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Trans-Siberian Orchestra - Beethoven's Last Night

Wer immer noch nicht gemerkt haben sollte, welche Bedeutung ein Mann namens Paul O'Neill für den Savatage-Clan in den letzten Jahren gewonnen hat, kann hier seine Bildungslücken schließen. TSO, Pauls Rockopern-Projekt mit dem Sava-Produktionsteam (Paul selbst, Jon Oliva, Bob Kinkel), unterscheidet sich musikalisch kaum bis gar nicht von den jüngsten Alben der Florida-Rocker, "The Wake of Magellan" und "Dead Winter Dead", lediglich der Metal-Anteil wird hier noch 'ne Ecke runtergeschraubt (wodurch man in etwa in der Nachbarschaft von Jim Steinman, seines Zeichens Gott-Songwriter von Pathos-King Meat Loaf, landet); aufgrund der starken Piano-Dominanz kommt mir auch mehr als einmal die gute alte "Streets" in den Sinn. Gerade wer die vorher unveröffentlichten Songs dieses All-time-Klassikers gehört hatte ("Desiree", "Stay", "Larry Elbows") und sich die Frage stellte, wie "Streets" als professionelle Broadway-Produktion mit Orchester und verschiedenen Sängern für die einzelnen Charaktere hätte klingen können, der dürfte hier mit Sicherheit fündig werden. (Abzüglich natürlich der auf ewig unerreichbaren Gitarrenarbeit Criss Olivas (RIP). So stark ich das Team Caffery/Pitrelli, das hier wohl zum letzten Mal zu erleben ist, auch finde, der Mann wird NIEMALS gleichwertig ersetzt werden...)

"Beethoven's Last Night", der Titel deutet es an, gibt O'Neill & Co. natürlich unzählige Gelegenheiten, die Werke dieses genialen Komponisten (und auch Mozarts) in DWD/TWOM-typischen Instrumentals zu verwursten und kurze Sequenzen und wiederkehrende Themen als Erkennungsmelodien in eigene Stücke einzubauen (insbesondere, wer hätt's gedacht, natürlich die Ode an die Freude, wohl das "Paranoid" der Klassik als "meistgecovertes" Stück). Ansonsten bleibt man im wesentlichen im durch die erwähnten Sava-Alben bestimmten Rahmen mit Betonung auf den ruhigeren Songs (Um es mal klar auszusprechen: Wer METAL erwartet, ist hier wohl falsch...). Gerade die von Sängerin Patti Russo hervorragend interpretierten Bombast-Nummern "The Dreams Of Candlelight", "I'll Keep Your Secrets" und "After The Fall" hätten mit nur wenig Änderungen problemlos auf "Streets..." gepaßt, ebenso das Zak Stevens featurende "The Dark" (im Moment mein Fave-Song).

Einziges Problem, das ich ab und an auf dieser Scheibe habe, ist, daß sich Paul, Jon und Bob hin und wieder zu stark an den eigenen Klassikern orientieren. Die oben erwähnten Russo-Songs sind jedenfalls offensichtlich sehr nahe Verwandte von "Believe" und "Alone You Breathe", die Melodie der kurzen Abschlußnummer "A Final Dream" ist nahezu identisch mit der letzten Minute von "The Hourglass" auf "The Wake of Magellan", und auch das ansonsten fantastisch ausgefallene "Misery" weckt Erinnerungen an "Paragons Of Innocence" und ein, zwei andere "Magellan"-Songs.

Daran ist selbstverfreilich auch der Mountain King, Jon Oliva, "mitschuldig", der besagten Song und "Mephistopheles" mit gewohnter Coolness über die Bühne bringt. (Nebenbei, in der abermals etwas an Charles Dickens erinnernden Konzeptstory übernimmt Jon natürlich die Rolle des Leibhaftigen himself, was ihm auch mal wieder Gelegenheit zu seinem klassischen "Evil Laughter" gibt. Manche Dinge ändern sich einfach niemals...)

Nur noch ein Kritikpunkt: lieber Paul, zumindest ich habe den Gimmick mit den Kanon-Gesängen mittlerweile ziemlich über. Was seinerzeit bei "Chance" noch (zu Recht!) als Sensation gefeiert wurde, wird hier mittlerweile zum x-ten Mal ohne einschneidende Veränderungen abgespult und wirkt auf mich wie ein Standardeffekt - gerade auch, weil Teile der Melodien und sogar Lyrics STARK an "Wake of Magellan" (den Song) angelehnt sind. Queen haben schließlich auch nur einmal "Bohemian Rhapsody" geschrieben...

Originalitäts-Gemecker mal beiseite, habe ich an diesem Album aber verdammt wenig auszusetzen. Im Gegenteil, im direkten Vergleich zu den entsprechenden Sava-Konzeptalben hat man immerhin die echte klassische Instrumentierung zu bieten, ebenso größere Vielfalt durch verschiedene Sänger, die übrigens allesamt ohne Einschränkung überzeugen können (Trotzdem hätte ich Zak Stevens in der Rolle des Beethoven bevorzugt, der Mann kommt hier eindeutig zu kurz...).

Dementsprechend ist es natürlich eine Schande, daß man dieses Meisterwerk hierzulande nur als teuren US-Import in die Finger kriegt - schließlich haben Savatage gerade in Deutschland in den letzten Jahren mehr als nur ein paar Fans dazugewinnen können, für die "Beethoven's Last Night" ein gefundenes Fressen sein müßte. Unter dem Namen Savatage würde ich für die Scheibe einen Top 20-Charteinstieg schon fast als garantiert ansehen...so bleibt's zunächst nur für Insider.

(c)2000, Ernst Zeisberger