu tun haben möchte und seine Tochter Martina schließlich ist nach einem scheinbar einschneidenden Vorfall im Südfrankreichurlaub und einem Selbstmordversuch überstürzt ausgezogen und mit einem windigen Typen nach Mailand geflohen. Zu allem Überfluß muss sich der Deutschlehrer auch noch gegen einen Antisemitismus-Vorwurf wehren.

Nur durch seine wortgewandte Art gelingt es dem Protagonisten scheinbar im letzten Moment, das Kartenhaus vor dem endgültigen Zusammenbrechen zu bewahren und der Öffentlichkeit vermeintlich lückenlose Aufklärung zu geben. Doch wie das meiste in Lindes Leben geschieht auch das nur an der Oberfläche – die Abgründe sind viel tiefer und bleiben im Dunklen.

Jakob Arjouni, der besonders durch das wunderbare „Magic Hofmann“ sowie seine Kayankaya-Krimis bekannt wurde, gelingt nach dem hervorragenden Kurzgeschichtenband „Idioten – Fünf Märchen“ ein kurzer (knapp 190 Seiten), tragischer und unter die Haut gehender Roman, der den Leser in ein Gefühlschaos entlässt, bei dem man nicht weiß, ob man über Linde den Kopf schütteln oder mit ihm gemeinsam den Mut verlieren soll.

(c) 2005, Michael Kohsiek