Nach dem Star One-Ausflug besinnt sich Arjen Lucassen mal wieder auf sein Hauptprojekt Ayreon und legt mal wieder "eben so" ein Doppelalbum mit Starbesetzung ab, das schlichtweg zum Besten gehört, was wir in diesem Genre in den letzten Jahren vernehmen durften. "The Human Equation" übertrifft dabei auch des Meisters eigene letzten paar Versuche um Längen: hatte er auf den beiden "Universal Migrator"-Alben noch krampfhaft versucht, die Prog Rock- und Metal-Einflüsse säuberlich voneinander zu trennen (und war dabei des öfteren eher im qualitativen Mittelfeld gelandet), so gibt es nun wieder die volle Crossover-Vollbedienung. Pink Floyd-lastige Atmosphäreparts gehen wieder nahtlos in knallharten Metal über, wechslen sich mit folkigen Melodien, die in dieser Form wirklich nur von Ayreon kommen können, ab, und hin und wieder gibt es auch mal wieder eine völlig krasse Eruption von Aggression (meist in Form von Mike Akerfeldts Vocals, die streckenweise schon fast eher an Bloodbath als an Opeth gemahnen, aber auch der wie immer völlig irre Devin Townsend will natürlich in nichts nachstehen).
Wobei der Stil sich am ehesten an das hauseigene Alltime-Meisterwerk "Into The Electric Castle" anlehnen mag, aber doch weit davon entfernt ist, dieses zu kopieren. Der Fantasy/SF-Bezug des Konzepts (genauere Beschreibung spare ich mir mal, gibt es eh bald in allen Magazinen zu lesen) wurde doch deutlich heruntergefahren - "The Human Equation" beschreibt eher einen internen Konflikt ähnlich etwa wie Dream Theaters "Six Degrees Of Inner Turbulence" (der Song!) oder auch Arenas "The Visitor". Passend dazu ist auch die Musik etwas moderner, bodenständiger geworden, und James LaBries Vocals (der Dream Theater-Fronter übernimmt die zentrale Rolle!) begeben sich ähnlich wie eben in "Six Degrees..." nicht aus den gemäßigten Bahnen hinaus. Aber keine Sorge - ähnlich unterkühlt wie etwa das Zweitwerk "Actual Fantasy" ist Arjens Neueste deswegen nicht ausgefallen. Lediglich der mittelalterliche Touch blieb halt auf der Strecke. Und den Science Fiction-Enthusiasten unter unserer Leserschaft sei gesagt, daß es zum Ende hin noch eine Wendung im Plot gibt, die sie brennend interessieren wird...
Alles in allem: ein typisches Ayreon-Werk mit einer fantastischen Besetzung, die die letzte trotz des Fehlens ähnlich großer Namen problemlos aussticht (neben den Genannten überzeugen vor allem Saviour Machine-Düstermann Eric Clayton, Shadow Gallery-Sangesgott Mike Baker sowie der ehemalige Uriah Heep-Tastenkaiser Ken Hensley). Die Größe von "...Electric Castle" wird Arjen zwar in diesem Leben wohl nie mehr erreichen, aber - "The Human Equation" ist das nächstbeste Ding. Und das will doch was heißen...
(c)2004, Ernst Zeisberger