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Pokolgép – Totális metál (Re-Release)

In der Geschichte Affige Pizzen bemerkt Zeitgeistkommentator par excellence Max Goldt auf seiner unnachahmlichen Art und Weise, die finnische Sprache sei irgendwie verwandt mit der ungarischen. Ich bin zwar kein Linguist, aber er könnte damit durchaus recht haben: beide Sprachen haben eine gewisse Exotik und Unaussprechlichkeit gemein und wollen nicht so recht in der europäischen Sprachenlandschaft rein passen. Pokolgép sind aus Ungarn, machen seit der ersten Hälfte der Achtziger Heavy Metal und das (bis auf eine Ausnahme: die Platte Csakazértis aus 2000 erschien in 2001 als Ancient fever mit englischen Texten) in ihrer Heimatsprache. Dass man von den Texten also fast nada mitkriegt, tut der Musik aber wenig Abbruch: ultratraditioneller Metal ist Programm, der fetzig daherkommt und total das unverbrauchte Gefühl der metallischen Anfangszeiten versprüht. Als Kulturbanause in Sachen Ost-Europa-Metal muss ich zu meiner Schande gestehen, dass mir bisher nur der Bandname bekannt und kein Ton der Truppe geläufig war. Gottlob hat sich das seit Kalten-Kriegszeiten legendäre wir-pressen-alles-Staatslabel Hungaroton der Debütscheibe Pokolgéps angenommen und selbige, um zwei Bonustracks und (hurra) ungarische Liner Notes bereichert, in der A Magyar popsztori-Reihe als CD neu aufgelegt. O Freude, o Metalkult! Wie ein farbenfrohes Mixgetränk aus Breaking the law-Priest, französischer Warning, Heavy Load und Anfangstagen-Accept klingt die Band auf ihrem Einstand aus dem Jahre 1986 – trügerisch simpel, aber nur so strotzend vor kleinen Feinheiten und klaren Melodien. Vorteil des Hammertiteltracks (mit dem fast eins zu eins von Victim of changes abgekupferten Anfangsriff!) ist, dass sich der Refrain (‘Meeeetál, totális metál! Meeeheeetál, totális metál!’) auch ohne jegliche Kenntnisse der ungarischen Sprache ohne Probleme mitbrüllen lässt. Sänger József Kalapács besitzt diese typische Mitt-Achtziger-Metalstimme – technisch isser zwar kein Tom Mallicoat, aber er bringt genau das was die Musik fragt: Gefühl, Energie, Rock ‘n’ Roll (und ein bisschen Rebellion, weil’s so schön ist). Es wird hier halt völlig aus dem Bauch heraus gespielt und das kann in unseren kopflastigen, überanalysierten Zeiten soooo erleichternd wirken (Ups, ist wohl auch eine sozial-kulturelle Analyse…).

Das Outfit und Image der Balkanbanger könnten kultiger nicht sein und erinnern (obwohl ganz Römerklamotten-frei) mich irgendwie an die nicht weniger skurrillen Italiener Astaroth. Es bedarf zudem auch nur ein Durchlauf um sich mit den metallischen Klängen auf Totális metál anzufreunden. Der flotte Opener A jel, die Bandhymne Pokolgép und das herrliche, fast Saxon-artig dahinstampfende Mindhalálig rock and roll – alles old school Gold unter der Arno Hofmänn’schen Metalsonne. Als Bonustracks wurden Kegyetlen asszony (1983 im Studio eingespielt) und die Juni 1990 während einem Festival aufgenommene Klasse-Nummer Gépinduló hinzugefügt. Beim ersten Track tippe ich auf ein Cover einer klassischen ungarischen R’n’R-Nummer (wer mehr weiss, kann sich ja mal melden). Ausserdem belegen Pokolgép ein für allemal dass das Horror-Adjektiv ‘true’ von keinem echten Metaller gebraucht wird. Metal ist Metal und was kein Metal ist, das versteht sich vonselbst, nicht wahr?

Fazit: Totális metál muss man eigentlich haben wenn man sich wieder meckernd das Aldi-angebot der hiesigen Plattenfirmen angeschaut und beschlossen hat, erst mal Geld für’s dritte KIT zu sparen. Ŕ propos KIT: Herr Weinsheimer und Herr Magary, wären Pokolgép kein Tip für Numero Quatro?

Bezugsquelle für dieses Museumstück: Stefan Riermaiers Karthago Records. www.karthagorecords.de

(c)2004, Oliver Kerkdijk